Die Reise beginnt, wie so oft, in einem Zug, nur ist er diesmal seltsamerweise nicht voll. Das lässt hoffen. Ich weiß aber nicht, auf was. Es regnet in Strömen, der Zug hat Verspätung obwohl er pünktlich losgefahren ist, und die junge chinesische Familie, die drei Reihen weiter vorn sitzt, zeigt, daß auch schon kleinste Asiaten genau wissen, wohin ihr Berufswunsch sie führen kann. Diesem hier ist, je nach Talent und Fleiß, eine Karriere als Opernsänger, Ausbildungssergeant oder Feuerwehrsirene sicher. Letzteres beherrscht er schon, und wird auch nach zwei Stunden nicht müde, seine Stimme zu üben. Oder vielleicht auch länger, zum Glück darf ich am Flughafen aussteigen.
Ich fliege mit Condor. Das ist eine große deutsche Charterfluglinie, die mittlerweile von Thomas Cook International übernommen wurde. International ist auch das Personal. Beim Check In fragt mich der arabisch aussehende Bodensteward nach einem Blick auf meinen Reisepass und mein Ticketheft, in gebrochenem deutsch wo ich hinfliegen möchte. Gut, es steht nicht an dem Leuchtschild hinter ihm, aber auf dem Ticket. Aber vielleicht bin ich ihm verdächtig, mit langen Haaren und einem orangefarbenen Koffer. Oder er wollte nur Zeit gewinnen, denn kaum habe ich mich von meiner Überraschung erholt und "Punta Cana" gesagt, drückt er mir schon die Bordkarte mit der korrekten Sitznummer 8C in die Hand. Lustig: der Ausgang, zu dem ich muß, hat die Bezeichnung C8.
Auch das internationale Sicherheitspersonal von Fraport findet mich verdächtig, zumindest der türkisch klingende Körperabtaster. Er fragt mich, ob ich deutsch spreche (Ey, das ist gut), wo ich hinfliege (alle Passagiere an dieser Sicherheitsschleuse steigen in das selbe Flugzeug), und wie es in Punta Cana so ist, Ey Strand, cool, ja und trinken, Ey auch cool. Und was ist mit Frauen? Weiß ich nicht. Aber der Typ ist locker, und daß er sich nicht noch mit Ghettogruß verabschiedet ist schon das einzige.
Der Wartebereich des A380-Terminals, von dem wir ablegen werden, ist noch immer nicht fertig eingerichtet, was man daran erkennen kann, daß es keine Toiletten gibt, und daß man zum Abzwicken der Bordkarte erst einmal wieder herauskommen muß. Aber die ziemlich internationale Gruppe an Passagieren nimmt es gelassen und marschiert noch einmal im Gänsemarsch an der internationalen Bodenstewardess, die etwas Ähnlichkeit mit Motsi Mabuse hat und ebenso gut deutsch spricht, vorbei.
Nach der bordeigene Sicherheitsbelehrung auf deutsch, englisch, Spanisch, Französisch und russisch fährt das Flugzeug, eine B767, fast zwanzig Minuten lang auf dem Flughafen herum. Als es dann die Startbahn erreicht hat, verkündet die Chefstewardess fröhlich "den Rest der Strecke fliegen wir jetzt!" Beruhigend, besonders für Fraport-Neulinge. Pünktlich heben wir ab.
Um 17:30 gibt es ein warmes Abendessen, und um 18:00 ein kaltes. Dazwischen liegen 5 1/2 Stunden, und es ist nicht mehr weit. Pünktlich um 20:00 setzen wir in Punta Cana butterweich auf, und, den vielen Komikern im Fersehen sei Dank, keiner klatscht. Also, zunächst. Bis dann die redselige Chefstewardess erzählt, daß der Copilot soeben erst zum zweiten Mal mit einem so großen Flugzeug gelandet ist.
Das Flugzeug wird eingeparkt, und das ist in Punta Cana ganz speziell: das erste ankommende Flugzeug stellt sich mit der Nase direkt zum Ankunftsgebäude, keine 20 m davon entfernt. Alle weiteren stellen sich daneben, so wie man das auch von Autos kennt. Nicht einmal der Gesteig zwischen den Flugzeugen und dem Flughafengebäude fehlt. Also, zum Glück, denn hier kommt die zweite Spezialität: wenn man aus dem Flugzeug kommt, wird man zu diesem Gehsteig geschickt, von der vorderen Gangway aus eher lässig, von der hinteren aus ganz präzise und im großen Bogen, denn die Triebwerke sind doch ein bißchen warm...
Auf diesem Gehsteig läuft man jetzt zu den Kontrollen, und wenn schon fünf Flugzeuge vorher angekommen sind, ist der Weg so interessant wie weit. Außer, man interessiert sich nicht für Flugzeuge, dann ist er nur weit. Heute sind wir das erste Flugzeug, oder zumindest war der erste Parkplatz frei, und so geht alles recht schnell: Passkontrolle, Koffer holen, am TUI-Schalter melden, den richtigen Bus finden (das dauert etwas länger), und auf die anderen Busgäste warten (das dauert am längsten). Der Busfahrer vertreibt sich die Zeit damit, mich auszufragen. Geht etwas zäh, denn er spricht nur Spanisch. Ich verstehe ihn zwar ganz gut, aber das Antworten fällt mir schwer, jedenfalls in seiner Sprache. Zum Glück sind bald alle da, und wir werden zum Hotel geschaukelt, wo mich die wilde Farbenpracht fast erschlägt, und ein gutgelaunter Rezeptionist es fertig bringt, alle vier angekommenen Partien gleichzeitig einzuchecken, und das auf deutsch, durchsetzt mit Scherzen. Als er mir das AI-Armband anlegt, tut er so, als will er beim kürzen meinen Finger abschneiden, und als er die Minibar erklärt, behauptet er, die Schnapsflaschen, die darüber hängen haben bei der Abreise leer zu sein, sonst muß man 100$ bezahlen. Ja, und das Restaurant schließt gerade. Ok, das war kein Scherz, aber wer braucht schon 3x Abendessen? Ich suche (und finde) mein Zimmer, der Koffer wird kurz danach gebracht. Ein Cuba Libre aus der Hausbar (man muß rechtzeitig anfangen) beschließt den langen Tag.