Freitag, 23. September 2022

Rolling Home

Gut ist: zum Ende der Reise gehe ich mit einem Lächeln im Gesicht, und nicht nur ich. Und den allergrößten Anteil daran hat sicherlich die Crew hier an Bord, die sichtbaren wie die unsichtbaren Mitglieder in allen Abteilungen, die trotz heftiger Personalknappheit wieder alles getan hat, um uns Gäste zu verwöhnen. 

Danke dafür!

Und dann ist der Tag der Abreise gekommen. Die Koffer stellt man irgendwann bis kurz nach Mitternacht vor die Tür, die Kabine verlässt man bis 9.00 Uhr früh, und das Schiff verlässt man angepasst an die Flugzeugzeit. Meine ist 18.30 Uhr, das hieße dann, der Bus fährt am frühen Nachmittag. Normalerweise.

Blöd ist nur, dass wir hier in den USA sind, und das Schiff schon um 9:30 Uhr leer sein muss, warum auch immer. Fangen wir mal bei den Koffern an: wer es aus organisatorischen Gründen nicht schafft, die Koffer bis 21:00 Uhr am Vorabend vor die Tür zu stellen (zum Beispiel wegen einem Ausflug, der erst spätabends  endet), muss sich morgens selbst darum kümmern, und das ist aufgrund der großen Nachfrage bei den Aufzügen sicher kein Spaß, um so schlimmer je höher man wohnt.
Den weiten Weg bis vor die Einwanderungshalle habe ich ja gestern schon beschrieben. Zum Glück funktioniert die Rolltreppe wieder. In der Halle stehen, nach Decks angeordnet, die Koffer, die es gestern Abend rechtzeitig vor die Tür geschafft haben. Vor der Halle warten einerseits die Ausflugsbusse für heute, ordentlich beschriftet, andererseits die Busse, die uns Gäste zu einem der beiden Flughäfen, also JFK oder Newark, bringen sollen. Blöd ist nur, dass die Flughafenbusse nicht beschriftet sind, jeder Fluggast aber einem festen Bus zugeteilt ist. Eine gute Stunde Gäste- und Koffertetris auf dem Parkplatz, bis hin zu wüsten Beschimpfungen der einzigen anwesenden TUI-Cruises-Mitarbeiterin durch einen entnervten und schrecklich niveaulosen Passagier, der sowohl mit der Situation als auch der schwülwarmen Witterung völlig überfordert ist. Zugegeben, hier hat sich die amerikanische Partneragentur, die für die Busse zuständig ist, leider mehr als blamiert! Aber irgendwann findet jeder seinen Bus, und der Flughafen Newark ist nicht mehr weit. Dort werden wir am richtigen Terminal, direkt bei den Abfertigungsschaltern, abgesetzt. Oder aus? Es ist jetzt 10.30 Uhr, also noch lange bis zum Abflug, aber die amerikanischen TUI-Cruises-Mitarbeiter am Flughafen werden sich gut um uns kümmern.

Blöd ist nur, dass es keine gibt, und wir alle auf uns allein gestellt sind. Auch diejenigen, die keinerlei Englisch sprechen. naja, wird schon, erst einmal den Koffer abgeben und dann gemütlich shoppen und/oder essen gehen. Leider gibt es hier keine Lufthansa-Schalter, zumindest keine offenen. Nach einer Weile beobachte ich, dass ganz viele Leute ihre Flüge an Automaten einchecken, Bordkarten ausdrucken und Kofferanhänger, ihr Gepäck auf ein Gepäckband stellen, und dann ohne großen Ballast davon laufen. Super, denke ich mir, wird nicht so schwer sein, das kann ich auch. Es ist auch nicht schwer: einfach hingehen, Fluggesellschaft wählen, und schon wird man durch ein idiotensicheres Menue geführt. 

Blöd ist nur, dass die Lufthansa diesen Service nicht anbietet. Und spätestens in diesem Moment bin ich so dankbar, dass man Koffer heutzutage nicht mehr tragen, sondern nur noch schieben muss, was über mehrere Stunden hinweg aber auch lästig wird. Und jetzt? Shoppingmäßig ist nur wenig geboten, und mit der Gastronomie sieht es nicht besser aus. Ich schiebe mein Gepäck also eine gute Stunde von links nach rechts, von rechts nach links, und mache zur Abwechslung das gleiche im Untergeschoss auch. Immerhin stoße ich da noch auf eine nette Wanddeko für meine American-Diner-Küche zuhause:

Kleiner Spoiler: die Schokolade schmeckt scheußlich, aber mir ging es sowieso nur um den Deckel der Blechdose. 
So allmählich vergeht die Zeit, und meine Füße wachsen und tun weh. Tatsächlich gibt es hier in begrenztem Maß auch Sitzplätze zum Warten. Wenn man allerdings einen Transatlantikflug vor sich hat, möchte man vielleicht vorher nicht allzu viel sitzen. Ich weiß nicht, ob Ihr das nachvollziehen könnt. 
Um 13.00 Uhr tut sich was: die Displays über den Lufthansa-Schaltern gehen an, eine Angestellte erscheint, dann noch eine, aber die Freude ist nur kurz, denn die beiden stellen nur Schilder auf, die darauf hinweisen, dass die Schalter um 14:30 Uhr geöffnet werden. Vorsichtshalber stellen sich die Leute jetzt schon einmal an, ich dann schließlich auch, man weiß ja nie. Pünktlich um 14:45 Uhr öffnen die Schalter tatsächlich, und es kommt Bewegung in das Wartereptil, das inzwischen zweimal durch die ganze Halle reicht. Und das ist noch wenig, denn durch die wenigen jetzt geöffneten Schalter werden die Flüge von nicht weniger als vier europäischen Airlines gleichzeitig durchgeschleust. Irgendwann bin ich durch und stehe nach einem strammen Marsch zum Sicherheitsbereich - wieder in einer fetten, dicht gepackten Warteschlange, die sich nur widerwillig vorwärts bewegt, in einem stickigen, relativ kleinen Raum mit verbrauchter Luft. Aber auch das geht vorbei. Jetzt muss nur noch das richtige Gate erreicht werden (der Weg zieht sich endlos), und dann zeigt sich, dass ich heute einen Wunsch erfüllt bekomme. Ich bin nämlich noch nie mit einer Boeing 747, also dem sogenannten Jumbo-Jet geflogen, und jetzt wartet draußen einer auf mich, also nicht nur auf mich natürlich.


Ich sitze ganz hinten, neben einer sehr netten zarten Frau, bin allerdings recht eingequetscht in meinem engen Sitz. Die voll ausgebuchte Maschine startet pünktlich, wedelt erfreut und heftig mit dem Schwanz und macht sich auf den relativ unruhigen Flug nach Frankfurt, wo sie nach gut 6.200km pünktlich landet.
Den Rest, 193km bis Nürnberg, schafft ganz locker die Deutsche Bahn.

Blöd ist nur, dass der mit lautstarken Oktoberfestturis vollgestopfte Zug auf die kurze Entfernung fast eine Stunde Verspätung erzeugt. Ohne Worte.

So Ihr Lieben, hiermit enden meine Erzählungen aus der "Neuen Welt". ich hoffe, Ihr hattet ein bißchen Spaß, und würde mich über ein bißchen feedback freuen. Bis zum nächsten Mal.

Euer
Captain Spareribs




Mittwoch, 21. September 2022

Wandertag

Wie Ihr schon wisst, möchten die amerikanischen Behörden, dass der Einwanderungs- so falsch wie das ist, es handelt sich lediglich um den Einreiseprozess, heute nochmals durchgeführt wird. Also sind wir Passagiere gehalten, mit Pass, Visum und allen sonstigen Einreisepapieren (was das genau ist, überlässt man uns selbst, was dazu führt, dass manche Leute nur ihren Pass, andere dagegen einen ganzen Leitz-Ordner bei sich tragen) zu den jeweils angegebenen Zeiten das Schiff verlassen und die große Halle der Behörden zu betreten, um den Prozess durchzuführen. Wir erinnern uns: Passkontrolle, kurzes Interview, was man hier will und wann man wieder geht, Abnahme aller zehn Fingerabdrücke. Und das ganze beginnt für den ersten Teil der Passagiere, die mit den ganz frühen Ausflügen, schon um 7.15 Uhr. Da schlafe ich noch, oder schliefe, wenn es hier im Hafen nicht so laut wäre.

Da ich noch sehr viel Zeit habe und keine Lust auf Frühstück, wälze ich mich etliche Male im Bett hin und her, dusche, ziehe mich an, entlocke meiner Kabinenmaschine den ersten Espresso des Tages, und habe ihn kaum getrunken, es ist zehn Uhr, als die Stimme des Kreuzfahrtdirektors alle noch an Bord befindlichen Passagiere deutlich vorfristig zur Einwanderung schickt, weil dort gerade nichts los wäre.

Es folgt eine entspannte Wanderung über zwei lange Fahrgastbrücken, durch mehrere lange Gänge, eine Halle, über einen Ebenenwechsel, wo man aufgrund der kaputten Rolltreppe die Wahl hat zwischen vier Etagen laufen oder ewig anstellen an zwei Aufzügen, wo - völlig zurecht - Rollstuhlfahrer und sichtbar gehbehinderte Menschen vorgenommen werden.

Unten angenommen, gibt es noch zwei sehr lange Gänge, und dann ist die Kontrollhalle erreicht, laut Schrittzähler nach 1 1/2 Schiffen (oder 1/2km). Man hat mindestens 20 provisorische Kontrollschalter aufgebaut, fast alle sind besetzt, und schon im Vorfeld wird man lautstark, aber freundlich auf einen davon eingeteilt und angewiesen, seinen Reisepass aufgeklappt und mit dem Bild nach vorn zu tragen. Die aufwendige Kontrolle (ich habe sie vorhin nochmal beschrieben) läuft nun ab wie folgt: der (oder die, einmal gendern pro Blog muss wohl sein) blickt in den Pass, dann ins Gesicht, dann nochmal in den Pass, ruft laut den Vornamen des Passinhabers auf, fügt einen guten Wunsch hinzu, in etwa "have a nice day" oder "take good care of yourself", und das war's dann, in gerade mal 10-15 Sekunden. Man hätte auch an Bord kommen, sich das Schiffsmanifest zeigen und die Passagiere in Ruhe lassen können, das wäre noch schneller gegangen.

Wir Passagiere verlassen also die Kontrollhalle und verteilen uns: auf die Ausflugsbusse, Taxis, Fahrräder, individuell. Der Rest bildet einen sinnlosen Haufen, der sich kurz danach zu einer Schlange Richtung der nächsten Halle, die 100m weiter links um die Ecke liegt, formiert. Alsbald öffnet sich dort eine Tür, durch die sich die Schlange hinein ringelt, nicht ohne Legitimierung. Ich glaube, diesmal ist die Bordkarte gefragt.

In der gut gekühlten (wir waren gewarnt) Halle stehen in mehreren abgesperrten Abteilungen, ordentlich aufgereiht, viele Stühle, auf die wir uns jetzt setzen müssen. Wir warten, und sitzen die gewonnene Stunde fast schon ab, dann geht es endlich zurück auf's Schiff. Wohlorganisiert, first in, first out, so dass wir alle auf gleicher Temperatur sind, als wir zurück an Bord kommen. 

Ich verbringe einen gemütlichen Resttag an Bord, besuche die meisten Außenbars noch einmal, lerne wieder neue nette Menschen kennen, und - glaubt es oder nicht - freue mich auch ein bißchen auf zuhause.

Abends packe ich den Koffer, dazu erzähle ich morgen noch etwas, und verbringe den letzten Abend wieder in der TUI-Bar.




Dienstag, 20. September 2022

Wasser, Wasser, Wasser...

 Heute ist der letzte Seetag, und die Programm-Macher haben sich tatsächlich nicht verzählt: "7. Seetag" steht oben drüber, und das stimmt. Der letzte Tag, an dem man an Bord in den Geschäften einkaufen kann, wo es sowieso nichts gescheites für viel Geld gibt, der letzte Tag, an dem die ganze Zeit alle gleichzeitig an Bord sind, der letzte Tag, an dem ich massiert werde, und der letzte Tag, an dem man noch Landausflüge buchen kann. Ich hatte nämlich eine ganz schlaue Idee: Genau wie am ersten Tag, liegen wir morgen wieder einen ganzen Tag in Bayonne (Abreise ist erst übermorgen), und es werden wieder die gleichen Ausflüge nach New York angeboten wie am ersten Tag. Ihr wisst ja vielleicht noch, wie der erste Besuch dort ausgegangen ist. Und wie beim Film üblich, wenn etwas schief geht, macht man es einfach nochmal, aber besser. Manchmal allerdings auch noch schlechter. Zurück zur schlauen Idee: Ich habe aus Google Maps alle für mich relevanten Pläne einschließlich U-Bahn-Stationen rauskopiert und auf das iPhone gespielt, falls es wieder mal keine Stadtpläne gibt. So vorbereitet, nach kurzem Überlegen, gestern Nacht, nach der späten Rückkehr aus der TUI-Bar, den Ausflug einfach noch einmal gebucht. Nein, der Ausflugsschalter hatte um diese Zeit natürlich nicht mehr auf, aber TUI Cruises setzt seit ein paar Jahren auf eine App für alles, und die ist gar nicht schlecht. Man kann sich damit auf dem Schiff orientieren, nachsehen was im Theater läuft, sich im Spa anmelden, nachblättern, was man wann vor hat,  orientieren, wo die Lieblingsbar liegt (wenn man es nach zwei Wochen immer noch nicht weiß, oder wichtiger: die Kabine), man kann sich informieren, was es morgen wo zum Abendessen gibt und auch Ausflüge buchen. Alle Termine werden automatisch in einem Kalender, dem Reiseplan, eingetragen und auch aktualisiert, falls sich etwas ändert. Man findet an jedem Tag nicht nur die Uhrzeit, an der man etwas vorhat, und was es ist, sondern auch wann man sich wo einzufinden hat. Und für all das verbraucht man kein teures Internet-Guthaben, sehr praktisch! Auf meinem Kalender steht, dass mich die Fähre morgen früh anstatt dem Frühstück abholen wird, und ich freue mich schon auf den Besuch im Hard Rock Cafe.

Blöd ist nur, dass New York niemals schläft, die amerikanischen Behörden erst recht nicht, und so ist der Plan für morgen Vormittag geändert worden wie folgt: 

Da wir aus Kanada kommen, muss eine komplette Einwanderung in die USA durchgeführt werden. Dazu müssen alle Passagiere morgen früh das Schiff verlassen, zuerst diejenigen, die einen frühen Ausflug gebucht haben, dann die mit einem nicht ganz so frühen, dann die mit einem späten und dann diejenigen, die eigentlich an Bord bleiben wollen. Erst dann darf man wieder auf das Schiff, frühestens 11.30 Uhr. Frühestens. Na gut, kann ja so lange nicht dauern bei 2.000 Leuten, und nachdem ich einen frühen Ausflug gebucht habe, bin ich ja schnell durch. Gut und richtig gedacht, man verlässt das Schiff, wird eingewandert, besteigt den Ausflugsb...und jetzt beginnt es zu ticken. Was tut man, wenn der Weg zum Ausflug weder zu Fuß geht, noch mit dem Fahrrad, noch mit dem Bus? Richtig, dann hat man die A-Karte gezogen, denn man muss das Schiff verlassen, einwandern, dann zurück aufs Schiff steigen und anschließend auf die Fähre wechseln, was also zur Frühstückszeit nicht machbar ist. Tatsächlich finde ich in meinem Reiseplan, dass sich die Startzeit des Ausflugs inzwischen auf 14.30 verschoben, was bedeutet, dass die Fähre frühestens um 15.00 Uhr in Downtown Manhattan anlegt, das heißt frühestens 16.30 Uhr am Times Square. Könnte voll werden, und bei dem zu erwartenden Wetter heiß. Und es kommt noch schlimmer: seit heute findet bis zum 23. September die 77. UN-General-versammlung statt, wie im Lauf des Tages unser Kreuzfahrtdirektor erzählt, und wisst Ihr wo? Genau, in New York. Morgen wird dazu auch noch Präsident Biden erwartet, was aufgrund der zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen durchaus zu weiteren Verkehrsbehinderungen führen kann - sind wir ehrlich, ganz bestimmt wird. 

Mit drei klicks auf dem iPhone bin ich den Ausflug wieder los. Die Schiffs-App ist wirklich gut, besser als das etwas merkwürdige Menue, das heute Abend im Atlantik classic angeboten wird. Aber es gibt ja auch noch andere Restaurants, und Essen wird sowieso überbewertet. Je länger eine Kreuzfahrt dauert, desto klarer ist mir das.

Wieder einmal in der TUI-Bar, erfahre ich dass der Ouzo aus ist. Und der Aperol auch. Ich denke erst, dass mich die wirklich sehr humorvollen Barkeeper veräppeln wollen, aber ihre bedauernden Gesichter zeigen mir, dass sie es ernst meinen. Das passt zu dem, was ich heute vormittag im Aufzug zu hören kriegte: im Buffetrestaurant Anckelmanns würde seit ein paar Tagen die Auswahl an Aufschnitt und inzwischen auch die Menge augenscheinlich immer knapper. Es war im Aufzug, und ich habe es deshalb für einen Witz gehalten, so wie ich manchmal schreibe: "auf Kreuzfahrtschiffen gibt es oft nicht so viel zu essen".

Das nehmen wir für heute mal als cliffhanger.



Montag, 19. September 2022

Willkommen in Halifax


Der letzte kanadische Hafen dieser Reise heißt uns herzlich willkommen, und diesmal müssen sich die Menschen des Begrüßungskomitees nicht einmal groß verbiegen, denn in diesem Teil Kanadas wird englisch gesprochen, sogar ein angenehm britisches. Das Schiff hat mitten in der Stadt festgemacht - nein, da wäre es zu hügelig - aber direkt sehr zentral davor, an der sogenannten Waterfront, die sich mitsamt einem beeindruckenden großen Holzsteg vier Kilometer weit an der malerischen Küste entlang schlängelt, von den beiden Kreuzfahrtpiers bis zum Casino. Heck an Heck mit unserem Schiff liegt seit einer Stunde auch noch die Nieuw Statendam der Holland-America-Line, klassisch schwarzer Rumpf mit weißen Aufbauten, wir sind uns schon in Sidney begegnet. Sie ist größenmäßig minimal kleiner als wir für minimal weniger Passagiere. Falls die aber ausgebucht ist, könnten es auch ein paar hundert mehr sein diesmal. Nehmen wir einfach mal an, dass beide Schiffe gleich schlecht gebucht sind, und ein großer Teil organisierte Ausflüge gebucht hat, ergießen sich jetzt zwei- bis dreitausend Menschen auf die Uferpromenade, verteilen sich bei herrlichem Sonnenschein und ohne die Notwendigkeit einer Jacke auf den herrlichen Spazierweg, und bevölkern die wirklich unzähligen kleinen Restaurants, die meistens frisches aus dem Meer anbieten. 

Außerdem gibt es Plätze zum rasten, ab und zu einen Ausleger, der ins Meer führt, teuer aussehende Boutiquen, ein großes Whiskyfest, das aber noch nicht geöffnet hat, und eine Budenstadt mit allem von süß bis sauer und von mild bis salzig, Souvenirs, Klamotten, natürlich auch Getränkeständen, und was nicht noch alles. Die Stimmung ist sehr entspannt und fröhlich, auch in der zumeist überfüllten Gastronomie. Und interessant ist auch, wie viele Leute man hier trifft, die man mindestens vom sehen kennt, einfach nur grüßt, oder stehen bleibt und ein paar Worte wechselt. So auch Admir, der schon auf dem Rückweg ist, weil er heute Mittag im Buffetrestaurant darauf achten muss, dass sich niemand unter 19 Jahren an den SB-Zapfhähnen für Bier und Wein vergreift. Die kanadischen Behörden mal wieder, denn eigentlich sind für sowas die Eltern zuständig. Und Menschen zwischen 18 und 21 müssen bei ihren Getränkebestellungen an den Bars darauf Rücksicht nehmen, ob wir gerade in den USA oder Kanada angebunden sind oder fahren. Tatsächlich habe ich schon einmal mitbekommen, dass ein kleiner junger Mann - ich hätte ihn für 16 gehalten - einen Whisky bestellt hat, und der Barkeeper - dem es sehr peinlich war - die Bordkarte sehen wollte. Der junge Mann - er war bereits 23, wie das Lesegerät verriet - hat nur gelacht, und gemeint, das passiert ihm jeden Tag. Mein Tip: immer in die gleiche Bar gehen, nach zwei Tagen kennen sie ihn und fragen nicht mehr.

Als es immer wärmer wird, mache auch ich mich auf den äußerst sauberen Rückweg zum Schiff, denn mir ist nicht nach teuren Meeresfrüchten. Und selbst wenn, nirgends in den kleinen kanadischen Restaurants und ihren gemütlichen Vorgärten scheint es noch einen einzigen freien Platz zu geben. Auf dem Schiff dagegen habe ich einen ganzen großen Tisch für mich alleine. 

Abends lassen wir uns von einem Schlepper von der Pier wegziehen (Strahlruder sind hier nicht erlaubt, wegen dem empfindlichen Holzsteg), drehen eine Runde um die malerische Insel Georges Island mit ihrem kleinen Leuchttürmchen und machen uns davon, nicht ohne alle Bars wieder zu eröffnen (das bleibt jetzt auch so) und die Altersgrenzen zurück auf deutsche Verhältnisse zu ändern, vorerst mal.







Sonntag, 18. September 2022

Seeluft genießen

 Ein schöner Titel, wie ich finde, auch wenn er nicht von mir ist, sondern als Schlagzeile aus dem Tagesprogramm kommt. Heute, an unserem 6. Seetag, wo auch nicht so wirklich viel los ist. Oder doch, ich habe ja was versprochen zu erzählen. 

Also eigentlich meide ich ja größere Menschenmengen in der Regel, mit Ausnahme des jährlichen DTM-Rennens auf dem Norisring in Nürnberg, oder bei dem jährlichen "Rock-Meets-Classic"-Konzert, falls es das irgendwann mal wieder gibt. Auf einem Kreuzfahrtschiff trifft man auch viele Leute auf recht begrenztem Raum, insbesondere an Seetagen. Und auf meinen bisherigen Reisen waren viele Leute, egal auf welchem Schiff, sehr reserviert. Zugegeben, Mein Schiff, egal welches, gilt nicht gerade als Partyschiff, und das ist eigentlich auch gut so (für mich). Aber nette, lockere, aufgeschlossene Leute, die zu Lachen nicht in den Keller gehen (da würden sie auch nass, Flachwitz) mag ich sehr. Und die gibt es diesmal zuhauf. 

Von der Bierprobe am ersten Abend habe ich  ja schon erzählt, und solche Begegnungen habe ich jetzt ständig. Schön ist zum Beispiel, dass die meisten Leute das steife "sie" abgelegt haben. Man kommt an den Bars ständig ganz schnell ins Gespräch, schon allein wenn man fragt, was der andere gerade trinkt. Und selbst in dem etwas "feineren" Atlantik-Restaurant, wo viele Zweiertische stehen, die zu zweit oder dritt aufgebaut sind, und man zwangsläufig dann Tischnachbarn hat, häufig ältere, gut angezogene, kommt man beim Fünfgängemenue (wovon ich immer nur vier esse, man muss ja auf seine Figur achten) spätestens beim dritten ins Gespräch, immer. Geht gar nicht anders. Manchmal muss ich mir tatsächlich noch einen Espresso nachbestellen, weil die Unterhaltung gerade so gut ist.

Obwohl ich nicht dement bin, lerne ich hier täglich neue Leute kennen, und viele kenne ich sogar am nächsten Tag noch, manche sogar am übernächsten. Und ich kann mich kaum je an eine Aufzugfahrt erinnern, bei der nicht mit wildfremden Menschen fröhlicher Quatsch gemacht wurde. Dessen vorläufigen Höhepunkt habe heute Nachmittag erlebt.

Ich bin auf dem Weg zu einer scherzhaften (kein Druckfehler) Behandlung meiner thailändischen Lieblingsmasseurin (sie hat herausgefunden, dass ich kitzlig an den Fußsohlen bin, kitzelt mich seitdem jedesmal unauffällig absichtlich und sagt dann ganz zuckersüß "Entschuldigung"), bin wie meistens schwarz angezogen (das ist wichtig zu wissen) und besteige einen Aufzug, in dem schon ein Paar in weißen Bademänteln steht. (es gibt hier Bademäntel vom Schiff, und wer zum Pool oder Spa will, zieht sich meistens in der Kabine um, den Bademantel drüber, und geht so los). Das führt optisch zu einer gewissen Uniformität.

Nächste Etage: ein junges Paar steigt ein, auch in Bademänteln.

Nächste Etage: Noch ein Paar in Bademänteln. Jetzt kann ich nicht mehr, und sage so trocken wie möglich in die Runde: "ich habe das Gefühl, falsch angezogen zu sein!". Sofort pariert die älteste der Frauen: "Ja genau, wir gehen nämlich zu einer Hochzeit, und Sie wohl zur Beerdigung!". "Nein, ich führe die Zeremonie durch!" gebe ich zurück. Das war genug, oder vielleicht auch zu viel. Unter schallendem Gelächter kommen wir auf Deck 12 an und gehen alle in den Spa. Die Frau von gerade zur Rezeptionistin: "Wir sind die Hochzeitsgesellschaft, und das ist der Pfarrer!"

Bevor ich noch auf "Standesbeamter" korrigieren kann, antwortet diese wie aus der Pistole geschossen, saharatrocken, wahrheitsgemäß und gerade deshalb so witzig: "Nein, das ist der Herr Roy, der kriegt jetzt eine richtig kräftige Massage!"

Es ist mir schleierhaft, wie sie sich nach zweimaliger Begegnung schon meinen Namen merken konnte, aber Hauptsache alle haben Spaß. Und der geht noch weiter.

Es gibt hier an Bord einen Genussexperten, kein Witz. Er heißt Admir, kommt aus Bosnien, ist ein absolut cooler Typ mit trockenem Humor, umfassenden Wissen, egal in welcher Reihenfolge, und ist zuständig für fast alle Verkostungen. Wegen den mangelnden Deutschkenntnissen vieler seiner Kollegen, wie er sagt. Zugegeben, ich kann mir auch nicht vorstellen, wie zielführend Strudel backen auf stairisch sein soll oder gar eine Sushi-Verkostung auf japanisch, aber darum geht es auch gerade gar nicht. Vielmehr ist das heutige Thema schottischer Whisky, und nach einem leckeren Abendmenue und entsprechenden Getränken schlage ich gerade noch rechtzeitig in der Kreativküche auf. Die liegt in der großen Freiheit, hat nur manchmal geöffnet, kostet dann viel Geld und bietet einen großen, l-förmigen "Labortisch" mit einer gläsernen Platte, in der Displays eingebaut wurden, auf denen wechselnde Muster zu sehen sind. Man kann aber auch Bilder, Filme oder Kochrezepte einblenden. Heute ist es ein ständig wechselndes psychedelisches Muster, das mich schon vor dem Whisky hindert, mich zu konzentrieren. Dazu sitzt man auf Hockern, die an Unbequemlichkeit nur noch von den Barhockern übertroffen werden, die ich in meinem letzten Urlaub auf Lanzarote genießen "durfte".

Ich komme also rein, sehe mich einer gemischten Gruppe von etwas zehn Leuten gegenüber, und grüße laut und höflich. Admir ist nirgends zu sehen, und nach dem Gegengruß reitet es mich mal wieder. "Ich halte den heutigen Vortrag!" behaupte ich mit voller Ernsthaftigkeit. Stellt Euch vor: ich bin seit drei Tagen nicht rasiert, habe längere, vom Wind zerzauste Haare, trage keine Uniform oder wenigstens eine schwarze Hose mit weißem Hemd, noch nicht einmal ein Namensschild, also wirklich nichts, was mich als TUI-Cruises-Angestellten ausweisen würde oder optisch auch nur akzeptabel wäre, doch ich sehe es in den Augen der Menschen: die glauben mir! Unfassbar. Natürlich kläre ich den Scherz sofort auf, das heißt, ich versuche es, da klopft mir Admir mitten im Satz von hinten auf die Schulter und sagt: "Da bist Du ja endlich! Ich habe schon gefürchtet, ich muss das heute Abend alleine machen!". 

Ich kann nicht beurteilen, was die anderen jetzt denken, aber die Stimmung ist von Anfang an spitzenmäßig gut und locker.  Die Gruppe ist gut gemischt von whiskymäßigen Nullen wie mir bis hin zu echten Spezialisten. Einen davon würde ich sofort für einen Werbespot engagieren: langer roter Bart, lange rote Haare, sehr kräftig, gedrungen. Würde man ihm einen Kilt anziehen, wäre er der perfekte Highländer. Nur an der Sprache müsste er noch arbeiten, denn in Schottland spricht man kein sächsisch. Ich war schon dort, und bin daher ganz sicher.

Nach sechs verschiedenen Sorten Whisky sind alle unterschiedlich fertig, besonders der Admir. Der kam nämlich direkt von einer Cocktailverkostung.




Samstag, 17. September 2022

Unterwegs in Gegenrichtung

 Das Schiff fährt gemütlich Richtung Osten, und das Tagesprogramm erzählt etwas vom 5. Seetag. Den ganzen Tag sind alle Geschäfte und alle Bars und Restaurants offen, und ich habe heute, gleich nach dem recht späten Frühstück, etwas vor: ein Photoshooting der besonderen Art. Und zwar lasse ich, augenblicklich voll im Trend hier an Bord, eine intime Detailaufnahme eines sehr kleinen Körperteils von mir machen. Nein, nicht was Ihr schon wieder denkt. Ich rede von meiner Iris. Die Bilder, mit denen sie dafür werben, sehen ganz toll aus, und so bin ich sehr gespannt, wie es nach der Bearbeitung aussehen wird.

Ansonsten verbringe ich einen ruhigen Tag auf Katzenart: Essen, schlafen, trinken, lesen. Und ein bißchen zurück ziehen, obwohl - aber das erzähle ich Euch morgen.




Freitag, 16. September 2022

Schon wieder ein Hafen - am Ende der Welt

 Zwei Häfen hintereinander, ohne ein bis mehrere Seetage dazwischen! Was im Mittelmeer eine Selbstverständlichkeit wäre, bleibt auf dieser Reise die ganz große Ausnahme. Gestern nacht sind wir den SLS zunächst in umgekehrter Richtung gefahren, und dann Richtung Nord-Nord-West in den Saguenay-Fjord abgebogen, an dessen Ende wir heute angelegt haben. Gleichzeitig schein es das Ende der Welt zu sein. Es gibt ja viele Orte, die so etwas von sich behaupten, aber ich denke, für Kreuzfahrtschiffe ist das hier. Tatsächlich erweitert sich der Fjord hier in Saguenay so weit, dass man ein so langes Schiff problemlos umdrehen kann, was der Captain wohl schon heute Nacht gemacht hat, denn wir liegen in der richtigen Richtung zum Auslaufen. 

Ja, und da haben wir unseren Salat: eine wunderschöne hügelige Landschaft, 30-40 Häuschen, eine Boulangerie (Bäckerei), ein paar andere Geschäfte (unter anderem eine Animalerie, also ein Zoogeschäft (tolles Wort, finde ich. Französisch hat einfach Stil, also, die Sprache). Ich möchte aber kein Katzenfutter kaufen, sondern hätte gerne ein paar Souvenirs, und gerate dabei in ein kleines Museum. Als ich schon wieder gehen will, erwischt mich eine Art Wachmann und fragt mich irgendwas, wahrscheinlich, ob er mir helfen kann. Ich kann sehr schön auf französisch sagen, dass ich kein französisch spreche, was schon mehr französische Muttersprachler irritiert hat, von wegen „aber Du sprichst doch französisch“. Nicht so der Wachmann. Er fragt als nächstes in gutem Englisch, und schon sind wir im Gespräch. Er sagt, er hat leider keine Ahnung vom einkaufen, kann mir aber erklären, wo ich alle Geschäfte im Örtchen finden kann. Dann hilft er mir noch sorgfältig über eine Straße, wo sowieso kaum einer fährt, und verabschiedet sich höflich. Die Kanadier scheinen tatsächlich so nett zu sein, wie man immer sagt und schreibt.

Ich gehe also los, finde ein Café, einen Coiffeur, ein kleines Hôtel, und einen agent immobilier.

Alles nicht zielführend, aber bloß nicht aufgeben. Tatsächlich stoße ich irgendwann auf ein „Magasin General“, was nichts militärisches ist, sondern ein Dorfladen, und zwar einer von der Sorte, der wirklich alles anbietet, sogar eine schmale Auswahl an Souvenirs. Als ich habe, was ich will, suche ich nach der Kasse. In diesem Laden gibt es sage und schreibe drei Türen, jede in einer anderen Richtung, und jede verfügt über einen Kassenstand. Zwei davon sind unbesetzt, und am dritten sitzt ein sehr junges, sehr dünnes Mädchen, dass mit der vielen Teenagern auch bei uns eigenen arroganten Ausstrahlung auf ihrem Handy herumtippt. Ich krame in meinen letzten Fragmenten an französischen Vokabeln, werde fündig, und trompete ihr ein fröhliches: Bonjour! Ici la caisse? (Guten Tag. Ist hier die Kasse?) entgegen. Und schon geht die Sonne auf. „Oui oui“ bestätigt sie, strahlt mich an wie ich noch selten angestrahlt wurde, tippt meine Einkäufe ein, fragt dann fürsorglich „Voulez-vouz“ nein, natürlich nicht was Ihr jetzt denkt, sie sagt „voulez-vouz un sac?“ Nein einen Sack brauche ich nicht für die paar Sachen. Späßle. „sac“ ist die Einkaufstasche, der Plastikbeutel, so etwas in der Richtung. Und auch wirklich ein Sack, denn man sagt „sac-à-dos“ für den Rucksack. Wahrscheinlich fragt Ihr Euch langsam, warum der dicke Mann immer behauptet, dass er kein französisch spricht. Tatsächlich kommt, wenn es muss, so manches wieder zum Vorschein, und ich liebe Sprachen. Aber kalt ist es hier, nicht im Laden, sondern draußen, zum ersten Mal seit vielen Monaten habe ich eine Jacke an. Ich weiß, das war keine gute Überleitung.

Einer der Einheimischen hier liebt den heutigen Tag ganz besonders, schätze ich mal. Er besitzt nämlich ein 8-sitziges Wasserflugzeug und lebt - zumindest teilweise - davon, dass er mit Touristen kleine Rundflüge macht, und vermutlich nicht allzu viel Geld dafür verlangt. Für heute hat TUI Cruises ihn komplett und exklusiv gebucht, vermutlich zu einem Preis, der beide freut, und das ganze für sehr viel Geld den Kreuzfahrern als Ausflug angeboten. Und komplett verkauft.  Was die Nachfrage betrifft, hätte man ein zweites Flugzeug brauchen können, mit Pilot, versteht sich.

Als wir nachts zurück fahren, verschlechtert sich das Wetter unerwartet sehr stark. Aus Norden baut sich ein Orkan auf, der mit bis zu 150 km/h als katabatischer Fallwind in den Fjord stürmt. Er baut aufgrund der Enge des Fjords zwar keine Wellen auf, rüttelt aber mit aller Macht am Schiff und stellt es schräg wie ein Segelboot. Natürlich nicht so stark, aber man spürt schon, dass der Weg von Steuerbord nach Backbord leicht bergauf geht. Man darf nicht mehr raus und auch keine Balkontüren öffnen. Wie wir am nächsten Tag erfahren, ist die Situation nicht ganz unkritisch gewesen, denn durch unsere hohen Aufbauten haben wir ganz ohne Segel eine deutlich größere Segelfläche als die Gorch Fock (ein ehemaliges Segelschulschiff der Bundesmarine, die Jüngeren können sich vielleicht noch an den Finanzskandal bei der kürzlich erfolgten Renovierung erinnern, die Älteren an die Rückseite vom Zehnmarkschein, wo sie abgebildet war). Damit sind wir angreifbar gegen plötzliche Böen, und wenn man bedenkt, das der Fjord schmaler ist als unser Schiff lang, führt der Weg schnell mal ins Abseits. „Wir sind auf so etwas trainiert und gut darin“ erklärt der Captain am nächsten Morgen „Karibik in der Sonne kann schließlich jeder“. Wo er Recht hat, hat er Recht.


Donnerstag, 15. September 2022

Die Sammlung wächst


Wir sind in Québec angekommen - natürlich wieder zu früh, was höchstens die Hafenbehörde stört, und ich betrete zum ersten Mal im Leben Kanada, was somit in meiner Ländersammlung die Nummer 56 wird und sie somit um eins weniger erweitert, als ich für dieses Jahr erwartet hatte (eigentlich waren Rumänien und die Ukraine geplant gewesen, und auf der Ersatzreise hätte ich Israel und Zypern besucht), aber Kanada ist so groß, dass man es doppelt zählen könnte. Oder dreifach. Oder zehnfach? Und wie zählt man dann den Vatikanstaat? Am besten gar nicht? Nein Quatsch, Länder zählen „stückweise“, egal wie groß sie sind. Inzwischen bin ich an einem Schulbus angekommen, mit dem heute die kleine Stadtrundfahrt in Québec stattfinden soll. Der Guide heißt Schumacher, aber deutsch haben nur seine Vorfahren vor zweihundert Jahren gesprochen. Er ist schon knappe siebzig, genau wie der Busfahrer. Da er neben der in Québec üblichen Landessprache französisch nur ein sehr schönes englisch spricht, bekommen wir vom Schiff einen Audioplayer mit, der mit deutschen Erklärungen besprochen ist. Unter anderem. 

Wir fahren los, alles gut, der Audioplayer funktioniert und erklärt was wir sehen: klar, laut, deutlich - aber auf französisch. Hin- und herspulen, ein- und ausschalten, alles zwecklos, die beiden älteren Herren kriegen das kleine Stück Hightech nicht in den Griff. Nach etwa einem Kilometer drehen wir um und fahren zwecks technischem Support zurück zum Schiff, wo Geneviève, eine junge Kollegin aus dem Ausflugsteam und sehr gefragt, weil französische Muttersprachlerin, sich dem Problem erfolgreich widmet. Vorsichtshalber fährt sie dann auch gleich mit. Das Schiff darf zwar eigentlich niemanden zum übersetzen mitschicken, auch wenn der örtliche Fremdenführer kein deutsch spricht, aber gegen einen Operator für den Audioplayer hat keiner was gesagt. So findet die Stadtrundfahrt dann endlich statt, mit zum Teil holprigen Texten, Sprüngen und Lücken, aber immerhin auf deutsch.

Québec ist wirklich sehenswert. Es besteht, ähnlich wie Lissabon, aus einer Ober- und einer Unterstadt, gekrönt von dem majestätischen Château Frontenac, einem Luxushotel, das als Hauptsehenswürdigkeit der Stadt gilt. 



Es gibt noch unzählige verwinkelte Altstadtgassen mit kleinen und großen Häusern aus der Kolonialzeit, teils im französischen, teils auch im englischen Kolonialstil. Ich könnte mir diese Stadt wunderbar als Filmkulisse vorstellen, für irgendwas historisches, je nach Licht und Blickwinkel für eine Fantasy-Geschichte, oder, wenn schön verschneit, für ein Weihnachtsmärchen à la Dickens. 

Alle Mitglieder unserer kleinen Reisegruppe sind begeistert, fanden aber Souvenirs und alles sonst recht teuer. Woher soll man als normal gebildeter Mensch auch wissen, dass man den amerikanischen Dollar zwar ungefähr 1:1 zum Euro rechnen kann, ein kanadischer aber nur 70-80 Cent wert ist. Und schon ist es vorbei mit den hohen Preisen.

„Québec“ bedeutet übrigens in einer alten Sprache „Flussverengung“, denn der SLS ist an dieser Stelle nur etwa einen Kilometer breit. Als wir abends ablegen, muss sich das Schiff um 180° drehen, damit es wieder in die Richtung fahren kann, aus der es gekommen ist. Obwohl jedes moderne Kreuzfahrtschiff sich auf der Stelle drehen kann, ist das Manöver, je nach Wind- und Strömungsverhältnissen, sicherlich nicht einfach und dürfte von außen höchst spektakulär ausgesehen haben.




 

Mittwoch, 14. September 2022

Volle Fahrt voraus


Ja, das liebt er, unser Captain: immer volle Fahrt, und dann kommt er zu früh, also an, und muss anschließend stundenlang auf Schleichfahrt gehen, um den Lotsen zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu treffen, aber nicht zu heftig. Das wird irgendwann heute Nacht passieren, wenn der SLS sich verengt und hohe Geschwindigkeiten nicht mehr angesagt sind, jedenfalls nicht für ein so großes Schiff mit sage und schreibe 65.000 PS, wobei es recht genügsam ist: mit einer einzigen Tankfüllung könnte es 35 Tage lang Vollgas fahren, sagt der Captain, was sicher etwas langweilig wäre, denke ich mir, 35 Tage ohne anzuhalten? Da dürfte das eine oder andere Lebensmittel und vor allem Kaltgetränk knapp werden. Und wie weit wäre man dann? Ich habe es einmal überschlagen: 35 Tage lang 24 Stunden am Tag mit einer Geschwindigkeit von 21 Knoten reichen für 75% des Erdumfangs, also rund 30.000km. Das ist schon eine beeindruckende Strecke, die ich persönlich für übertrieben halte, konnte aber leider keine Vergleichszahlen finden.

Unser Schiff ist mit 316m etwas weniger als ein Schiff lang (ich weiß, das klingt dämlich, aber diese Maßeinheit ist mir im besoffenen Kopf letzten Urlaub eingefallen, oder noch früher, als ich mal an drei hintereinander liegenden Kreuzfahrtschiffen entlang laufen musste). Man rechnet: 3 Schiffslängen sind 1 km, das ist der gleiche Faktor wie beim Fliegen: 3 Fuß (feet) Flughöhe sind 1m, näheres siehe Lanzarote 2022). Es hat 15 Decks, ist für ca. 2.900 Passagiere zugelassen und gehört damit noch zu den mittelgroßen Kreuzfahrtschiffen. Die ganz großen, also die Oasis-Klasse (die alle einen Namen mit …of the Seas tragen, also Oasis, Allure oder was auch immer) haben mehr als doppelt so viele Passagiere an Bord, zumindest meistens, und können aufgrund ihrer gewaltigen Größe nur sehr eingeschränkt irgendwo anlegen. 

Zurück zur Mein Schiff 1. Es gibt im all inklusiv-Bereich 8 Restaurants und Bistros, darunter ein 24-Stunden-Imbiss-Restaurant und eine Dönerbude mit Sitzgelegenheiten, sowie 12 Bars und Lounges, darunter eine Eisdiele und eine Diskothek. Wer gastronomisch Geld ausgeben möchte, findet gegen Aufpreis im Heck des Schiffes, den Bereich „große Freiheit“ (nicht das finden kostet Aufpreis), der in einem riesigen diamantförmigen Fenster endet, noch vier weitere Restaurants enthält und eine Bar, die 24 Stunden geöffnet hat. Aber echt, das braucht man nicht! Das Essen soll auch teilweise gar nicht gut sein dort, und was die Bar betrifft: alkoholfreies, Kaffee und Tee gibt es auch im Tag und Nacht Bistro rund um die Uhr, und die kostenfreie Alkoholpause dauert nur von zwei Uhr nachts bis neun Uhr morgens. Das sollte ok sein. 

Die Kabine (also meine, andere kenne ich nicht) begeistert mich. Bis auf die etwas ikeamäßige Farbgestaltung ist sie auf den ersten Blick nicht viel anders als auf den alten Schiffen, aber durch ein paar kleine Änderungen im Grundriss und dem Mobiliar hat man jetzt bei gleicher qm-Zahl mehr Platz, und dazu noch unfassbar viel Stauraum. Das haben sie gut gemacht, die Schiffsdesigner! Und dazu immer diese unfassbaren Deckentiere vom room service! Heute ist es ein Quadropus:


Genau so toll ist meine Masseurin, die mich heute zum zweiten Mal in die Mangel nehmen durfte. Es hat schon nicht mehr so weh getan an den verspannten Stellen, also, die macht ihren Job wirklich gut. Ich freue mich schon auf das nächste Mal. Und auf morgen, denn an drei Tage hintereinander auf immer noch ruhiger See bin noch nicht einmal ich gewöhnt - immer so viele Leute überall! 

Und ehe ich es vergesse: was glaubt Ihr, stand heute über dem Tagesprogramm? Genau: 4. Seetag.

 

Dienstag, 13. September 2022

Kanadische Spezialitäten


Sie bleiben dabei: 3. Seetag, heute mit der Schlagzeile „Seeluft genießen“. Nun gut, zurück zu gestern. Ich war der modernen Technik auf den Leim gegangen, und hatte noch dazu die letzte Durchsage des Kreuzfahrtdirektors nicht gehört. Wir Ihr alle zweifellos wisst, ist die Welt in Zeitzonen eingeteilt, aufsteigend in östlicher und absteigend in westlicher Richtung, und zwar immer in Sprüngen von einer Stunde. Beispiel: Wenn wir in Frankfurt um 16.00 Uhr losfliegen, ist es in New York erst 10:00 Uhr. Was interessiert uns das? Es geht weiter: wir sind in NY losgefahren, strikt nach Ost-Nord-Ost, um bei Sydney (dem kanadischen) auf Nord zu drehen, in den Sankt-Lorenz-Strom einzubiegen, und dann - wenn auch deutlich weiter nördlich - wieder zurück nach Westen zu fahren, wenn auch nicht mehr ganz so weit. Das sind zwei Zeitzonen hin und eine her. Da wir unterwegs nicht anlegen, hat der Captain beschlossen, die ersten beiden, sich gegenseitig aufhebenden Zeitumstellungen nicht mitzugehen, sondern erst in Québec die eine Stunde Differenz zur New Yorker Zeit umzustellen. Eine sehr gute Idee, hätte ich es nur gewusst und dem iPhone sagen können, es soll die automatische Umstellerei sein lassen. Aber lustig war das schon, und nicht die erste Zeitumstellung, die ich übersehe. Allerdings die erste, die nicht vorhanden war. 


Das Abendessen war dann auch noch sehr lecker.


Kommen wir zu den kanadischen Spezialitäten, womit ich weder dicke Pullover noch Ahornsirup meine, und auch nicht die unfassbare Freundlichkeit der Menschen dort. Vielmehr sind es behördliche Dinge, die ich so nicht erwartet habe. Während in den meisten Ländern, die ich kenne, die Einreiseformalitäten im ersten Anlaufhafen des neuen Landes stattfinden, bestehen die Kanadier auf eine Abfertigung an ihrer Grenze. Die liegt an der Meerenge von Sidney, wo man gemeinsam mit etlichen anderen Schiffen anhalten und Anker werfen muss. 


Die kanadischen Behörden kommen dann an Bord,  prüfen die Papiere und schnüffeln überall herum. Halt, ich lüge, in den Passagierbereich kommen sie nicht, denn wer legal (also mit ESTA oder Visum) in die USA eingereist ist, also wir alle, muss nicht neu kontrolliert werden. Aber sie verlangen, dass in kanadischen Häfen, oder wenn man in kanadischen Gewässern vor Anker liegt, alle Geschäfte an Bord geschlossen sein müssen (ok, das ist überall so, wegen den Zollrechten) und auf jedem Deck maximal eine Bar geöffnet sein darf. Restaurants schränken sie zum Glück nicht ein, denn wir liegen hier fast vier Stunden, und das über Mittag. Zu allem Überfluss fällt auch noch die Videothek aus, die man auf den Kabinen benutzen kann, und Fernsehen gibt es ohnehin nur auf Englisch und Chinesisch. Ganz spontan wird im Theater jetzt ein Film gezeigt ("Ich war noch niemals in New York"), in der Hoffnung, auch diejenigen Leute ruhig stellen zu können, die schon eine leichte Mischung aus Langeweile und Lagerkoller zeigen. Ich verstehe zwar nicht warum, aber es gibt sie. Und irgendwann geht es dann doch weiter, der Anker wird gehoben, die Gitter vor den Läden gehen hoch, die Korken knallen, die Stimmung steigt, und die Temperaturen sinken. Wir fahren jetzt Richtung Norden, biegen heute Abend in den Sankt-Lorenz-Strom ein und sehen in gutbesuchten Bars einem weiteren Seetag entgegen.





Montag, 12. September 2022

Mit Weitblick aufs Meer



Dieser fast schon poetische Satz ist nicht von mir (wie Ihr Euch schon gedacht habt), sondern prangt als einleitende Schlagzeile über dem täglichen Bordprogramm, einem der wenigen Stücke Papier, die es an Bord noch gibt, und das jeden Abend neben dem Betthupferl (dem aus Schokolade) auf dem Kopfkissen liegt. Nahezu alles andere läuft nur noch über Smartphone. Auch das Betthupferl hatte man vor einiger Zeit bereits eingespart. Nach heftigen Protesten von seiten der Stammkundschaft musste man zurück rudern und macht man es jetzt so: am ersten Abend gibt es eins, und daneben einen kleinen Zettel auf dem man ankreuzen kann, ob man jeden Abend eins möchte oder gar keins mehr. Damit stellt man einigermaßen sicher, dass die Dinger im Bauch landen und nicht im Müll, was ja schade wäre. Ach ja, und heute - sie haben es wieder so klar und deutlich geschrieben - ist 2. Seetag, und der erste von drei, bis wir die 1.248 Seemeilen nach Québec hinter uns gebracht haben. 

Der heutige Tag soll deshalb für mich ein gesunder sein, (das Motto des Schiffs: Sport und Gesundheit), und so frühstücke ich erst einmal wie ein Kaiser. Am Eingang des Hauptrestaurants Atlantik classic auf Deck 3, ziemlich weit hinten, wird man mit einem Glas Sekt empfangen.

Aus dem reichhaltigen Buffet picke ich mir ein full english breakfast zusammen, und genieße den Ausblick aus den Fenstern, die nur wenige Meter über dem Meer hängen, bei noch immer herrlichem Wetter.


  

Am Spätvormittag habe ich einen Termin im SPA, wozu ich das Schiff einmal diagonal durchqueren muss, ganz nach vorne, auf Deck 12, noch über der Brücke. Dort knetet mich ein zartes Mädchen aus irgendwo ganz weit weg so lange weich, dass ich mich im Surf & Turf-Restaurant (wo ich am Samstag war) glatt als Wagu-Steak bewerben könnte.

Massieren macht hungrig, nicht nur die Masseurin, und ich freue mich auf ein leckeres Mittagessen im Restaurant Fischmarkt. 

Früher gab es auf den TUI-Schiffen immer eine Filiale von Gosch Sylt, die stets recht gefragt und sehr, sehr gut war. Nachdem die Zusammenarbeit mit Gosch beendet wurde, gibt es nun auf den beiden neuesten Schiffen eigene Fischrestaurants, die genauso gut sind wie Gosch. Mindestens! Und als ich auch noch eins meiner Lieblingsgerichte auf der Karte entdeckt habe - Hamburger Pannfisch mit Bratkartoffen und Senfsoße - zieht es mich magisch in den Fischmarkt. 


Wer das Gericht nicht kennt (wie womöglich recht viele in Süddeutschland): da werden drei Stücke Fischfilet (unpaniert) in der Pfanne gebraten und zusammen mit Bratkartoffeln und Senf- oder Remouladensoße serviert. Einfach zu machen, geht relativ schnell, kann - je nach Fisch - recht preiswert sein und schmeckt unfassbar gut. Normalerweise.


Es dauert auch nicht lange bis das Essen kommt. Es sieht auf den ersten Blick ganz gut aus, bis auf - (ich weiß, es gibt ein paar wenige unter Euch, die finden, ich spalte in der Gastronomie Haare. Das tue ich gar nicht, aber ich denke es sollte das auf den Tisch kommen, was der Gast laut Karte bestellt.) Also, bis auf - das unwichtigste zuerst - auf dem Teller ist keine Senf- sondern Remouladensoße. Und außer dem Fisch liegen da zwei Riesengarnelen, die zwar luxuriös erscheinen, aber zu diesem Gericht überhaupt nicht passen. Und jetzt zum wesentlichen: von den drei Fischstücken ist eins leicht gebraten, zwei gedünstet und alle drei nahezu kalt. Und nun zum absoluten Spitzenreiter: Ich unterstelle mal, dass Ihr alle wisst, dass man für Bratkartoffeln üblicherweise gekochte Kartoffeln in dicken Scheiben braucht. Es geht auch mit rohen, dauert dann aber wesentlich länger, und länger ist schlecht in der Gastronomie. Man muss sie in der Pfanne braten, und sollte sie nur 1x wenden. Was da als Bratkartoffeln in sehr kleiner Menge auf dem Teller liegt, sind ganz dünne Scheiben, trotzdem noch fast roh, und vermutlich im Heißluftofen gerade mal kurz angewärmt. Und das schlimmste: wie ich bei Gesprächen mit anderen Gästen in den nächsten Tagen noch herausfinden werde, machen die das immer genau so. Ohne Worte. Und wer jetzt noch grübelt: Nein, ich habe das natürlich nicht gegessen, sondern mir irgendwas anderes im Buffet-Restaurant nebenan, oder besser gesagt, davor (also Richtung Bug) genommen. 


Zum Glück hat es hier jede Menge Auswahl an Restaurants, die auch immer alle pünktlich öffnen oder gar nicht erst schließen.

Bevor es aber an die nächste Mahlzeit geht, muss ich mich dann wohl oder übel mal mit dem Thema Sport und Bewegung befassen. Hat man sich also auf Deck 12 satt gegessen und verlässt das Restaurant, welches der drei (das dritte ist die "Backstube") auch immer, steht man im mittleren Treppenhaus und hat die Qual der Wahl zwischen einer breiten Doppeltreppe oder sechs großen Aufzügen. Mittleres Treppenhaus mutet zumindest mich etwas seltsam an, weil wir nur zwei haben, was ungewöhnlich ist für so ein großes Schiff und mathematisch keine ganzzahlige Mitte zulässt. Eigentlich ist es dann doch das hinteres Treppenhaus, oder? Tatsächlich hängt es mit der Position im Schiff zusammen, so ähnlich wie bei Autos, aber nur so ähnlich, denn da gibt es welche nur mit A-Säule und C-Säule, weil man die mittlere weggelassen hat. Oder bei Flugzeugsitzen: da beginnt man mit dem Fensterplatz an Backbord, das ist Sitz A, der mittlere ist Sitz B und der Gangplatz ist Sitz C. Gibt es nur zwei, läßt man aufgrund seiner Position Sitz B weg. Und so haben wir auf dem Schiff Treppenhaus A und B. Aber ich glaube, ich schweife geringfügig ab.

Fährt oder läuft man nun von Deck 12 eine Etage höher, ist man auf Deck 14. Kein Scherz, das Deck 13 haben sie weggelassen, wegen dem Klabautermann und sonstigem Aberglauben. Das macht man auf vielen Schiffen so, aber nicht auf allen. Vor allem nicht auf denen, die maximal zwölf Decks haben. OK, war flach.

Nach längerem sportlichen Warten auf den Aufzug bin ich nun auf Deck 14 angekommen, trete backbordseitig ins Freie, lasse mir bei strahlendem Sonnenschein den frischen Seewind um die Nase wehen, sehe mich um, und als erstes fällt mir eine Freitreppe auf, die eine weitere Etage nach oben führt und direkt in dem riesigen Fitness-Studio endet, das gerade an Seetagen von sehr vielen hochmotivierten Menschen genützt wird, so auch heute. 

    Direkt vor mir, auf dem Boden, liegt als schreiend bunter Streifen der Joggingpfad, der zweimal am Tag den Joggern vorbehalten ist, und sonst auch gerne mal mit Liegestühlen vollgestellt wird. Liegestühle haben wir viele, auch reservierte, so sagt man. Es ist eben ein Schiff voller deutscher Touristen, von denen nicht jeder weiß, was sich gehört. Aber abgesehen von der Sache mit den Liegestühlen, kann man sich kaum beschweren diesmal, also, über die Touristen.

Ich folge dem Joggingpfad vorsichtig in Richtung Heck, denn da war ich schon einmal, bis zur wirklich großen Sportarena, wo heute ein Tanzkurs stattfindet. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten sehe ich eine Sporthalle von innen, aber die Dinger riechen immer noch so wie früher, und sind nicht der richtige Rahmen für’s Tanzen. Finde ich jedenfalls. Der sogenannte Tanzkurs hier ist es auch nicht, und nach wenigen Minuten ziehe ich weiter, Richtung Heck, vorbei an einigen Folterinstrumenten (die man Trimmgeräte nennt) bis zu einer Stelle, wo der Pfad nicht ganz unsteil ansteigt bis Deck 15, freischwebend einen eleganten U-Turn über dem kompletten Heck dreht und dabei steuerbordseitig auf Deck 14 zurück kehrt. 


Wer es nicht ganz so freischwebend mag, findet noch vor dem U-Turn einen Notausgang, der zur Hoheluft-Bar führt, der höchsten Bar an Bord und bisher einmalig in der Flotte. Dort zu rasten war auch mein Plan gewesen, nur leider ist im Augenblick geschlossen. Vermutlich, weil sie das Schutzgitter vor dem Flaschen- und Glasregal hinter der Bar wieder nicht aufkriegen, wie schon vor ein paar Tagen einmal. Elektrisch ist auch nicht immer eine Lösung. Ich könnte jetzt einfach eine Treppe runtergehen, in die Außenalster-Bar direkt darunter. Dass die offen hat, hört man deutlich. Aber ich bin ja heute sportlich, und drehe, wenn auch im seniorengerechten Tempo, den eleganten U-Turn, und verfolge den bunten Streifen auf dem Boden, diesmal auf der Steuerbordseite, wieder Richtung Sportarena, Treppenhaus B, Fitness-Studio, und weiter geradeaus. Unter mir, auf Deck 12 ziehen die Badelagune mit der Eisbar vorbei, die Unverzicht-Bar, die sehr verführerisch nach Döner duftende Bosporus-Snackbar, der sage und schreibe 25m lange Pool, bis ich den vorderen Aufbau erreiche, in dem sich das SPA befindet, die Ruhepol-Bar, das zweifelsfrei vordere Treppenhaus, und ein paar Dinge wo ich nicht hin darf: eine Bar und ein kleiner Pool für die Suitengäste, und etwas weiter ein großer Raum, wo nicht einmal die hindürfen: die Brücke, oder wie unser maltesischer Captain immer sagt: die „Brrugge“. Kurz vor dem Aufbau biegt der bunte Streifen scharf nach rechts ab - Späßle, da ginge es ordentlich abwärts, one way - natürlich nach links ab, überquert das Schiff, und kurz bevor er sich auf die Rückreise macht, lädt die Überschau-Bar zum Pause mache ein. Auf allen früheren TUI-Schiffen gab es die auch und sie war immer meine Lieblingsbar gewesen. Die hier wirkt ebenso einladend, nur hatte irgendein witziger Schiffsdesigner die „gute“ Idee, wegen der Übersicht besonders hohe Barhocker anfertigen zu lassen. Tatsächlich ist es für durchschnittlich gewachsene Menschen schwierig und für kleinere unmöglich, hier ohne fremde Hilfe hoch zu steigen, und für alle eine Herausforderung, da wieder herunter zu kommen, ohne danach Hilfe zu brauchen. Zugegeben: die Übersicht war niemals besser. 


Aber trotzdem: meine Lieblingsbar ist jetzt die Hoheluft-Bar, wo es sie gibt (bisher nur hier) und wenn sie mal wieder auf hat.

Pünktlich um 18.00 Uhr mache ich mich auf den Weg nach Deck 5, wo ich heute im „Ganz schön gesund“-Bistro essen möchte. Seltsamerweise herrscht gähnende Leere, kein Wunder, sie haben gar nicht offen, sind aber beim vorbereiten. Sie öffnen um 18.00 Uhr, erklärt mir der Oberkellner, und jetzt wäre es 17.15 Uhr. Meine Uhr, also das iPhone, aber zeigt eindeutig  18.15 Uhr. OK, ich gehe wieder und komme später zurück. Und was es mit der seltsamen Zeitverschiebung auf sich hat, erzähle ich Euch morgen.


Sonntag, 11. September 2022

9/11 in Boston

Es ist Sonntag, wir haben 416 Seemeilen zurück gelegt, und befinden uns nun in einem amerikanischen Bundesstaat, dessen korrekte Aussprache sehr viele fränkische Mitbürger vor ein größeres Problem stellen dürfte, probiert es mal aus: „Massachusetts“. Seht Ihr, schwierig. Da klappt es schon besser mit dem Ort, wo wir angelegt haben: Boston. 



Ich sitze im Bus und genieße die Rundfahrt durch eine architektonisch vielseitige, interessante Stadt voller geschichtlicher und kultureller Höhepunkte, sei es die Boston Tea Party, der Freedom Trail, oder das schreckliche Attentat beim Boston Marathon, dessen Schauplatz noch heute durch eine gelbe Linie auf der Straße gekennzeichnet wird. Interessant ist auch, dass Boston gar nicht so groß ist, für eine amerikanische Großstadt eher klein (es gibt in etwa so viele Einwohner wie in Nürnberg), und als äußerst freiheitlich und vielschichtig gilt. Abraham Lincoln war von hier, der Kennedy-Clan, und regiert wird diese moderne Stadt von einer Bürgermeisterin, die ursprünglich aus Taywan stammt, in Harward studiert hat und noch keine dreißig Jahre alt ist. 

Heute ist Feiertag hier, und fast alles hat geschlossen. Nicht wegen Sonntag, sondern wegen 9/11, das sich zum 21. mal jährt. Gut dazu passt dass wolkenverhangene Wetter, das die meist grauen Gebäude ringsum noch etwas düsterer wirken lässt. Viel zu schnell ist die großartige Stadtrundfahrt vorbei, ich habe selten einen so guten Stadtführer erlebt. Blöd ist nur, dass er kein deutsch gesprochen hat, und wir aus gesetzlichen Gründen keinen Übersetzer vom Schiff mitnehmen dürfen. Dadurch hatte ein großer Teil der Mitreisenden nicht wirklich viel von der Stadtbesichtigung. Schade, auch wenn man das hätte vorher wissen können, denn gelesen hat’s mal wieder kaum einer.





Freitag, 9. September 2022

Der Urlaub beginnt

Urlaub hat für mich in erster Linie mit Erholung zu tun, und so genieße ich es, heute mal richtig auszuschlafen, denn: es gibt wieder einen cliffhanger. Nach der sehr langen Anreise und dem Tag in New York hatte ich für gestern Abend noch eine Craftbeer-Verkostung gebucht. 



So ein knappes Stündchen nach einem freien Nachmittag anzuhängen, das ist ja kein Problem. Was man nicht ahnte: die kleine Gruppe von sechs Leuten hat sich so gut verstanden, dass wir nach drei Stunden immer noch zusammen saßen, und Biere probiert haben, oder zumindest die probierten nicht nur probiert sondern auch ausgetrunken und dabei das Abendessen verpasst haben, was nicht schlimm ist, denn es gibt - passend zu jeder Biersorte - kleine Gerichte, die immer zur Verfügung stehen und perfekt zubereitet sind. Schade nur, dass der Vesperteller, den mein rechter Sitznachbar wollte, aus war. Die von mir georderten Fish & Chips dagegen wurden versprochen und nach einer guten halben Stunde auch geliefert: zwei mächtig aufgeblasene Teigballen, einer hell, einer dunkel, in Begleitung einer kleinen Portion blässlicher Pommes, die geschmacklich auch mit Salz nicht zu retten sind. Na gut, kann ja mal passieren. Genüßlich pieke ich mit der Gabel den dunkleren Teigballen an - pieke etwas fester - noch etwas fester - drücke, und endlich erweist er sich als der klügere und gibt nach.     Die völlig vertrockneten Teigstückchen verteilen sich explosionsartig auf Tisch und Boden und haben immerhin so viel Stil, niemandem ins Bier zu fallen. 



Auf meinem Teller bleiben ein paar Teigreste und ein ganz kleines vetrocknetes Stückchen Fisch zurück. Vorsichtig nähere ich mich dem zweiten und letzten Teigballen. Aber hier ist alles in Ordnung: leicht elastisch gibt er nach, läßt sich gut anschneiden, auch das Fischstück ist nicht ganz so klein. Blöd ist nur, dass sowohl Teig als auch Fisch noch roh sind, und ich meinen Hunger etwas später im Tag-und-Nacht-Bistro mit einer kleinen Currywurst stillen musste. Aber man ist ja flexibel.

 Die lange Nacht danach hat richtig gut getan, außer einem von uns, einem großen, gutmütigen Teddy-Typ, dessen Frau Polizistin und bar jeden guten Benehmens ist, wie sie vor versammelter Mannschaft bewiesen hat, indem sie den Bären lautstark in eine kleine Schnecke verwandelt hat. Seine Nacht war vermutlich nicht ganz so gut.

Heute Morgen habe ich keinen Landausflug vor, wäre auch albern, denn wir haben Seetag. Den ersten von sieben, das heißt, dass die Hälfte aller Tage dieser Reise Seetage sind. Wäre das jetzt eine Reise mit einem Schiff der PHOENIX-Flotte (wie der Artania), hätte sich die rheinländische Kreativabteilung in Bonn einiges einfallen lassen müssen: Urlaub auf See, Erholung auf See, Kreuzen im Sankt-Lorenz-Strom, Ihr kennt das alles schon. Hier bei TUI Cruises macht man das hanseatisch klar und sparsam: der heutige erste Seetag heißt einfach: na, ratet Ihr’s? Richtig - 1. Seetag. Was nicht heißt, dass es keine Ereignisse gibt. Für elf Uhr habe ich eine Fleischverkostung gebucht, die im Steakhaus stattfindet, dass am Ende des Schiffes in einem Bereich liegt, der zwar „große Freiheit“ heißt, aber wo alles kostenpflichtig ist. 



Vier Sorten Steak bekommen wir gegrillt, bis hinauf zum berühmten Wagu-Rind, dazu Getränke nach Wunsch, edle Salze, und viel Wissenswertes zum Thema Fleisch. Blöd ist nur, dass der Grillmeister vom Steakhaus in New York unplanmäßig das Schiff verlassen hatte, und der Nachfolger seinen Job noch nicht ganz so drauf hat. Mein erstes Steak jedenfalls war nicht essbar, obwohl alle meine Zähne noch echt sind. 

Kleine Welt: mir gegenüber saß ausgerechnet der Mann, der mit mir hätte fliegen sollen aber seine Maschine verpasst hat. Er selbst war zwar via Washington hinterher geschickt worden, so dass er das Schiff noch erreichen konnte, aber leider ohne Koffer. Der wartet jetzt in Boston auf ihn. Das gute daran ist: da sind wir morgen schon (oder endlich, für jemanden, der seit drei Tagen die selbe Unterhose tragen muss). Gerochen hat er jedenfalls noch nicht, trotz der Schwüle in New York.


Heimkehr

Heute geht es nach langer, langer Zeit wieder nachhause. Hoffe ich, denn seit dem letzten Wochenende fällt überall in Deutschland Schnee, je...