Dienstag, 5. Dezember 2023

Heimkehr

Heute geht es nach langer, langer Zeit wieder nachhause. Hoffe ich, denn seit dem letzten Wochenende fällt überall in Deutschland Schnee, je südlicher desto schlimmer. Und kalt ist es. Zugausfälle und Verspätungen häufen sich bundesweit. Immerhin - laut Internet betrifft es meinen Zug nicht.

Ich stehe rechtzeitig auf dem zugigen Bahnsteig, und friere mir beim warten fast die Finger weg. Fast pausenlos kommen Durchsagen über Änderungen und Ausfälle, und - wie könnte es auch anders sein - jetzt wird auch mein Zug aufgerufen, mit einem sehr ernsten Hinweis: Er fährt heute nicht bis München, sondern endet in Nürnberg. Unangenehm, aber zum Glück nicht für mich. Kurz danach läuft der Zug pünktlich ein und fährt auch so wieder los.

Es dauert eine Viertelstunde bis meine Finger wieder aufgetaut sind, aber von da an ist die Fahrt sehr angenehm. Ich habe einen netten Sitznachbarn, der Zug ist nicht allzu voll, draußen ziehen verschneite Landschaften vorbei. Ich habe total das Gefühl, das man bekommt, wenn man Chris Rea's "Home for Christmas" hört. 

Und damit endet die bisher längste Reise, die ich je gemacht habe. Aber wer weiß, was die Zukunft bringt...

Euer

Captain Spareribs


Montag, 4. Dezember 2023

Das letzte Land

Heute besuche ich das letzte von vielen Ländern auf meiner langen Reise: Das Miniatur Wunderland. Da freue ich mich schon sehr lange drauf, besonders, weil es im Frühling nicht geklappt hatte.

Den Weg dahin kann man mit der gleichen U-Bahn zurücklegen wie gestern, man müsste nur früher aussteigen und etwas weiter laufen als zum HRC. Muss man aber nicht. Vor dem Hotel langweilen sich gerade ein paar Taxis, und angesichts der Kälte und einsetzendem Schneefall nehme ich eins. Angenehme Überraschung: Taxis in Hamburg sind deutlich günstiger als beispielsweise in Hamburg, wenngleich nicht ganz so günstig wie in Lissabon. Aber das liegt ja auch in Portugal, wo fast alles etwas günstiger ist. Und dann ist es erreicht, mitten in der Speicherstadt: Das Miniatur Wunderland!

Ich habe eine Führung hinter den Kulissen gebucht um 9:30 Uhr, und in der Beschreibung stand, man soll eine Dreiviertelstunde vorher da sein. Was sie nicht geschrieben haben ist dass sie den Eingang meinen, denn man braucht ja erst noch ein richtiges Ticket (wenn man, so wie ich, reserviert hat muss man dazu die Reservierung erst einlesen lassen), und auch innerhalb des Wunderlands sind etliche Schritte zu gehen, bis man am Desk der Tourguides ankommt, nachdem man vorher noch durch das Bistro muss, hinter dem Schließfächer für Taschen und Jacken sind. Deshalb bin ich schon um 8:30 Uhr da, und schnattere im zugigen (schönes Wortspiel) Treppenhaus erst einmal eine halbe Stunde, bis ich zu den Zügen darf. Immerhin ist die Aussicht schön, trotz des Wetters.
Doch dann bin ich endlich drin. Es ist zunächst so ganz anders, als ich es vom Fernsehen kenne, also nicht die Exponate, sondern die Leute davor. Die sind nämlich kaum vorhanden, und das bleibt auch noch längere Zeit so. Fast stoße ich mit Gerrit, einem der Inhaber, zusammen, der mir ein freundliches "Hallo!" zuruft, und dann in der noch immer deckenhoch eingezäunten Miniaturwelt von Monaco verschwindet. Leider fahren heute keinenFormel-1 Autos, jedenfalls nicht, so lange ich da bin. Aber egal, es ist auch sonst mega-toll.

Und dann erst die Führung: In Gruppen von maximal sechs Leuten (wir sind sogar nur drei, also die absolute Minimalzahl) bekommt man zu sehen: riesige Schattenbahnhöfe, den Ätna von unten, den Flughafen mit seinen beiden Wolkenliften von hinten, die Ladestation der selbstfahrenden Autos, verglaste Kabelkanäle in denen Züge fahren über den Gästen, verglaste Treppenstufen, ebenfalls mit fahrenden Zügen unter den Gästen, Südfrankreich von hinten, und die Schweiz von unten. An einer Stelle, unweit dem Matterhorn, das immerhin fast 6m (!) hoch ist und sich über zwei Etagen zieht, läuft eine Besucherbrücke, bereits in der oberen Etage. Von da aus hat man einen großartigen Blick auf die ganze Schweiz. Und, ganz am Fuß des Matterhorns, gibt es eine von vielen kleinen Wartungsklappen. Unser Guide sagt uns, wir sollen lächeln und winken. Dann öffnet sie die Klappe, ich bin der erste, der sie benutzen darf. Wie riesig das Matterhorn von hier aus wirkt, wie groß die künstlichen Leute auf der Anlage und wie klein die echten auf der Brücke über mir, die fröhlich lachend mein winken erwidern. Ein cooles Gefühl!

Zum Schluss werden wir noch in den beliebtesten Knopfdrücker, den der Schokoladenfabrik eingeweiht: Obwohl es rund um die Fabrik nach Schokolade duftet, und die Modellbauer die Illusion der Schokoladenherstellung einschließlich dem einpacken in Goldfolie perfekt nachgebildet haben, bekommt man sie nicht aus der Fabrik sondern aus einem verborgenen Vorratslager. Aber immerhin ist sie wirklich von Lindt & Sprüngli aus der Schweiz. Wir drei Männer der Führung bekommen auch welche, ganz ohne Knopf drücken, einfach aus dem gekühlten Vorratsschrank. Absolut lecker!

Damit endet die Führung. Ich mache noch einen Besuch beim DJ-Bobo-Konzert, und bekomme dann Hunger. Im Bistro wähle ich die von Gerrit in irgendeiner Fernsehsendung mal angepriesenen Riesencurrywurst, die zusammen mit Pommes und einem großen Getränk für 10,20€ zu haben ist, superfreundliches Personal überall inklusive. Schlechter gegessen habe ich auch schon. Da kann man also nicht meckern.

Während meiner Mahlzeit wird es rundum auffällig lauter. Das liegt daran, dass Kita-Woche ist, und etliche Erzieherinnen jetzt mit ihren Fünfjährigen herum laufen. (eine Aktion der Inhaber: jedes Hamburger Kind sollte kostenlos das MIWULA besuchen dürfen). Aber auch die Besucher von mehr als einem Meter Höhe sind deutlich mehr geworden, und da ich sowieso nichts mehr aufnehmen kann, trete ich den Rückzug an. Gut so, als ich das Gebäude verlasse, wälzt sich mir eine richtig große Menschenmenge entgegen, die wohl alle nur ein einziges Ziel haben...

Den Rest des Tages widme ich der Erholung, packe den Koffer, und verbringe die letzte Nacht in meinem herrlich bequemen Hotelbett.





Sonntag, 3. Dezember 2023

Zurück in Deutschland

Der letzte Morgen an Bord ist angebrochen, und der letzte morgendliche Blick aus meiner Kabine zeigt unerwartetes: eine - wenngleich dünn, aber doch deutlich sichtbar - verschneite Hafenanlage. Ich bin sehr froh, dass seit April diesen Jahres die Fahrgastbrücken in Bremerhaven fertig sind (man kennt das ja von Flugzeugen, und wenn man Glück hat, gibt es das auch für Schiffe). Gerade an einem Morgen wie diesem spart einem das die rutschige Eierei über der von heftigen Winden durchtoste Pier. Man kann ganz unbehelligt von den Elementen trockenen Fußes in das Empfangsgebäude gehen, die Rolltreppe runter in die Gepäckhalle, wo schon alle Koffer ordentlich  aufgereiht stehen, althergebracht nach Decks sortiert und nicht nach Ausstiegszeit, was das Auffinden enorm erleichtert.

Mit dem Koffer verlasse ich, diesmal vom Zoll unbehelligt, das Gebäude und bin sofort den Elementen ausgesetzt. Eigentlich. Aber damit ich mich diesmal nicht in einer epischen Taxi-Warteschlange einreihen muss (man lernt ja dazu) habe ich einen Bus-Shuttle gebucht. Natürlich fährt der nicht nach Nürnberg, aber ich will erst noch nach Hamburg, weil, 28 Tage von zu Hause reichen mir ja noch nicht.

Fünf riesige Doppeldeckerbusse mit Gepäckanhängern warten neben dem Terminal, zum Glück im Windschatten. Kalt ist es trotzdem. Wer nicht friert ist Alex, der Schiffspianist, der tatsächlich die ganzen Koffer in den Gepäckanhänger wuchtet. Das kann er so gut wie Klavier spielen, vielleicht sogar etwas besser. Auweia, ich werde schon wieder bissig.

Der Bus ist neben dem Fahrer noch mit seiner Frau besetzt, klein, drahtig, um die sechzig, mit deutscher Einheitsfrisur (ich liebe diese Bezeichnung, danke an Cesar, von dem ich sie habe). Gemeint ist der maskuline Kurzhaarschnitt, denn viele ältere Frauen bei uns tragen. Fans der VOX-Serie "Goodbye Deutschland" kennen vielleicht noch die Imbiss-Auswanderer Diddi und Hasi, und ungefähr so sieht die Frau, aus, die im Bus für Ordnung sorgt, was nicht einfach ist. Zunächst versucht sie es im Guten: Freundliche Begrüßung über das Mikrofon, kurze Erklärung des Fahrplans (erst Bremen, dann Hamburg, dann neue Gäste aufnehmen, dann Bremen, dann wieder zum Schiff). Und dann kommt das wichtigste: der Bus ist voll besetzt. Niemand kann mehr als einen Sitzplatz beanspruchen. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, wären da nicht einige überdimensionale Handgepäckstücke, die jetzt mühsam wieder aus dem Bus gefädelt und in den Anhänger gestopft werden müssen. Und wären da nicht die ewigen Kita-Gespräche wie "ich will aber neben meinem Mann sitzen" oder "ich sitze aber immer hier" und als Höhepunkt eine überdimensionale Reisende, die auf ihren Gangplatz besteht (das verstehe ich noch), und partout nicht will, dass ein Mann sich neben sie setzt. Es ist aber nur noch ein gertenschlanker Mann übrig, den sie nicht an sich vorbei lassen will und keinen Millimeter Platz macht. Erst als Hasi ihr irgendetwas ins Ohr raunt, gibt sie nach. Ich vermute, sie hat ihr empfohlen, sich zu benehmen oder mit dem nächsten Bus zu fahren. Da es den nicht gibt, ist sie jetzt endlich ruhig, und der Bus mit seiner ca. 5.000 Lebensjahre (bei 80 Passagieren) betragenden Fracht tuckert los.

In Bremen steigen etliche Passagiere aus, die Lage entspannt sich. Und dann haben wir Hamburg erreicht. Auch hier liegt Schnee, und es ist einfach saukalt. Zum Glück liegt der Busbahnhof nicht weit weg vom Bahnhof, und dazwischen findet sich mein Hotel. Der Empfang ist herzlich, das Zimmer klein aber sauber, dass Einzelbett breit und komfortabel, und als Willkommensgruß gibt es eine große Flasche Wasser und - sehr gut - ein kostenloses ÖPNV-Ticket für zwei Tage zuzüglich Anreisetag. Das ist doch mal eine nachahmenswerte Idee!

Am späteren Nachmittag beschließe ich, bereits heute das Hard Rock Cafe zu besuchen. Es ist leicht zu erreichen: Vom Hauptbahnhof mit der U3 in 14 Minuten zu den Landungsbrücken. Und das habe ich vor. 

Leute, ich bin schon in vielen Städten der Welt U-Bahn gefahren: Nürnberg, Fürth...

Nein, jetzt ernsthaft: München, Berlin, Paris, Atlanta, Budapest, sogar Moskau und natürlich London. Und nirgends war es so scheiße voll, wackelig und unangenehm wie an diesem Sonntag nachmittag in Hamburg. Gräßliche alte überfüllte Wagen voller zum Teil gräßlicher Leute, man hat fast schon übereinander gestanden. Das muss ich nicht noch einmal haben.

Immerhin, auch diese lange Viertelstunde geht vorbei, und da ist es, das Hard Rock Cafe. Ein schöner Laden mit guter Stimmung und sehr guter Bedienung. 
Was das Essen betrifft: Das Hamburger HRC hat keine Probleme, das HRC in Punta Cana von seinem bisherigen letzten Platz zu verdrängen. Zwar sieht hier der Burger besser aus als in der Dom.Rep., dafür hat er dort besser geschmeckt (ich weiß nicht, ob ich es schon einmal erklärt habe: Die HRCs haben weltweit die gleiche Speisekarte, verwenden aber regionale Zutaten. Ich bestelle immer den gleichen Burger, was das Ranking erleichtert). 

Sollte das jemand aus dem Lokal lesen, keine Sorge, ich habe erst fünf Restaurants besucht. Es bleibt also noch Luft, wenngleich - ich würde mich freuen, wenn der nächste Versuch - wo auch immer auf der Welt - besser würde.

Im Shop war ich auch nicht begeistert, weil die Verkäuferinnen zwar sehr gut aussahen, aber weder erwähnenswertes deutsch drauf hatten noch die allergeringste Ahnung von ihrem Job. Trotzdem verlasse ich den Laden mit zwei gut gefüllten Tüten, und grusele mich vor der Rückfahrt. Daher genieße ich erst noch den nächtlichen Blick über die Landungsbrücken, um dann doch wieder U-Bahn zu fahren (zumal kein Taxi zu finden ist).

Aber diesmal ist der Zug wenig frequentiert, ich bekommen sogar einen Sitzplatz. 



Samstag, 2. Dezember 2023

12.Seetag

Samstag morgen haben wir, und es ist nicht mehr zu übersehen, dass Weihnachten vor der Tür steht. Morgen ist der 1. Advent, und weil wir dann alle nicht mehr da sind (also an Bord, zumindest die meisten Gäste) haben die guten Geister an Bord das Schiff jetzt schon weihnachtlich dekoriert. Da schmeckt die morgendliche heiße Schokolade nochmal so gut.

Die Stimmung an Bord ist passend zur Jahreszeit: während die meisten Gästegespräche sich darum drehen, was man zu Weihnachten für die viel zu große Verwandtschaft kochen soll, wie viele Allergiker darunter sind und wie viele Veganer, dass man sich mit diesem neumodischen Zeug nicht so auskennt, was man den missratenen Enkeln schenken soll und dass man sich darüber wundert, dass die vegane Schwiegertochter überhaupt Kinder hat, wo sie doch nichts von Fleischeslust hält, hat man in der Bordboutique den Kleiderständer mit den täglichen Sonderangeboten von fröhlicher knallbunter Strandbekleidung auf Steppjacken in tristen Farben umgestellt.

Gute Laune dagegen haben der Kreuzfahrtdirektor, weil er an Bord bleibt und so dem familiären Weihnachtsstress entgeht, und der dicke Mann, der zwar aussteigt, aber noch nicht nicht nach Hause fährt.

Für Entertainment sorgen ein kleiner Weihnachtsmarkt, den man trotz der Temperaturen im Außenbereich von Deck 8 aufbauen wird, und das Wetter selbst. Während wir mit Höchstgeschwindigkeit durch den Ärmelkanal düsen, zeigt sich das Wetter an Steuerbord, also auf der Festlandseite, so:

Und an Backbord, also der Seite mit den Britischen Inseln (den Erwachsenen, nicht den Jungferninseln), so:

Die Bilder wurden nahezu gleichzeitig aufgenommen, innerhalb einer Minute, also gerademal so viel, wie man braucht, um das Schiff einmal zu überqueren und sich neu zu positionieren.

Als ich gegen Abend auf die Kabine komme, erwarten mich mein Koffer und die Kopie des von mir bestellten Urlaubsfilms dieser Reise, beides untrügliche Zeichen dafür, dass die Kreuzfahrt zu Ende geht. Das merkt man auch in der Bar, wo es wieder einmal eher weniger belebt ist. Aber der Gin Tonic schmeckt trotzdem.




Freitag, 1. Dezember 2023

11. Seetag

Der letzte Monat des Jahres ist angebrochen, und entgegen aller Befürchtungen (und heftiger Stürme vor einigen Wochen) hat sich die Biskaya zum Winterschlaf begeben und stuppst unser Schiff nur ab und zu leicht an. Überhaupt hat sich die Artania auf dieser Reise kaum bewegt (ich meine Rollen und Stampfen, gefahren ist sie natürlich, und das nicht zu knapp), so dass ich nur ein einziges Mal gesehen habe, dass die berühmten blauen Kotztüten in den öffentlichen Bereichen bereit gestellt wurden. Die einzige, die ich täglich gesehen habe, war die in meinem Badezimmerschrank. Aber die ist immer da, genau wie Zahnputzbecher und Seifenspender.

Kommen wir zu einem naheliegenden Thema, dem Essen hier an Bord. Das Angebot ist abwechslungsreich, in der Regel schmeckt es auch gut. Aufgrund des betagten Publikums wird nur vorsichtig gewürzt, aber außer Salz und Pfeffer helfen die Kellner auch mit anderen Dingen nach: neulich hat Cesar zu seinem Essen Sambal Oelek bestellt (und bekommen), und als mir etwas nicht scharf genug war, hat mir der Kellner Tabasco gebracht. Überhaupt - Sonderwünsche. Dafür haben sie in der Küche offenbar eine ganze Abteilung und keinerlei Probleme. Neulich gab es Zwiebelsuppe, ganz traditionell mit überbackenem Toast oben drauf (eigentlich nimmt man dafür Baguette, aber das ist wieder überflüssiges Wissen). Das Problem bei diesem Gericht ist - abgesehen davon, dass ich das überbackene Brot in der Suppe ohnehin nicht schätze - dessen häufig auftretende Härte und/oder Zähigkeit, so dass man es mit einem Löffel kaum in den Griff kriegt, sondern eher Gefahr läuft, sich selbst, den Tisch und - weitaus schlimmer - die Mitesser einzusauen. Also bestelle ich die Suppe ohne Toast, einer der Tischnachbarn auch. Kein Problem, alle Suppen kommen gleichzeitig und korrekt, die mit und die ohne Toast. Ob jetzt eine alternative Beilage, wie häufig bei Cleo, oder beide Hauptgerichte sehr schön auf einem Teller angeordnet, wie bei einem anderen entscheidungsaversen Tischnachbarn, alle Wünsche werden von der Küche und dem Service bestens und schnellstens erfüllt.

Es gibt jeden Mittag und jeden Abend ein 5-Gänge-Menue, jeder Gang mit mehreren Alternativen, was individuelle Wunscherfüllung ermöglicht. (Ehe Ihr denkt, man muss mich jetzt rollen: ich hatte nie mehr als drei Gänge, mittags oft nur zwei, und gelegentlich, wenn mir das Angebot gar nicht gefallen hat, gab es Obst auf der Kabine. So auch heute. Die Entscheidung fiel leicht, da wir schon wieder einmal Galaabend haben, den letzten auf dieser Reise. Wen wundert's, übermorgen ist sie zu Ende. Aber zurück zum Obst.

Einen Obstkorb auf der Kabine gab es auf diesem Schiff schon immer, nach Gutdünken gefüllt. Hatte man zum Beispiel die Äpfel gegessen und die Birnen nicht, legte die Stewardess neue Äpfel oben drauf, was die Birnen nach mehreren Wiederholungen krumm nahmen. Apropos krumm: auch nicht gegessene Bananen mussten sich erst schwarz ärgern, bis sie entsorgt wurden (habe ich gehört. Bei mir werden Bananen nicht schwarz, dafür mag ich sie zu gerne).

Inzwischen hatte man die gute Idee, die Obstkörbe zu individualisieren: Man bekommt ein Zettelchen, auf dem man ankreuzen kann, welches Obst man möchte (bis zu vier Sorten, die Zettel variieren je nach dem, was im Obstkühlraum weg muss). Die Stewardess nimmt den Zettel dann bei der morgendlichen Kabinenreinigung mit, und beim abendlichen Turn Down wird das Obst geliefert. Füllt man keinen Zettel aus, bekommt man kein Obst.

Einfaches ankreuzen ist mir bald zu langweilig geworden, und so habe ich von Zeit zu Zeit auch mal mit den Mengen gespielt, und vor das angekreuzte Kästchen "Mandarine" eine 2 geschrieben. Das hatte immer geklappt. Und als Cesar mal erzählt hat, es gäbe keine Weintrauben an Bord, habe ich es dann auf die Spitze getrieben, indem ich ein weiteres Kästchen auf den Zettel gemalt, angekreuzt und "Weintrauben" daneben geschrieben habe. Und was war abends im Obstkorb? Seht selbst:

Zugegeben - das hat nur ein einziges Mal geklappt, und irgendwann habe ich es dann nicht mehr versucht. Aber immerhin!

Donnerstag, 30. November 2023

A Coruña

Nach einer weiteren wellenmäßig sehr ruhigen Nacht haben wir  A Coruña in Nordspanien erreicht. Der eine oder andere (und ursprünglich auch ich) kannte nur La Coruña, und war nun verwirrt. Daher eine kurze Aufklärung: es handelt sich um ein und denselben Ort, "La Coruña" ist die spanische, früher offizielle Schreibweise, "A Coruña" die galizische, die seit 1998 (wieder) die offizielle Bezeichnung ist. (Galizien ist eine nordspanische Provinz). Jetzt aber genug mit dem überflüssigen Wissen.

A Coruña ist eine aufstrebende, lebhafte Hafenstadt, unweit des berühmten Santiago de Compostela am Jakobsweg, das spätestens seit Hape Kerkelings "ich bin dann mal weg" auch den religiös weniger affinen Mitmenschen (sowie dem dicken Mann) auch ein Begriff ist.

In Anbetracht des trüben, regnerischen Wetters (ok, der Winter nähert sich, oder vielmehr wir uns dem Winter) würde ich nach einem nicht sehr intensiven Landgang empfehlen, im Frühling oder frühen Herbst wieder zu kommen. Das macht sicher mehr Spaß. Aber ich wäre nicht ich, wenn ich nicht auch noch etwas positives gefunden hätte: Die Preise für Souvenirs sind hier sehr günstig, selbst in dem Touristenshop direkt im Hafen. Da freut man sich.

Gegen Abend nehmen wir Abschied vom letzten Hafen dieser langen Reise und nehmen Kurs auf die Biskaya und danach Bremerhaven. Da der Weg noch weit ist, gibt das Schiff ordentlich Gas und heizt mit 20 Knoten und mehr über den Atlantik.





Mittwoch, 29. November 2023

10. Seetag

Frühmorgens wache ich auf, so gegen acht, und fröhlich, denn die Folgen der Land Rover-Fahrt haben sich nicht zurück gemeldet. Also ab zum Frühstück, wo auch kurz danach Cesar und Cleo eintreffen. Nachdem die Uhren der beiden synchronisiert wurden, klappt das auch alles wieder ganz gut.

Cleo sagt von sich, sie sei der absolute Morgenmuffel. Tatsächlich gibt sie sich bei der morgendlichen Begrüßung aber immer fröhlich und aufgekratzt, zumindest hatte ich sie noch nicht anders erlebt. Heute jedoch ist das anders. Sie kommt rein, lässt sich auf ihren Platz fallen, und verkündet lautstark:

„Habe ich heute eine schlechte Laune!“ Peter, der Kellner der sie immer bedient und ganz in der Nähe steht, kann sich eine Bemerkung nicht verkneifen: „Heute??“.

Während Cesar und ich losprusten, entgeht Peter nur knapp einem liebevollen kleinen Faustschlag von Cleo, die anschließend ihre Frühstücksbestellung bei ihm aufgibt. Kurz danach liefert er Brötchen, Ei und was auch immer bestellt war mit den Worten „Bitteschön die Dame“

„Ich bin keine Dame“ protestiert Cleo

„Bitteschön keine Dame“ korrigiert Peter. Dann merkt er, dass er den Saft vergessen hat, und liefert ihn nach. „Bitteschön, keine Dame“.

Als Cleo sich nicht mehr ärgert, und alle den Frühstückstisch verlassen, ruft er hinterher: „Adios, Madame“. Cleo dreht sich um und protestiert „Nix Madame“.

Peter nimmt den Ball gerne an und wirft ihn zuück: „Okay. Adios nix Madame!“

Und so wird er sie auch morgen früh begrüßen.


Dienstag, 28. November 2023

9. Seetag

Frühmorgens wache ich auf, so gegen acht, und springe fröhlich aus dem Bett. Nein, ich versuche fröhlich aus dem Bett zu springen - auch falsch. Beschränken wir uns auf „Frühmorgens“ und - glaubt es oder nicht - auch auf „fröhlich“. Ich habe ja meistens erträgliche bis gute Laune, und seit ich im Ruhestand bin, sogar schon morgens. Aus dem Bett springen - das habe ich noch nie gemacht, höchstens als kleines Kind auf dem Bett. Die Realität ist: Ich stehe immer vorsichtig auf. Außer heute, denn da sind sämtliche Glieder steif, zumindest diejenigen, die beim Aufstehen hilfreich sein könnten, und ein leises Stechen im Rückenbereich weckt Erinnerungen an die Warnungen vor dem gestrigen Ausflug. Mehr aber zum Glück nicht. Nach zwei Versuchen ist alles wie vorher. Aber mit steigendem Alter möchte ich mal verbreiten: Land Rover fahren ist anscheinend tatsächlich schlecht für die Bandscheiben. Gut, ich war gewarnt. Zum Glück.

Eigentlich sollten wir gerade in Leixões (dem Seehafen von Porto) anlegen. Dafür hätten wir allerdings gestern ein paar Stunden früher von Funchal ablegen müssen, was wir auch gerne getan hätten, wenn da nicht an diesem Wochenende die Hafenlotsen in Portugal streiken würden. Schade, aber wenn man es vorher weiß...

Wir sind dann etwas länger auf Madeira geblieben, aber leider nicht so lange, als dass man dort hätte noch zum Abendessen gehen können, und nun freuen wir uns eben über einen zusätzlichen Seetag (nicht wirklich, denn die Überquerung der Biskaya steht bevor), bis wir dann - früher als geplant - in A Coruña eintreffen werden.



 

Montag, 27. November 2023

Funchal

Morgens um sieben ist Madeira noch in Ordnung wenngleich dunkel, die Artania parkt rückwärts ein am bevorzugten CR7-Kai (offiziell heisst er anders, liegt aber direkt an einem Café und einem kleinen Museum vom berühmtesten Sohn der Stadt, Cristiano Ronaldo) also praktisch schon in der Altstadt des Hauptortes Funchal, und wir haben einen glatten Platzvorteil gegenüber den beiden großen Schiffen die gleich noch kommen werden und an der äußeren Kaimauer festmachen müssen. Das sind schon mal, je nach Schiff, zwei bis drei Schiffslängen mehr Fußweg in die Altstadt und zum Zentrum.. Vermutlich haben wir auch - zumindest prozentual - mehr Fusskranke an Bord. Nur prozentual, denn die „Ventura“ und die „Azura“, beide von P&O-Cruises, bringen ca. 9.000 Passagiere und Crewmitglieder (nur die geschätzt, die raus dürfen) mit, was einen vorübergehenden Bevölkerungszuwachs in Funchal von ca. 10.000 Menschen bedeutet (wir sind ja schließlich auch noch da). Aber Funchal kann so etwas ab, es geht hier praktisch jeden Tag so zu. 

Obwohl ich schon ein paarmal hier war, habe Ich tatsächlich einen Ausflug gebucht: eine halbtägige Safari im Geländewagen, mit ortskundigem Fahrer. Das mit dem Fahrer sollte man ja nicht betonen müssen, oder? Vielleicht wichtiger sind die Gesundheitshinweise: der Ausflug ist nicht geeignet für Menschen mit eingeschränkter Beweglichkeit und nicht für solche mit Rückenproblemen. Böse Zungen könnten jetzt fragen, ob diesen Ausflug überhaupt jemand gebucht hat, aber ja, es wartet ein halbes Dutzend Geländewagen auf die Gruppe. Und zwar nicht die sonst im Tourismusbereich oft verwendeten  Plastik-Jeeps aus Fernost, sondern jeder einzelne ein massiver Land Rover Defender. Die meinen es also ernst. Und jetzt verstehe ich den Satz mit der eingeschränkten Beweglichkeit, denn diese Autos sind nicht nur richtig groß, sondern auch brachial hoch. Die Sitzflächen befinden sich ungefähr auf Brusthöhe, was jedes Ein- und Aussteigen zu einer kurzen aber heftigen Klettertour macht, weil auch die Zwischenstufe zum Einstieg gut kniehoch hängt.

Aber dann sind alle verstaut, sogar sehr komfortabel, weil von den acht Passagiersitzen immer nur fünf besetzt werden, und los geht es, hoch und höher. Es gibt erst so etwas wie eine Autobahn, aber schon nach wenigen hundert Metern biegen wir ab und lernen die üblichen Verkehrswege der Insel kennen: schmale Straßen und ganz schmale, schlechte und ganz schlechte, scharfe Kurven, ganz scharfe und sogar welche die so eng sind, dass man zweimal hin- und herfahren muss, um den Radius zu schaffen. Und auch das nur, wenn ausnahmsweise mal niemand sein Auto möglichst blöd im Weg geparkt hat. Aber was sollen die Leute auch machen, Parkstreifen an Bergstraßen gibt es nicht, und oft sind die Straßen einspurig. Einmal muss unser ganzer Konvoi eine steile Straße rückwärts wieder runter fahren, weil ein LKW entgegen kommt. Aber immerhin, die meisten Straßen sind asphaltiert, so ordentlich es ging. 

Eine Safari ist ja eigentlich ein Jagdausflug auf den Spuren großer Tiere, wobei es zum Glück aus der Mode gekommen ist, sie zu erschießen. Fotografieren und Filmen reicht auch und ist besser für alle Seiten. Warum unsere Tour Safari heißt, weiß ich allerdings nicht, denn die größten Tiere hier sind Kaninchen, und die lassen sich nicht sehen. Moment, könnte jetzt der eine oder andere fragen, was ist mit den ganz großen: Blauer Marlin, Großaugenthun und Hai? Zugegeben, die sind allesamt deutlich größer als Kaninchen. Aber als Fische spielen sie bei einer Landsafari eher eine untergeordnete Rolle, außer vielleicht auf dem einen oder anderen Teller. Und was ist mit Hund und Katze? Ok, jetzt wird es albern. Was wir jagen, sind spektakuläre Ausblicke und einmalige Landschaften. Da gibt es den Blick auf das höchste Bergmassiv Madeiras, jede Menge Menge Bananenplantagen, wunderschöne Häuser in tiefer gelegter  Hanglage, die zum Teil ausschließlich zu Fuß zugänglich sind, über Pfade und Treppen (und das war schon beim Bau so), und die zum Teil aufgrund ihrer Lage kein fließendes Wasser haben, Weinhänge, Kirschbäume, immer wieder mehr oder weniger prekäre Verkehrssituationen, bis wir eine Pause machen in einer der traditionellen Bars an einer äußerst schrägen Kreuzung, wo auch noch alle paar Minuten (!) ein Bus durchgerattert kommt. Oder laut hupend stoppt, weil einer der Barbesucher beim parken die letzten zwei Zentimeter Platz bis zur Wand der Bar nicht ausgenutzt und deswegen die Fahrbahn verengt hat. Über Stock und Stein und auch ordentlich offroad geht es nun zum besten Aussichtspunkt ever, dem Miradouro Giraou, der auf der Spitze einer fast 500m hohen Steilklippe sitzt und einen ganz tollen gläsernen Skywalk hat. Die Zeit ist gut - nicht so viel Andrang - und die Aussicht auch. Einen Skywalk aus Stahlgitten gibt es auch. Der Bereich aus Glas jedoch ist nur wenige Meter lang und lediglich auf den gut sichtbaren Stahlgittern montiert. Lächerlich! Vor allem, weil es Leute gibt, die sich trotzdem nicht drüber trauen.

Wesentlich spektakulärer sind die steilen Straßen, die wir jetzt Richtung Hafen abwärts donnern. Korbschlitten fahren (eine Tradition hier, die wild, aufregend und abenteuerlich sein soll) ist gar nichts dagegen. Natürlich kommen wir wohlbehalten und gut gelaunt am Schiff an. Ein letzter Abstieg aus den Schwindel erregenden Höhen des Land Rovers, und der feste Boden hat mich wieder.

Ein wirklich toller  und mega-interessanter Ausflug liegt hinter mir, alles war wie versprochen oder besser. Nur die Rückenwarnung hatte ich nicht verstanden.

Bis ich am nächsten Morgen aufgestanden bin…




Sonntag, 26. November 2023

8. Seetag

Die Artania plätschert noch immer ereignislos über den Atlantik, nähert sich aber unaufhaltsam der wunderschönen portugiesischen Insel Madeira. Wenn mir jetzt nur ein guter Übergang einfiele…

Vielleicht so: Die Zeitverschiebung zwischen den USA und Portugal beträgt derzeit 5 Stunden, weil die Amerikaner den Europäern - wie in so vielen Dingen - hinterher trotten. Gut, für die Zeitverschiebung können sie ausnahmsweise nichts. Bewegt man sich also Richtung Europa, muss man die Uhren insgesamt fünf Stunden vor stellen. Im Flugzeug ist das nur ein einziger Vorgang: nach der Landung sagt der Pilot die neue Zeit, man stellt die Uhr, fertig. Auf dem Schiff teilen wir das auf: an fast jedem Seetag stellen wir die Uhren in ungefährer Abhängigkeit unseres jeweiligen Standorts um eine Stunde vor. Auf das „ungefähr“ werde ich noch eingehen. Der Zeitsprung erfolgt immer an Seetagen (da bringt man nur die Rentner durcheinander und nicht noch die Ausflugsplanung), teilweise nachts, wie man das so kennt, häufig aber auch um zwölf Uhr mittags. Plötzlich ist es dann dreizehn Uhr, und die Restaurants, vor denen nicht wenige Altenheimbewohner bereits seit zwanzig Minuten auf das tägliche Süppchen warten, öffnen ihre Türen. Für einen täglichen Zeitsprung, an den sich alle besser gewöhnen könnten, besonders diejenigen, die das Tagesprogramm ungelesen wegwerfen und hinterher möglicherweise verstimmt sind, weil sie nicht wissen was wichtiges drin stand, haben wir nicht genug Stunden. Wichtig zu wissen: die Zeitumstellung nach heute war nachts. 

Cesar benutzt eine Apple Watch, die meistens weiß wo sie ist, und damit auch die richtige Zeit zeigt, oder von Hand auf einen Ort der entsprechenden Zeitzone eingestellt werden kann, so erzählt er. Dazu braucht man einfach nur einen Ort der entsprechenden Zeitzone, wählt ihn aus und gut ist. Aber überquert man den großen Teich, sind auf der Linie zwischen Nord- und Südpol manchmal keine Orte zu finden. Es mag daran liegen, dass der große Inselstaat Atlantis nach wie vor ignoriert wird. Und weil das so ist, kam es heute morgen zu folgenden Wirrungen: ich sitze, wie immer als erstes, kurz nach neun Uhr am Frühstückstisch, als Cleo angehetzt kommt und mich völlig überrascht fragt, was ich denn hier schon mache, um 8.10 Uhr. Wieso, frage ich, es ist 9.10 Uhr. Laut Cesar wohl nicht, aber der hat sich - vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben - vertan. Cleo flitzt nach oben, um ihn nochmal zu wecken, doch er glaubt ihr nicht, wie ich nach ihrer Rückkehr erfahre. Während wir noch diskutieren, ob ich auf diesem Gebiet glaubhafter wäre, taucht er doch noch auf, kurz bevor das Restaurant schließt. Eine Stunde zu früh, sagt er, weil niemand an Bord die Uhr kennt…




Samstag, 25. November 2023

7. Seetag

Während die Artania weiterhin ihren Ost-Nord-Ost-Kurs Richtung Madeira verfolgt, sich der dafür zuständige Teil der Mannschaft nach Kräften bemüht, die eingerostete Gästeschar bei Laune und in Bewegung zu halten, und das Meer trotz Regenwetter einen eher ruhigen als groben Wellengang bevorzugt, beginnt auch für mich eine Phase, wo gerade mal nicht so viel passiert. Aber keine Sorge, ich habe gesammelt!

Es war einer meiner ersten Abende an Bord, und ich wollte zum Abendessen ins Restaurant „Artania“ gehen. Das war aber augenscheinlich sehr gut besucht, bis auf einen großen, runden Achtertisch in exponierter Lage, was bedeutet, man kann ihn schon vom Eingang aus sehen, obwohl er ganz am Ende des Restaurant steht. Und genau da führt mich der Kellner jetzt hin und weist mir einen bestimmten Stuhl zu, der zum Glück nicht ganz in der Sichtachse steht. Kaum habe ich bestellt, taucht ein etwas ungewöhnliches Paar in seinen frühen Achtzigern auf und setzt sich neben mich, nennen wir sie Cesar und Cleo. (Harry und Sally, meine Lieblingspaarung, ist ja schon vergeben. Den beiden geht es übrigens auch ohne mich gut auf der MS3, natürlich, und wir schreiben uns öfter, was auch ganz schön ist), aber ich verplaudere mich.

Im ersten Smalltalk-Schub erfahre ich, dass C+C schon seit Bremerhaven, also einen glatten Monat an Bord sind, immer an diesem Tisch und auf diesen Plätzen sitzen, sich aber über meine Gesellschaft durchaus freuen, denn der Altersdurchschnitt an Bord sei doch etwas hoch. Wie schön, dass da auch einmal ein junger Mann mitfährt. Das mit dem „jung“ relativiert sich zwar schnell, aber ich bin ihnen sympathisch und sie laden mich ein, gerne auch weiterhin mit ihnen an „ihrem“ Tisch zu sitzen.  „Ihren“ Tisch gibt es auf diesem Schiff offiziell eigentlich ganz und gar nicht. Wie schon gesagt, der Deutsche neigt allgemein dazu, sich immer auf denselben Platz zu setzen, und im Falle, da sitzt schon jemand, böse zu schauen, wovon man sich an Bord nicht beeinflussen lassen muss. Kann man aber die Kellner für sich einnehmen, dann regeln die schon, wer wo sitzt. Seit dem Tag jedenfalls muss ich mir keinen Platz mehr suchen, was zum einen bequem ist und zum anderen immer mal Stoff liefert für meinen Blog, denn: die beiden geben das alternde, lange erfahrene und gerne mal herumzickende Ehepaar so perfekt wie von dem großen Loriot persönlich geschrieben. Dabei sind sie gar keins, sondern nur „Reisefreunde“, die sich auf einer früheren Reise kennen gelernt und irgendwie ineinander „verhakt“ haben. Cesar ist ein hochgewachsener ehemaliger Manager, Alphatier, Führungspersönlichkeit durch und durch, mit viel Ausstrahlung und einem sehr ausgeprägten Selbstbewusstsein, allgemein und insbesondere was sein Wissen betrifft. Er ist ein sehr organisierter Mensch, und mit seiner Apple-Watch immer am Puls der Zeit. Zumindest fast. Er hat sogar begonnen, meinen Blog zu lesen und findet ihn gut. Noch, und ich hoffe, das ändert sich auch nicht.

Cleo ist schwierig einzusortieren, und das meine ich durchaus nicht negativ. Sie gibt sich meistens fröhlich, versprüht trotz ihres Alters noch immer einen mädchenhaften Charme, den viele junge Frauen heutzutage leider gar nicht haben, gepaart mit so einem Tick Hilfsbedürftigkeit (was sie nicht zugibt). Sie zieht sich hübsch und farbenfroh an, mit Tendenz zu Flippigkeit in Optik und Verhalten. Die beiden passen also zusammen wie Feuer und Wasser, insbesondere in ihrem Umgang mit dem Thema „Zeit“. Doch davon erzähle ich Euch erst morgen.

 

Freitag, 24. November 2023

6. Seetag

Hier an Bord wohne ich ganz weit vorne, gleich hinter dem 1. Rettungsboot, ganz in der Nähe von Pool, Fitness-Studio, Friseur und Spa. Es sind nur wenige Schritte bis zum Treppenhaus, 3 Etagen hoch, schon ist man da. Ein kreativer Makler würde das vermutlich eine gesund-vitale Wohnlage für aktive Menschen nennen. 

Etwas zu essen gibt es hier an Bord allerdings nur ziemlich weit bis ganz hinten. Um dahin zu kommen, muss ich mich drei bis vier Decks hoch oder runter bewegen und eine halbe Schiffslänge weit laufen, eine beachtliche Strecke auf einem Schiff, das nur 0,7 SL lang ist. Weil ich Zeit sparen möchte, nutze ich heute wieder das Kabinenfrühstück (übrigens ein lustiges Wort. Als ich das zum ersten Mal gelesen habe, ist in meinem kranken Hirn für einen Moment die Frage aufgetaucht, was eine Kabine denn so frühstückt? Die Gäste sind es zum Glück nicht…). Wie immer kommt es pünktlich und vollständig: Kaffee, Milch, Zucker, Brötchen, Butter, Wurst, Ei, Saft, alles was ich bestellt habe. Zumindest denke ich das, bis ich merke, dass der Kellner die Serviette mit dem Besteck vergessen hat. Eigentlich eine schwierige Situation, weil er längst über alle Berge ist. Aber auf so einer Kabine ist ja vieles redundant, vor allem, wenn man sie allein bewohnt: Handtücher, Schwimmwesten, Wolldecken, Gläser, Zahnputzbecher, ein bis drei Betten (kein Witz), Obsttellerchen (aber nur, weil ich um einen zweiten gebeten hatte), und - jetzt kommt es - ein Obstmesser. Das ist aber hier ein ganz normales Standardmesser und damit ersetzt es das Messer aus dem vergessenen Bestecksatz und löst mein Problem, denn eine Gabel brauche ich nicht, einen großen Löffel auch nicht, und den kleinen Löffel könnte ich ersetzen, indem ich. mit dem Messerrücken umrühre. Das Ei? Das habe ich hart gekocht bestellt, muss es also nicht auslöffeln. Also alles kein Problem. Ich gieße Kaffee ein, schmiere und belege Brötchen, entferne die ASSF vom Saft (AntiSchwappSchutzFolie), nehme die Tageszeitung zur Hand, will gerade anfangen zu essen, als es klopft, trotz des „Bitte-Nicht-Stören“-Schilds außen. Das kann jetzt eigentlich nur einer sein, und der ist es auch: der Kellner mit dem Besteck und einer fetten Entschuldigung. Kann ja mal passieren, und jetzt freut sich die Kabinenstewardess, dass ein sauberes Messer im Obstkorb liegt.

 

Donnerstag, 23. November 2023

5. Seetag

Es heißt noch immer phantasielos „Erholung auf See“, und das ist es auch. Aber Ihr müsst mich auch nicht bedauern wegen den gestern behandelten, unfreundlichen Mitreisenden (das Problem haben übrigens viele), man kann sich prima erholen hier. Und wenn man Augen und Ohren offen hält, findet man immer wieder einmal etwas, worüber man schreiben kann. Zum Beispiel gestern beim vormittäglichen Rentnerquiz um ein Getränk. Das findet immer in unserer Casablanca-Bar statt, die ich erst einmal beschreiben muss: ein großer Raum über die ganze Schiffsbreite, mit u-förmig um eine Bühne mit Tanzfläche aufgestellten Sitzgruppen, und,  das ist das besondere,  zwischen der Bühne und den seitlichen Sitzen gibt es undurchsichtige Schallschutzwände, wahrscheinlich, um empfindliche Rentnerohren vor zu lauten Schlagzeugern zu schützen. Links und rechts verlaufen Gänge, Wände und Türen gibt es auf den Seiten nicht, was bedeutet, dass man die Bar von beiden Seiten betreten kann.  

Das Quiz beginnt, und läuft ab wie jedes Quiz: der Quizmaster stellt eine Frage, gibt 3-4 Antworten zur Auswahl, und dann tritt für eine kurze Zeit gehirnzermatternde Stille ein. Das läuft so während der ersten Frage, auch während der zweiten und dritten. Während der vierten läuft es eigentlich auch so, nur dass es plötzlich so ein leises, sich ständig wiederholendes, klopfendes Geräusch im Hintergrund gibt, was tatsächlich für Extra-Dramatik während der „Denkpausen“ sorgt.

Über die Zeit wird das Klopfstakkato so deutlich dass der Quizmaster nun doch einmal nach der Quelle sucht. Ein Blick hinter die Schallschutzwand zeigt ihm dann - unseren Pianisten, der sich von der anderen Seite angeschlichen hatte, und jetzt eifrig für den nächsten Auftritt trainiert. Um niemanden zu stören, trägt er einen Kopfhörer, noch dazu leise, und da ein gutes Stagepiano keine Saiten hat, man also keine Töne hört, wohl aber eine Hammermechanik, dringt nur das Klopfen seiner Anschläge zu der Raterunde vor. Ganz einfach, klingt aber spannend und macht das Altersheim nervös.

 

Mittwoch, 22. November 2023

4. Seetag

Aufmerksamen Lesern, also Euch allen, ist sicher nicht entgangen, dass ich das gestrige Hauptthema „Galaabend“ zwar minimal angeteasert, aber dann völlig übergangen habe, so dass eine Art natürlicher wenngleich unbeabsichtigter cliffhanger entstanden ist. Tatsächlich handelt es sich jedoch um reine Vergesslichkeit. Aber jetzt zum Thema.

Wer schon länger dabei ist, weiß bereits, was ich von diesen Veranstaltungen halte, die je nach Reiselänge zwei- bis dreimal gnadenlos durchgezogen werden: Man darf sich in Schale werfen, beim Essen den Schlips bekleckern, das Jacket anschließend nicht mehr zu kriegen, der Partnerin auf die Schleppe treten, und sich ansonsten so hochnäsig wie möglich gegenüber Mitreisenden jeder Art und erst recht gegenüber dem Personal benehmen. Dazu kommt noch, dass man sich am jeweils ersten Galaabend mit Captain und Kreuzfahrtdirektor ablichten lassen kann um das Produkt dann für teures Geld zu kaufen und nie wieder anzusehen. 

Wer das nicht mitmachen möchte, zieht sich an wie sonst immer, und geht in das Buffetrestaurant, denn da gibt es auch das Galaessen. Man muss es sich zwar selber holen, hat aber andererseits den Vorteil, dass kaum jemand ins Buffetrestaurant möchte und man viel Platz hat. So war das früher. Diesmal jedoch zeigte sich das Buffetrestaurant schon am ersten Galaabend ebenfalls sehr gut besucht von schön angezogenen Menschen, was mich heute nach einer Alternative suchen lässt. Und das ist ziemlich einfach: ich fülle morgens meinen Obst-Wunschzettel aus, und bekomme zum turn-down abends meinen Obstkorb auf die Kabine. Leider war der noch nicht, und ich vertreibe mir die Zeit damit, meine Videoaufnahmen der letzten Tage anzusehen. Da klopft es , die Stewardess kommt, ich gehe und setze mich im mittleren Treppenhaus auf die dort vorhandene Wartebank und beginne mich nach kurzer Zeit zu wundern. Die meisten Menschen hier stammen zwar nicht mehr ganz aus meiner Elterngeneration, sind aber sehr nah dran und vertreten ähnliche Werte: Man ist sauber und ordentlich, rücksichtsvoll, freundlich, und achtet darauf, was „die Leute“ sagen. Das ging in den Fünfzigern sogar so weit, dass man die Socken auf der Wäscheleine paarweise zum trocknen angeordnet hat, und zwar weniger, weil es praktisch ist, sondern wegen den Leuten. Ach ja, und natürlich Höflichkeit ist in dieser Generation sehr wichtig: Außer dem Chef und dem Pfarrer und dem Bürgermeister und den Nachbarn als erstes zu grüßen, hat man das auch zu tun, wenn man einen Raum betritt, in dem sich schon jemand befindet. Und so ist die Situation: ich sitze, angezogen wie immer, in einem Durchgangsraum, von dem aus zwei Aufzüge abgehen, vier Gänge zu den Kabinen, und eine Treppe. Der Raum ist gut ausgeleuchtet, und über mir befindet sich zusätzlich eine helle Deckenleuchte, man kann mich also unmöglich übersehen. 

Von den ersten drei Paaren, die vorbei kommen grüßt eins. Auch das fünfte lässt sich dazu herab. Das bringt mich auf die gute Idee, meine Wartezeit auf die Kabine für eine kleine, feine empirische Erhebung über die guten, klassischen Manieren der 80+ Generation -etwas anderes gibt es hier kaum- zu nutzen. Die Eckdaten dazu: in den 30 Minuten meiner Erhebung haben mich 22 Partien (fast immer Paare, eine Gruppe, ein paar wenige Einzelpersonen) passiert. Sie kamen alle aus den Aufzügen oder Gängen, niemals über die Treppe. In der Regel wurde ich mit großen Augen angestarrt, manchmal auch ignoriert. Zu einem höflichen Gruß, und sei es auch nur ein kleines Kopfnicken, konnte sich niemand mehr durchringen. Es bleibt also bei zwei von zweiundzwanzig. Und mit solchen Menschen muss ich mir für viel Geld das Schiff teilen. 

 

Heimkehr

Heute geht es nach langer, langer Zeit wieder nachhause. Hoffe ich, denn seit dem letzten Wochenende fällt überall in Deutschland Schnee, je...