Urlaub hat für mich in erster Linie mit Erholung zu tun, und so genieße ich es, heute mal richtig auszuschlafen, denn: es gibt wieder einen cliffhanger. Nach der sehr langen Anreise und dem Tag in New York hatte ich für gestern Abend noch eine Craftbeer-Verkostung gebucht.
So ein knappes Stündchen nach einem freien Nachmittag anzuhängen, das ist ja kein Problem. Was man nicht ahnte: die kleine Gruppe von sechs Leuten hat sich so gut verstanden, dass wir nach drei Stunden immer noch zusammen saßen, und Biere probiert haben, oder zumindest die probierten nicht nur probiert sondern auch ausgetrunken und dabei das Abendessen verpasst haben, was nicht schlimm ist, denn es gibt - passend zu jeder Biersorte - kleine Gerichte, die immer zur Verfügung stehen und perfekt zubereitet sind. Schade nur, dass der Vesperteller, den mein rechter Sitznachbar wollte, aus war. Die von mir georderten Fish & Chips dagegen wurden versprochen und nach einer guten halben Stunde auch geliefert: zwei mächtig aufgeblasene Teigballen, einer hell, einer dunkel, in Begleitung einer kleinen Portion blässlicher Pommes, die geschmacklich auch mit Salz nicht zu retten sind. Na gut, kann ja mal passieren. Genüßlich pieke ich mit der Gabel den dunkleren Teigballen an - pieke etwas fester - noch etwas fester - drücke, und endlich erweist er sich als der klügere und gibt nach. Die völlig vertrockneten Teigstückchen verteilen sich explosionsartig auf Tisch und Boden und haben immerhin so viel Stil, niemandem ins Bier zu fallen.
Auf meinem Teller bleiben ein paar Teigreste und ein ganz kleines vetrocknetes Stückchen Fisch zurück. Vorsichtig nähere ich mich dem zweiten und letzten Teigballen. Aber hier ist alles in Ordnung: leicht elastisch gibt er nach, läßt sich gut anschneiden, auch das Fischstück ist nicht ganz so klein. Blöd ist nur, dass sowohl Teig als auch Fisch noch roh sind, und ich meinen Hunger etwas später im Tag-und-Nacht-Bistro mit einer kleinen Currywurst stillen musste. Aber man ist ja flexibel.
Die lange Nacht danach hat richtig gut getan, außer einem von uns, einem großen, gutmütigen Teddy-Typ, dessen Frau Polizistin und bar jeden guten Benehmens ist, wie sie vor versammelter Mannschaft bewiesen hat, indem sie den Bären lautstark in eine kleine Schnecke verwandelt hat. Seine Nacht war vermutlich nicht ganz so gut.
Heute Morgen habe ich keinen Landausflug vor, wäre auch albern, denn wir haben Seetag. Den ersten von sieben, das heißt, dass die Hälfte aller Tage dieser Reise Seetage sind. Wäre das jetzt eine Reise mit einem Schiff der PHOENIX-Flotte (wie der Artania), hätte sich die rheinländische Kreativabteilung in Bonn einiges einfallen lassen müssen: Urlaub auf See, Erholung auf See, Kreuzen im Sankt-Lorenz-Strom, Ihr kennt das alles schon. Hier bei TUI Cruises macht man das hanseatisch klar und sparsam: der heutige erste Seetag heißt einfach: na, ratet Ihr’s? Richtig - 1. Seetag. Was nicht heißt, dass es keine Ereignisse gibt. Für elf Uhr habe ich eine Fleischverkostung gebucht, die im Steakhaus stattfindet, dass am Ende des Schiffes in einem Bereich liegt, der zwar „große Freiheit“ heißt, aber wo alles kostenpflichtig ist.
Vier Sorten Steak bekommen wir gegrillt, bis hinauf zum berühmten Wagu-Rind, dazu Getränke nach Wunsch, edle Salze, und viel Wissenswertes zum Thema Fleisch. Blöd ist nur, dass der Grillmeister vom Steakhaus in New York unplanmäßig das Schiff verlassen hatte, und der Nachfolger seinen Job noch nicht ganz so drauf hat. Mein erstes Steak jedenfalls war nicht essbar, obwohl alle meine Zähne noch echt sind.
Kleine Welt: mir gegenüber saß ausgerechnet der Mann, der mit mir hätte fliegen sollen aber seine Maschine verpasst hat. Er selbst war zwar via Washington hinterher geschickt worden, so dass er das Schiff noch erreichen konnte, aber leider ohne Koffer. Der wartet jetzt in Boston auf ihn. Das gute daran ist: da sind wir morgen schon (oder endlich, für jemanden, der seit drei Tagen die selbe Unterhose tragen muss). Gerochen hat er jedenfalls noch nicht, trotz der Schwüle in New York.
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