Donnerstag, 30. November 2023

A Coruña

Nach einer weiteren wellenmäßig sehr ruhigen Nacht haben wir  A Coruña in Nordspanien erreicht. Der eine oder andere (und ursprünglich auch ich) kannte nur La Coruña, und war nun verwirrt. Daher eine kurze Aufklärung: es handelt sich um ein und denselben Ort, "La Coruña" ist die spanische, früher offizielle Schreibweise, "A Coruña" die galizische, die seit 1998 (wieder) die offizielle Bezeichnung ist. (Galizien ist eine nordspanische Provinz). Jetzt aber genug mit dem überflüssigen Wissen.

A Coruña ist eine aufstrebende, lebhafte Hafenstadt, unweit des berühmten Santiago de Compostela am Jakobsweg, das spätestens seit Hape Kerkelings "ich bin dann mal weg" auch den religiös weniger affinen Mitmenschen (sowie dem dicken Mann) auch ein Begriff ist.

In Anbetracht des trüben, regnerischen Wetters (ok, der Winter nähert sich, oder vielmehr wir uns dem Winter) würde ich nach einem nicht sehr intensiven Landgang empfehlen, im Frühling oder frühen Herbst wieder zu kommen. Das macht sicher mehr Spaß. Aber ich wäre nicht ich, wenn ich nicht auch noch etwas positives gefunden hätte: Die Preise für Souvenirs sind hier sehr günstig, selbst in dem Touristenshop direkt im Hafen. Da freut man sich.

Gegen Abend nehmen wir Abschied vom letzten Hafen dieser langen Reise und nehmen Kurs auf die Biskaya und danach Bremerhaven. Da der Weg noch weit ist, gibt das Schiff ordentlich Gas und heizt mit 20 Knoten und mehr über den Atlantik.





Mittwoch, 29. November 2023

10. Seetag

Frühmorgens wache ich auf, so gegen acht, und fröhlich, denn die Folgen der Land Rover-Fahrt haben sich nicht zurück gemeldet. Also ab zum Frühstück, wo auch kurz danach Cesar und Cleo eintreffen. Nachdem die Uhren der beiden synchronisiert wurden, klappt das auch alles wieder ganz gut.

Cleo sagt von sich, sie sei der absolute Morgenmuffel. Tatsächlich gibt sie sich bei der morgendlichen Begrüßung aber immer fröhlich und aufgekratzt, zumindest hatte ich sie noch nicht anders erlebt. Heute jedoch ist das anders. Sie kommt rein, lässt sich auf ihren Platz fallen, und verkündet lautstark:

„Habe ich heute eine schlechte Laune!“ Peter, der Kellner der sie immer bedient und ganz in der Nähe steht, kann sich eine Bemerkung nicht verkneifen: „Heute??“.

Während Cesar und ich losprusten, entgeht Peter nur knapp einem liebevollen kleinen Faustschlag von Cleo, die anschließend ihre Frühstücksbestellung bei ihm aufgibt. Kurz danach liefert er Brötchen, Ei und was auch immer bestellt war mit den Worten „Bitteschön die Dame“

„Ich bin keine Dame“ protestiert Cleo

„Bitteschön keine Dame“ korrigiert Peter. Dann merkt er, dass er den Saft vergessen hat, und liefert ihn nach. „Bitteschön, keine Dame“.

Als Cleo sich nicht mehr ärgert, und alle den Frühstückstisch verlassen, ruft er hinterher: „Adios, Madame“. Cleo dreht sich um und protestiert „Nix Madame“.

Peter nimmt den Ball gerne an und wirft ihn zuück: „Okay. Adios nix Madame!“

Und so wird er sie auch morgen früh begrüßen.


Dienstag, 28. November 2023

9. Seetag

Frühmorgens wache ich auf, so gegen acht, und springe fröhlich aus dem Bett. Nein, ich versuche fröhlich aus dem Bett zu springen - auch falsch. Beschränken wir uns auf „Frühmorgens“ und - glaubt es oder nicht - auch auf „fröhlich“. Ich habe ja meistens erträgliche bis gute Laune, und seit ich im Ruhestand bin, sogar schon morgens. Aus dem Bett springen - das habe ich noch nie gemacht, höchstens als kleines Kind auf dem Bett. Die Realität ist: Ich stehe immer vorsichtig auf. Außer heute, denn da sind sämtliche Glieder steif, zumindest diejenigen, die beim Aufstehen hilfreich sein könnten, und ein leises Stechen im Rückenbereich weckt Erinnerungen an die Warnungen vor dem gestrigen Ausflug. Mehr aber zum Glück nicht. Nach zwei Versuchen ist alles wie vorher. Aber mit steigendem Alter möchte ich mal verbreiten: Land Rover fahren ist anscheinend tatsächlich schlecht für die Bandscheiben. Gut, ich war gewarnt. Zum Glück.

Eigentlich sollten wir gerade in Leixões (dem Seehafen von Porto) anlegen. Dafür hätten wir allerdings gestern ein paar Stunden früher von Funchal ablegen müssen, was wir auch gerne getan hätten, wenn da nicht an diesem Wochenende die Hafenlotsen in Portugal streiken würden. Schade, aber wenn man es vorher weiß...

Wir sind dann etwas länger auf Madeira geblieben, aber leider nicht so lange, als dass man dort hätte noch zum Abendessen gehen können, und nun freuen wir uns eben über einen zusätzlichen Seetag (nicht wirklich, denn die Überquerung der Biskaya steht bevor), bis wir dann - früher als geplant - in A Coruña eintreffen werden.



 

Montag, 27. November 2023

Funchal

Morgens um sieben ist Madeira noch in Ordnung wenngleich dunkel, die Artania parkt rückwärts ein am bevorzugten CR7-Kai (offiziell heisst er anders, liegt aber direkt an einem Café und einem kleinen Museum vom berühmtesten Sohn der Stadt, Cristiano Ronaldo) also praktisch schon in der Altstadt des Hauptortes Funchal, und wir haben einen glatten Platzvorteil gegenüber den beiden großen Schiffen die gleich noch kommen werden und an der äußeren Kaimauer festmachen müssen. Das sind schon mal, je nach Schiff, zwei bis drei Schiffslängen mehr Fußweg in die Altstadt und zum Zentrum.. Vermutlich haben wir auch - zumindest prozentual - mehr Fusskranke an Bord. Nur prozentual, denn die „Ventura“ und die „Azura“, beide von P&O-Cruises, bringen ca. 9.000 Passagiere und Crewmitglieder (nur die geschätzt, die raus dürfen) mit, was einen vorübergehenden Bevölkerungszuwachs in Funchal von ca. 10.000 Menschen bedeutet (wir sind ja schließlich auch noch da). Aber Funchal kann so etwas ab, es geht hier praktisch jeden Tag so zu. 

Obwohl ich schon ein paarmal hier war, habe Ich tatsächlich einen Ausflug gebucht: eine halbtägige Safari im Geländewagen, mit ortskundigem Fahrer. Das mit dem Fahrer sollte man ja nicht betonen müssen, oder? Vielleicht wichtiger sind die Gesundheitshinweise: der Ausflug ist nicht geeignet für Menschen mit eingeschränkter Beweglichkeit und nicht für solche mit Rückenproblemen. Böse Zungen könnten jetzt fragen, ob diesen Ausflug überhaupt jemand gebucht hat, aber ja, es wartet ein halbes Dutzend Geländewagen auf die Gruppe. Und zwar nicht die sonst im Tourismusbereich oft verwendeten  Plastik-Jeeps aus Fernost, sondern jeder einzelne ein massiver Land Rover Defender. Die meinen es also ernst. Und jetzt verstehe ich den Satz mit der eingeschränkten Beweglichkeit, denn diese Autos sind nicht nur richtig groß, sondern auch brachial hoch. Die Sitzflächen befinden sich ungefähr auf Brusthöhe, was jedes Ein- und Aussteigen zu einer kurzen aber heftigen Klettertour macht, weil auch die Zwischenstufe zum Einstieg gut kniehoch hängt.

Aber dann sind alle verstaut, sogar sehr komfortabel, weil von den acht Passagiersitzen immer nur fünf besetzt werden, und los geht es, hoch und höher. Es gibt erst so etwas wie eine Autobahn, aber schon nach wenigen hundert Metern biegen wir ab und lernen die üblichen Verkehrswege der Insel kennen: schmale Straßen und ganz schmale, schlechte und ganz schlechte, scharfe Kurven, ganz scharfe und sogar welche die so eng sind, dass man zweimal hin- und herfahren muss, um den Radius zu schaffen. Und auch das nur, wenn ausnahmsweise mal niemand sein Auto möglichst blöd im Weg geparkt hat. Aber was sollen die Leute auch machen, Parkstreifen an Bergstraßen gibt es nicht, und oft sind die Straßen einspurig. Einmal muss unser ganzer Konvoi eine steile Straße rückwärts wieder runter fahren, weil ein LKW entgegen kommt. Aber immerhin, die meisten Straßen sind asphaltiert, so ordentlich es ging. 

Eine Safari ist ja eigentlich ein Jagdausflug auf den Spuren großer Tiere, wobei es zum Glück aus der Mode gekommen ist, sie zu erschießen. Fotografieren und Filmen reicht auch und ist besser für alle Seiten. Warum unsere Tour Safari heißt, weiß ich allerdings nicht, denn die größten Tiere hier sind Kaninchen, und die lassen sich nicht sehen. Moment, könnte jetzt der eine oder andere fragen, was ist mit den ganz großen: Blauer Marlin, Großaugenthun und Hai? Zugegeben, die sind allesamt deutlich größer als Kaninchen. Aber als Fische spielen sie bei einer Landsafari eher eine untergeordnete Rolle, außer vielleicht auf dem einen oder anderen Teller. Und was ist mit Hund und Katze? Ok, jetzt wird es albern. Was wir jagen, sind spektakuläre Ausblicke und einmalige Landschaften. Da gibt es den Blick auf das höchste Bergmassiv Madeiras, jede Menge Menge Bananenplantagen, wunderschöne Häuser in tiefer gelegter  Hanglage, die zum Teil ausschließlich zu Fuß zugänglich sind, über Pfade und Treppen (und das war schon beim Bau so), und die zum Teil aufgrund ihrer Lage kein fließendes Wasser haben, Weinhänge, Kirschbäume, immer wieder mehr oder weniger prekäre Verkehrssituationen, bis wir eine Pause machen in einer der traditionellen Bars an einer äußerst schrägen Kreuzung, wo auch noch alle paar Minuten (!) ein Bus durchgerattert kommt. Oder laut hupend stoppt, weil einer der Barbesucher beim parken die letzten zwei Zentimeter Platz bis zur Wand der Bar nicht ausgenutzt und deswegen die Fahrbahn verengt hat. Über Stock und Stein und auch ordentlich offroad geht es nun zum besten Aussichtspunkt ever, dem Miradouro Giraou, der auf der Spitze einer fast 500m hohen Steilklippe sitzt und einen ganz tollen gläsernen Skywalk hat. Die Zeit ist gut - nicht so viel Andrang - und die Aussicht auch. Einen Skywalk aus Stahlgitten gibt es auch. Der Bereich aus Glas jedoch ist nur wenige Meter lang und lediglich auf den gut sichtbaren Stahlgittern montiert. Lächerlich! Vor allem, weil es Leute gibt, die sich trotzdem nicht drüber trauen.

Wesentlich spektakulärer sind die steilen Straßen, die wir jetzt Richtung Hafen abwärts donnern. Korbschlitten fahren (eine Tradition hier, die wild, aufregend und abenteuerlich sein soll) ist gar nichts dagegen. Natürlich kommen wir wohlbehalten und gut gelaunt am Schiff an. Ein letzter Abstieg aus den Schwindel erregenden Höhen des Land Rovers, und der feste Boden hat mich wieder.

Ein wirklich toller  und mega-interessanter Ausflug liegt hinter mir, alles war wie versprochen oder besser. Nur die Rückenwarnung hatte ich nicht verstanden.

Bis ich am nächsten Morgen aufgestanden bin…




Sonntag, 26. November 2023

8. Seetag

Die Artania plätschert noch immer ereignislos über den Atlantik, nähert sich aber unaufhaltsam der wunderschönen portugiesischen Insel Madeira. Wenn mir jetzt nur ein guter Übergang einfiele…

Vielleicht so: Die Zeitverschiebung zwischen den USA und Portugal beträgt derzeit 5 Stunden, weil die Amerikaner den Europäern - wie in so vielen Dingen - hinterher trotten. Gut, für die Zeitverschiebung können sie ausnahmsweise nichts. Bewegt man sich also Richtung Europa, muss man die Uhren insgesamt fünf Stunden vor stellen. Im Flugzeug ist das nur ein einziger Vorgang: nach der Landung sagt der Pilot die neue Zeit, man stellt die Uhr, fertig. Auf dem Schiff teilen wir das auf: an fast jedem Seetag stellen wir die Uhren in ungefährer Abhängigkeit unseres jeweiligen Standorts um eine Stunde vor. Auf das „ungefähr“ werde ich noch eingehen. Der Zeitsprung erfolgt immer an Seetagen (da bringt man nur die Rentner durcheinander und nicht noch die Ausflugsplanung), teilweise nachts, wie man das so kennt, häufig aber auch um zwölf Uhr mittags. Plötzlich ist es dann dreizehn Uhr, und die Restaurants, vor denen nicht wenige Altenheimbewohner bereits seit zwanzig Minuten auf das tägliche Süppchen warten, öffnen ihre Türen. Für einen täglichen Zeitsprung, an den sich alle besser gewöhnen könnten, besonders diejenigen, die das Tagesprogramm ungelesen wegwerfen und hinterher möglicherweise verstimmt sind, weil sie nicht wissen was wichtiges drin stand, haben wir nicht genug Stunden. Wichtig zu wissen: die Zeitumstellung nach heute war nachts. 

Cesar benutzt eine Apple Watch, die meistens weiß wo sie ist, und damit auch die richtige Zeit zeigt, oder von Hand auf einen Ort der entsprechenden Zeitzone eingestellt werden kann, so erzählt er. Dazu braucht man einfach nur einen Ort der entsprechenden Zeitzone, wählt ihn aus und gut ist. Aber überquert man den großen Teich, sind auf der Linie zwischen Nord- und Südpol manchmal keine Orte zu finden. Es mag daran liegen, dass der große Inselstaat Atlantis nach wie vor ignoriert wird. Und weil das so ist, kam es heute morgen zu folgenden Wirrungen: ich sitze, wie immer als erstes, kurz nach neun Uhr am Frühstückstisch, als Cleo angehetzt kommt und mich völlig überrascht fragt, was ich denn hier schon mache, um 8.10 Uhr. Wieso, frage ich, es ist 9.10 Uhr. Laut Cesar wohl nicht, aber der hat sich - vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben - vertan. Cleo flitzt nach oben, um ihn nochmal zu wecken, doch er glaubt ihr nicht, wie ich nach ihrer Rückkehr erfahre. Während wir noch diskutieren, ob ich auf diesem Gebiet glaubhafter wäre, taucht er doch noch auf, kurz bevor das Restaurant schließt. Eine Stunde zu früh, sagt er, weil niemand an Bord die Uhr kennt…




Samstag, 25. November 2023

7. Seetag

Während die Artania weiterhin ihren Ost-Nord-Ost-Kurs Richtung Madeira verfolgt, sich der dafür zuständige Teil der Mannschaft nach Kräften bemüht, die eingerostete Gästeschar bei Laune und in Bewegung zu halten, und das Meer trotz Regenwetter einen eher ruhigen als groben Wellengang bevorzugt, beginnt auch für mich eine Phase, wo gerade mal nicht so viel passiert. Aber keine Sorge, ich habe gesammelt!

Es war einer meiner ersten Abende an Bord, und ich wollte zum Abendessen ins Restaurant „Artania“ gehen. Das war aber augenscheinlich sehr gut besucht, bis auf einen großen, runden Achtertisch in exponierter Lage, was bedeutet, man kann ihn schon vom Eingang aus sehen, obwohl er ganz am Ende des Restaurant steht. Und genau da führt mich der Kellner jetzt hin und weist mir einen bestimmten Stuhl zu, der zum Glück nicht ganz in der Sichtachse steht. Kaum habe ich bestellt, taucht ein etwas ungewöhnliches Paar in seinen frühen Achtzigern auf und setzt sich neben mich, nennen wir sie Cesar und Cleo. (Harry und Sally, meine Lieblingspaarung, ist ja schon vergeben. Den beiden geht es übrigens auch ohne mich gut auf der MS3, natürlich, und wir schreiben uns öfter, was auch ganz schön ist), aber ich verplaudere mich.

Im ersten Smalltalk-Schub erfahre ich, dass C+C schon seit Bremerhaven, also einen glatten Monat an Bord sind, immer an diesem Tisch und auf diesen Plätzen sitzen, sich aber über meine Gesellschaft durchaus freuen, denn der Altersdurchschnitt an Bord sei doch etwas hoch. Wie schön, dass da auch einmal ein junger Mann mitfährt. Das mit dem „jung“ relativiert sich zwar schnell, aber ich bin ihnen sympathisch und sie laden mich ein, gerne auch weiterhin mit ihnen an „ihrem“ Tisch zu sitzen.  „Ihren“ Tisch gibt es auf diesem Schiff offiziell eigentlich ganz und gar nicht. Wie schon gesagt, der Deutsche neigt allgemein dazu, sich immer auf denselben Platz zu setzen, und im Falle, da sitzt schon jemand, böse zu schauen, wovon man sich an Bord nicht beeinflussen lassen muss. Kann man aber die Kellner für sich einnehmen, dann regeln die schon, wer wo sitzt. Seit dem Tag jedenfalls muss ich mir keinen Platz mehr suchen, was zum einen bequem ist und zum anderen immer mal Stoff liefert für meinen Blog, denn: die beiden geben das alternde, lange erfahrene und gerne mal herumzickende Ehepaar so perfekt wie von dem großen Loriot persönlich geschrieben. Dabei sind sie gar keins, sondern nur „Reisefreunde“, die sich auf einer früheren Reise kennen gelernt und irgendwie ineinander „verhakt“ haben. Cesar ist ein hochgewachsener ehemaliger Manager, Alphatier, Führungspersönlichkeit durch und durch, mit viel Ausstrahlung und einem sehr ausgeprägten Selbstbewusstsein, allgemein und insbesondere was sein Wissen betrifft. Er ist ein sehr organisierter Mensch, und mit seiner Apple-Watch immer am Puls der Zeit. Zumindest fast. Er hat sogar begonnen, meinen Blog zu lesen und findet ihn gut. Noch, und ich hoffe, das ändert sich auch nicht.

Cleo ist schwierig einzusortieren, und das meine ich durchaus nicht negativ. Sie gibt sich meistens fröhlich, versprüht trotz ihres Alters noch immer einen mädchenhaften Charme, den viele junge Frauen heutzutage leider gar nicht haben, gepaart mit so einem Tick Hilfsbedürftigkeit (was sie nicht zugibt). Sie zieht sich hübsch und farbenfroh an, mit Tendenz zu Flippigkeit in Optik und Verhalten. Die beiden passen also zusammen wie Feuer und Wasser, insbesondere in ihrem Umgang mit dem Thema „Zeit“. Doch davon erzähle ich Euch erst morgen.

 

Freitag, 24. November 2023

6. Seetag

Hier an Bord wohne ich ganz weit vorne, gleich hinter dem 1. Rettungsboot, ganz in der Nähe von Pool, Fitness-Studio, Friseur und Spa. Es sind nur wenige Schritte bis zum Treppenhaus, 3 Etagen hoch, schon ist man da. Ein kreativer Makler würde das vermutlich eine gesund-vitale Wohnlage für aktive Menschen nennen. 

Etwas zu essen gibt es hier an Bord allerdings nur ziemlich weit bis ganz hinten. Um dahin zu kommen, muss ich mich drei bis vier Decks hoch oder runter bewegen und eine halbe Schiffslänge weit laufen, eine beachtliche Strecke auf einem Schiff, das nur 0,7 SL lang ist. Weil ich Zeit sparen möchte, nutze ich heute wieder das Kabinenfrühstück (übrigens ein lustiges Wort. Als ich das zum ersten Mal gelesen habe, ist in meinem kranken Hirn für einen Moment die Frage aufgetaucht, was eine Kabine denn so frühstückt? Die Gäste sind es zum Glück nicht…). Wie immer kommt es pünktlich und vollständig: Kaffee, Milch, Zucker, Brötchen, Butter, Wurst, Ei, Saft, alles was ich bestellt habe. Zumindest denke ich das, bis ich merke, dass der Kellner die Serviette mit dem Besteck vergessen hat. Eigentlich eine schwierige Situation, weil er längst über alle Berge ist. Aber auf so einer Kabine ist ja vieles redundant, vor allem, wenn man sie allein bewohnt: Handtücher, Schwimmwesten, Wolldecken, Gläser, Zahnputzbecher, ein bis drei Betten (kein Witz), Obsttellerchen (aber nur, weil ich um einen zweiten gebeten hatte), und - jetzt kommt es - ein Obstmesser. Das ist aber hier ein ganz normales Standardmesser und damit ersetzt es das Messer aus dem vergessenen Bestecksatz und löst mein Problem, denn eine Gabel brauche ich nicht, einen großen Löffel auch nicht, und den kleinen Löffel könnte ich ersetzen, indem ich. mit dem Messerrücken umrühre. Das Ei? Das habe ich hart gekocht bestellt, muss es also nicht auslöffeln. Also alles kein Problem. Ich gieße Kaffee ein, schmiere und belege Brötchen, entferne die ASSF vom Saft (AntiSchwappSchutzFolie), nehme die Tageszeitung zur Hand, will gerade anfangen zu essen, als es klopft, trotz des „Bitte-Nicht-Stören“-Schilds außen. Das kann jetzt eigentlich nur einer sein, und der ist es auch: der Kellner mit dem Besteck und einer fetten Entschuldigung. Kann ja mal passieren, und jetzt freut sich die Kabinenstewardess, dass ein sauberes Messer im Obstkorb liegt.

 

Donnerstag, 23. November 2023

5. Seetag

Es heißt noch immer phantasielos „Erholung auf See“, und das ist es auch. Aber Ihr müsst mich auch nicht bedauern wegen den gestern behandelten, unfreundlichen Mitreisenden (das Problem haben übrigens viele), man kann sich prima erholen hier. Und wenn man Augen und Ohren offen hält, findet man immer wieder einmal etwas, worüber man schreiben kann. Zum Beispiel gestern beim vormittäglichen Rentnerquiz um ein Getränk. Das findet immer in unserer Casablanca-Bar statt, die ich erst einmal beschreiben muss: ein großer Raum über die ganze Schiffsbreite, mit u-förmig um eine Bühne mit Tanzfläche aufgestellten Sitzgruppen, und,  das ist das besondere,  zwischen der Bühne und den seitlichen Sitzen gibt es undurchsichtige Schallschutzwände, wahrscheinlich, um empfindliche Rentnerohren vor zu lauten Schlagzeugern zu schützen. Links und rechts verlaufen Gänge, Wände und Türen gibt es auf den Seiten nicht, was bedeutet, dass man die Bar von beiden Seiten betreten kann.  

Das Quiz beginnt, und läuft ab wie jedes Quiz: der Quizmaster stellt eine Frage, gibt 3-4 Antworten zur Auswahl, und dann tritt für eine kurze Zeit gehirnzermatternde Stille ein. Das läuft so während der ersten Frage, auch während der zweiten und dritten. Während der vierten läuft es eigentlich auch so, nur dass es plötzlich so ein leises, sich ständig wiederholendes, klopfendes Geräusch im Hintergrund gibt, was tatsächlich für Extra-Dramatik während der „Denkpausen“ sorgt.

Über die Zeit wird das Klopfstakkato so deutlich dass der Quizmaster nun doch einmal nach der Quelle sucht. Ein Blick hinter die Schallschutzwand zeigt ihm dann - unseren Pianisten, der sich von der anderen Seite angeschlichen hatte, und jetzt eifrig für den nächsten Auftritt trainiert. Um niemanden zu stören, trägt er einen Kopfhörer, noch dazu leise, und da ein gutes Stagepiano keine Saiten hat, man also keine Töne hört, wohl aber eine Hammermechanik, dringt nur das Klopfen seiner Anschläge zu der Raterunde vor. Ganz einfach, klingt aber spannend und macht das Altersheim nervös.

 

Mittwoch, 22. November 2023

4. Seetag

Aufmerksamen Lesern, also Euch allen, ist sicher nicht entgangen, dass ich das gestrige Hauptthema „Galaabend“ zwar minimal angeteasert, aber dann völlig übergangen habe, so dass eine Art natürlicher wenngleich unbeabsichtigter cliffhanger entstanden ist. Tatsächlich handelt es sich jedoch um reine Vergesslichkeit. Aber jetzt zum Thema.

Wer schon länger dabei ist, weiß bereits, was ich von diesen Veranstaltungen halte, die je nach Reiselänge zwei- bis dreimal gnadenlos durchgezogen werden: Man darf sich in Schale werfen, beim Essen den Schlips bekleckern, das Jacket anschließend nicht mehr zu kriegen, der Partnerin auf die Schleppe treten, und sich ansonsten so hochnäsig wie möglich gegenüber Mitreisenden jeder Art und erst recht gegenüber dem Personal benehmen. Dazu kommt noch, dass man sich am jeweils ersten Galaabend mit Captain und Kreuzfahrtdirektor ablichten lassen kann um das Produkt dann für teures Geld zu kaufen und nie wieder anzusehen. 

Wer das nicht mitmachen möchte, zieht sich an wie sonst immer, und geht in das Buffetrestaurant, denn da gibt es auch das Galaessen. Man muss es sich zwar selber holen, hat aber andererseits den Vorteil, dass kaum jemand ins Buffetrestaurant möchte und man viel Platz hat. So war das früher. Diesmal jedoch zeigte sich das Buffetrestaurant schon am ersten Galaabend ebenfalls sehr gut besucht von schön angezogenen Menschen, was mich heute nach einer Alternative suchen lässt. Und das ist ziemlich einfach: ich fülle morgens meinen Obst-Wunschzettel aus, und bekomme zum turn-down abends meinen Obstkorb auf die Kabine. Leider war der noch nicht, und ich vertreibe mir die Zeit damit, meine Videoaufnahmen der letzten Tage anzusehen. Da klopft es , die Stewardess kommt, ich gehe und setze mich im mittleren Treppenhaus auf die dort vorhandene Wartebank und beginne mich nach kurzer Zeit zu wundern. Die meisten Menschen hier stammen zwar nicht mehr ganz aus meiner Elterngeneration, sind aber sehr nah dran und vertreten ähnliche Werte: Man ist sauber und ordentlich, rücksichtsvoll, freundlich, und achtet darauf, was „die Leute“ sagen. Das ging in den Fünfzigern sogar so weit, dass man die Socken auf der Wäscheleine paarweise zum trocknen angeordnet hat, und zwar weniger, weil es praktisch ist, sondern wegen den Leuten. Ach ja, und natürlich Höflichkeit ist in dieser Generation sehr wichtig: Außer dem Chef und dem Pfarrer und dem Bürgermeister und den Nachbarn als erstes zu grüßen, hat man das auch zu tun, wenn man einen Raum betritt, in dem sich schon jemand befindet. Und so ist die Situation: ich sitze, angezogen wie immer, in einem Durchgangsraum, von dem aus zwei Aufzüge abgehen, vier Gänge zu den Kabinen, und eine Treppe. Der Raum ist gut ausgeleuchtet, und über mir befindet sich zusätzlich eine helle Deckenleuchte, man kann mich also unmöglich übersehen. 

Von den ersten drei Paaren, die vorbei kommen grüßt eins. Auch das fünfte lässt sich dazu herab. Das bringt mich auf die gute Idee, meine Wartezeit auf die Kabine für eine kleine, feine empirische Erhebung über die guten, klassischen Manieren der 80+ Generation -etwas anderes gibt es hier kaum- zu nutzen. Die Eckdaten dazu: in den 30 Minuten meiner Erhebung haben mich 22 Partien (fast immer Paare, eine Gruppe, ein paar wenige Einzelpersonen) passiert. Sie kamen alle aus den Aufzügen oder Gängen, niemals über die Treppe. In der Regel wurde ich mit großen Augen angestarrt, manchmal auch ignoriert. Zu einem höflichen Gruß, und sei es auch nur ein kleines Kopfnicken, konnte sich niemand mehr durchringen. Es bleibt also bei zwei von zweiundzwanzig. Und mit solchen Menschen muss ich mir für viel Geld das Schiff teilen. 

 

Dienstag, 21. November 2023

3. Seetag

Dies ist jetzt meine 14. Kreuzfahrt. „Schon“ meinen die meisten meiner Freunde und Bekannten, „erst“ würden nicht wenige der hier an Bord befindlichen Kreuzfahrtveteranen sagen. Gestern zum Beispiel hat man die meist gereiste Passagierin an Bord geehrt, die sich gerade auf ihrer 97.(!) Kreuzfahrt befindet. Die 100 will sie noch voll kriegen, weil das eine runde Zahl ist. Respekt! Nachdem die Dame aber ihren 90. Geburtstag bereits hinter sich hat, würde ich ihr raten, vorsichtshalber nicht immer so lange Reisen zu buchen. Es wäre dann etwas einfacher, das gesteckte Ziel noch zu erreichen. Aber ich verplaudere mich…

Phoenix, also der Betreiber der Artania und ihrer schiffigen Kolleginnen, stellt täglich zwei Printmedien für seine Gäste bereit, das Tagesprogramm und eine kompakte Tageszeitung, jeweils vier Seiten stark. Ich glaube, die werden mittlerweile von Praktikanten erstellt, oder von Leuten, die nicht genügend Zeit oder Lust dazu haben, oder einer Kombi aus zwei oder allen drei genannten Gründen. Zum einen die Tageszeitung: sie besteht aus drei Seiten kompakten Nachrichten aus Deutschland und der Welt. Die vierte Seite beschäftigt sich mit Sport. Die ersten drei Seiten strotzen nur so vor Recgstchreibfühlern und Trenn-ungen, die vierte lese ich in der Regel nur sehr selektiert. Aber immerhin: die Schreibweise von Max Verstappen (und auch seinen Kollegen) haben sie bisher noch nicht verfehlert. 

Beim Tagesprogramm ist die Fehlerquote nicht ganz so schlimm. Das liegt zum einen daran, dass aufgrund der seniorengerechten Schriftgröße nicht ganz so viel drin steht, und die meisten Fehler die typischen copy-and-paste-Probleme sind. Heute darf man zum Beispiel die Brücke besuchen, aber nur in kleinen Gruppen. Die Liste sieht ungefähr so aus:

10.00 Gruppe A

10.15 Gruppe B

10.30 Gruppe C

10.15 Gruppe D

10.30 Gruppe E

Nein, nicht ich habe mich vertan, das stand (mal wieder) so oder so ähnlich im Programm. Auch die früher bewunderte, kreative Bezeichnung der Seetage hat nachgelassen: stand im Katalog noch etwas von „Urlaub auf See“, präsentiert das Programm den heutigen Tag wieder als „Erholung auf See“. Dazu kommen natürlich eventuelle Missinformationen, die bei der abendlichen Drucklegung noch keine waren. (z.B. Bus fährt - ach nein, Bus fährt doch nicht). Zugegeben, dafür kann keiner was. Schade aber, dass es die Korrekturen nicht in der gut gemachten Bordapp, sondern nur per Lautsprecherdurchsage gibt. Und die höre ich nicht, wenn ich gerade beim duschen, rasieren oder sonstigen sanitären Verrichtungen bin. Oder auf dem Balkon. Ach nein, ich habe ja gar keinen…

Aber ich habe einen Termin zur Brückenbesichtigung, sowie alle anderen, die in Miami zugestiegen sind. Und der Rest? Der hatte seine Chance sicherlich während der ersten Hälfte der Reise, irgendwo zwischen Bremerhaven und Miami. Ich bin in Gruppe E, die korrekte Zeit ist 11.30 Uhr. Die Gruppeneinteilung, nur falls es Euch wirklich interessieren sollte, wurde nicht gewürfelt, sondern hängt davon ab, auf welchem Deck man wohnt. Eine an Bord bewährte Methode, die Gäste aufzuteilen wenn nötig. Ich kenne die Brücke schon von meiner letzten Reise, aber da lag das Schiff im Hafen. Eine Besichtigung während der Fahrt ist dann eine neue Erfahrung. Ebenso wie heute eine weitere neue Erfahrung für mich beginnt: die längste Etappe meiner ersten Atlantiküberquerung per Schiff. Sechs Seetage am Stück liegen vor mir, zum ersten Mal. Ich könnte die Spannung noch verstärken, aber es ist nur ein Seetag mehr als der Weg von Teneriffa nach Bremerhaven, und das hatte ich bereits im Frühling.

Inzwischen wurde die Gruppe E über eine sonst gesperrte schmale steile Außentreppe (was hier Niedergang heißt, auch wenn man hoch steigt) auf die Backbordnock (das ist der an der Brücke links angebrachte Balkon, von dem aus man das Schiff beim An- und Ablegen steuert, weil man von da aus mehr sieht) hinein in das Allerheiligste. Vorher gibt es noch Verhaltensmassregeln bezüglich der „Brückengeheimnisse“: hieß es im Hafen noch „nichts anfassen“ aber „alles fotografieren und filmen“, wobei die Displays einiger Geräte abgedeckt waren, sagt man uns diesmal „keine Nahaufnahmen“. Dafür ist auch nichts abgedeckt, was auch doof wäre während der Fahrt. Das schöne ist: das klassische Busfahrerverbot gilt hier nicht. Die dreiköpfige Brückenbesatzung hat im Augenblick sowieso nichts weiter zu tun, als dem Schiff beim geradeaus fahren zu zu sehen, und unterhält sich bereitwillig mit den Gästen.

Die verantwortliche Brückenoffizierin, eine schlanke Blondine von vielleicht Mitte zwanzig, fast zu hübsch um echt zu sein in diesem Job (was ein böswilliges Gerücht ist, alle weiblichen Kapitäne und sonstigen weiblichen Offiziere, die ich im Internet gefunden habe, waren alle keine „Mannweiber“ sondern ansehnlich bis hübsch) und hat eine unfassbare Ausstrahlung, ich meine jetzt jobmäßig: sie kommt extrem kompetent rüber (das muss sie auch sein, schließlich ist sie nach Captain und Staffcaptain die dritte Schicht in der Schiffsführung), sie weiß genau, was sie sagt, wie sie es sagt, kein Wort zu viel, keins zu wenig, mit einer klaren, angenehmen Stimme, die nötigenfalls befehlen kann, und das alles ohne die ins männliche abgleitende Härte, die vielen kommandierenden Frauen zu eigen ist. Ansonsten ist sie absolut tiefenentspannt. Interessant finde ich ihre Uniform: zu der üblichen weißen Offiziers-Hemdbluse trägt sich nicht die dazugehörige lange schwarze (manchmal auch weiße) Hose der Nautiker, sondern den dunklen kniefreien engen Rock der Hotel-Offizierinnen. Das tun, glaube ich, nicht viele ihrer immer mehr werdenden Kolleginnen auf den sieben Weltmeeren, aber warum nicht. Wir haben über 30 Grad im Schatten, in der Luft und auch im Wasser, sowohl im Pool als auch im Meer.


Montag, 20. November 2023

Bridgetown

Bridgetown auf Barbados ist auf dieser Reise der letzte und sicherlich häßlichste Hafen der Karibik. Das liegt daran, dass hier Kreuzfahrt- und Containerhafen ein - und dasselbe sind, die Artania unter einem Portalkran anlegen musste, und die Containerverladung lautstark Tag und Nacht stattfindet. Dafür hat das Meer das unwahrscheinlich schönste Blau, das ich in der Karibik jemals gesehen habe.

Ein Mitreisender erzählt mir, dass er unser frühes Auslaufen - zwei Stunden vor Sonnenuntergang - bedauert. Er hätte so gerne „die rote Sonne von Barbados“  fotografiert. Uwe Busse, der vor langer Zeit den Text für den Flippers-Hit schrieb, war wohl nie hier, denn sonst wüsste er, dass es so nahe am Äquator kein nennenswertes Abend- (und Morgenrot) gibt. Ich behalte mein Wissen für mich und bedauere den Mitreisenden auch.

In den Bars an Bord ist heute erstaunlicherweise noch weniger los als sonst. Vielleicht will man sich schonen für den morgigen Galaabend.




Sonntag, 19. November 2023

Fort-de-France


Was ist so ziemlich das dümmste, das man bei einer Karibik-Kreuzfahrt planen kann? Ich möchte mich zwar nicht genau festlegen, aber Martinique an einem Sonntag anzulaufen gehört mit Sicherheit zu den finalen Kandidaten, denn: Hier ist sonntags alles zu, selbst wenn fünf Schiffe voller zahlungskräftiger Touris  im Hafen liegen. Die haben sie eigentlich gar nicht so gerne, weil die immer mit Dollars bezahlen wollen, und wir sind hier in Frankreich, wenn auch weit weg von Europa. Heute sind nur zwei Schiffe da, wir und ein französisches, also zwei Eurozahler, was die Leute auf Martinique so freut, dass sie im Hafen ein paar Souvenirstände aufgebaut haben, das machen sie sonst nicht an Sonntagen. Zudem streiken heute viele der im Tourismus beschäftigten, und weil Sonntag ist, fährt auch der vom Kreuzfahrtdirektor warmherzig angepriesene Hop-on-hop-off-Bus natürlich - nicht. Ganz ohne Streik. 

Auch die Leute, die von ihren Ausflügen zurück kommen, sind nicht ganz so begeistert von dem, was diese eigentlich wunderschöne Insel sonntags bietet. Ich glaube, sogar die meist katholischen Kirchen hatten teilweise geschlossen…ok, das ist erfunden, aber das nächste nicht: manche Gäste möchten jetzt ihre Enttäuschung erst einmal runterspülen. Klar, kein Problem, das geht immer, und die französische Regierung legt da kein Mineralwasser in den Weg. Oder doch? Oder doch! Glaubt es oder nicht: Während der gesamten Liegezeit vor Martinique (das ist heute bis 20.00 Uhr) dürfen alle unsere Bars keinen Alkohol ausschenken. Alle! Das ist noch die Verschärfung von den Cayman Islands, wo ohnehin die Amerikaner ihre verrückten Regeln machen. Aber gar kein Alkohol! Mon Dieu, was ist aus Frankreich geworden. Und draußen hat alles zu.

Durst kann quälend sein. Wir legen schon um 19:45 Uhr ab.


 

Samstag, 18. November 2023

St. John's

Acht Uhr morgens, die Sonne scheint auf Antigua, sanfte Raggae Musik weckt mich auf. Aber woher? Es ist nicht das Handy, auch nicht der Fernseher. Es ist keiner der Lautsprecher in meiner Kabine (wäre auch noch schöner, die sind nur für Notfälle) , und auch keiner auf dem Gang. Anscheinend kommt die Musik aus der Außenwelt, von der ich durch eine massive Stahlwand und ein dickes, nicht zu öffnendes Fenster getrennt bin. Merkwürdig, ich habe, abgesehen von der rumpelnden Ankerkette und den quietschenden Auslegern der Tenderboote, noch nie Außengeräusche gehört. Das wird spannend.

Zehn Uhr morgens, Frühstück vorbei, Zeit das Schiff zu verlassen. Inzwischen habe ich zwei Ideen für die Herkunft der Musik, die inzwischen auf 70er Charts gewechselt hat: Entweder das andere Schiff an unserer Pier, direkt gegenüber, oder es steht ein DJ unten auf der Pier und nützt die riesigen Bordwände der beiden Schiffe als zusätzliche Resonanzflächen. Nun, DJ war schon einmal richtig, aber man findet ihn ganz weit weg an Land, etwa 400m weit, in einem Open-Air-Club, wo er alles gibt, um die Leute anzulocken. Frühmorgens. Aber Laune macht es schon, zwischen den ganzen knallbunten Läden, die die Straße vom Hafen geradeaus und links und rechts weg führen zu spazieren und stöbern. Es ist überall sehr viel los, ständig wird einem irgendwas ins Ohr gesagt, aber stets in angenehmer Lautstärke, und über allem liegt der Sound des DJs. Ich gerate in einen Laden, wo handgemachte Souvenirs angeboten werden, und finde einen schönen Magneten in Form einer handbemalten Sonne. Und da hier alles so schön bunt ist, nehme ich sie in lila. Schnell zur Kasse, 8 US$ bezahlt, schnell weg. 

Das war der Plan.

Ich mache Bekanntschaft mit der vielleicht langsamsten Kassiererin ever, die sich durch nichts und niemanden aus der Ruhe bringen lässt, und dabei der "freundlichste Sonnenschein" ist, dem ich je begegnet bin.

Als ich nach längerer Zeit des Anstehens (zum Glück ist der Laden gut klimatisiert) dann auch einmal dran bin, gibt es kein fröhliches „hallo“ oder was auch immer, sondern sie kommt sofort zur  Sache. „Boardcard!“ fordert sie. Ach ja, hier ist zollfrei, und um einkaufen zu dürfen, muss man Ausländer sein. Und die können, hier am Hafen, natürlich nur von einem Schiff kommen. Blick auf die Bordkarte werfen ob das Bild übereinstimmt, und weiter geht’s. So laufen die Kontrollen im Hafen, bevor man zu den Schiffen darf. Hier ist das anders: die Daten meines Bordausweises werden ganz sorgfältig händisch ins Kassensystem übertragen, und vermutlich vertippt sich Fräulein Slowhand auch ein oder zweimal, denn so lange kann man eigentlich nicht brauchen, um einen Namen einzugeben, der aus nur acht Buchstaben besteht. Die Zeit vergeht. „Room Number!“ herrscht sie mich an. Gut, dass wir wenigsten die gleiche Sprache sprechen, denn gleich danach fordert sie „Eight Dollars“. Sie mustert den Zehner, den ich ihr gebe, ganz genau, zählt mir sorgfältig die zwei Dollar Retourgeld auf den Tresen, lässt mich einen Steuerbeleg unterschreiben, und packt dann sorgfältig, umsichtig und - langsam - meine Sonne ein, die ich nach einer angemessenen Zeit mitsamt einem Kassenzettel an mich nehmen darf. „Next“ herrscht sie den nächsten Kunden an.

Ach ja - ich wollte Euch noch erzählen, warum ich so lange an der Kasse Schlange stehen musste. Brauche ich nicht? Doch, einen habe ich noch. Vor mir waren genau zwei Kunden gewesen, einer so wie ich - ein Artikel für wenig Geld - und davor eine ältere Dame. Die wollte drei Artikel für einen Gesamtpreis von 75 US$ mitnehmen, ohne Kreditkarte. Sie hat den Betrag daher in kleinen, gebrauchten Scheinen bezahlt. Es waren sechs Fünfer und sage und schreibe 45(!) Ein-Dollar-Noten, die sie der Kassiererin so sorgfältig wie möglich auf den Tisch auf den Tisch zählte. Und da sie eine alte Dame war, machte sie das langsam, weil sie es gar nicht mehr schneller konnte. Und da sie eine alte Dame war, klappte das mit dem Zählen auch nicht mehr so gut, und sie brauchte drei Versuche. Die Kassiererin zählt das Geld nach - sicher ist sicher - dann noch ein zweites Mal, und weil sie Miss Slowhand ist, hatte auch diese Aktion wenig Chancen, irgendeinen Geschwindigkeitsrekord zu brechen. Der kleine Teufel, der an meinem Hals hängt, flüsterte mir zu „stelle Dir vor, jetzt käme ein Windstoß in den Laden, und würde den Geldhaufen treffen. Wäre das nicht lustig?“ Ganz ehrlich, in diesem Moment war ich froh, dass er keine Windstöße machen kann, und ich auch nicht. Sonst hätte ich vielleicht noch das Schiff verpasst, heute Abend.

Ach ja - einen habe ich noch, einen ganz kurzen. Bevor ich den Laden betreten habe, war er mir schon aufgefallen, und zwar daran, dass ganz viele Leute ohne Einkäufe wieder rausgekommen sind. Das hätte mir eine Warnung sein können.



 

Freitag, 17. November 2023

Gustavia

Tendern 2.1 ist angesagt. Ähnlich wie gestern, nur ist das Wasser heute schlechter gelaunt und produziert außer einer leichten Auf-und-Ab-Dühnung auch noch Seitwärtsströmungen, die zwischendrin die Tenderboote vom Steg weg ziehen, und einen großen Schritt beim einsteigen erfordern, dummerweise immer sehr überraschend. Tatsächlich fällt bei der Rückkehr eines der Tenderboote sogar eine Frau vor dem Aussteigen in Ohnmacht, warum auch immer. Der schnell herbei geeilte Dr. Koller hatte sie schnell wieder geweckt und ließ sie mittels einer Trage aufs Schiff bringen. Immerhin hat sie so das heikle Aussteigen umgangen, und beim Abendessen wurde sie zum Glück schon wieder gesehen.

Zurück zu Gustavia auf der Insel Saint-Barthélemy, und noch weiter ausgeholt, zur Tisch- und Sitzordnung während der Mahlzeiten auf diesem Schiff. 

Punkt 1: es gibt keine. Jeder kann sich jederzeit auf jeden freien Platz in jedem Restaurant setzen. Natürlich darf man Plätze für Partner und Familienmitglieder besetzen, aber nicht für irgendwelche Gruppen, die dann möglicherweise nicht erscheinen (so etwas hört man öfter).

Punkt 2: sehr viele Mitreisende haben das- typisch deutsch, sorry - nicht verstanden. Sie glauben, wenn sie einen Platz 1 - 2 mal benutzt haben, ist es ihrer. Sitzt dann jemand anderes schon da, ist das mindeste, dass der sehr, sehr böse angesehen wird (und gar nicht weiß warum). Es kommt auch schon einmal vor, dass dann Frau zu Mann oder Mann zu Frau halblaut, aber für den „Eindringling“ hörbar keift bzw. knurrt „das ist aber unser Platz, echt!“

Freunde, ich habe so etwas selbst gehört und erzähle Euch die Tage noch mehr zu dem Thema.

Um den Kreis zu schließen: manchmal finden sich auch „Essgemeinschaften“ zusammen, die mehr zufällig immer auf dem selben Platz zusammen treffen. In so eine bin ich auch „hinein geraten“, es macht immer viel Spaß. Für mich ist es der Club der 400 (heißt: Jahre alt), und das, obwohl wir nur zu fünft sind: zwei Paare und ich. Der Älteste 90, ich süße 66, die anderen natürlich alle 80+. Und der jüngere der beiden Männer, ein ehemaliger Manager, schwärmt seit Tagen von Saint-Barthélemy, seit der „Entdeckung“ durch Rockefeller im Jahr 1957 ein Urlaubsort der Superreichen. Man muss da unbedingt hin, dort gibt es nur Luxusgeschäfte, eins am anderen, und der Yachthafen wäre voller Superyachten, das müsse man unbedingt gesehen haben. Und obwohl er sich beim Laufen schwer tut, tendert er hin, um abends enttäuscht zurück zu kehren, weil keine einzige Yacht  im Yachthafen lag, sondern bloß ganz normale Boote. Überhaupt sei vieles nicht mehr so wie früher, außer den extrem hohen Preisen für alles. Vermutlich ist die Insel etwas aus der Mode gekommen. War wohl eine gute Idee gewesen, da gar nicht erst hin zu fahren!



 

Heimkehr

Heute geht es nach langer, langer Zeit wieder nachhause. Hoffe ich, denn seit dem letzten Wochenende fällt überall in Deutschland Schnee, je...