Mittwoch, 19. April 2023

Und jetzt?

Der letzte Morgen, das Schiff wurde in Bremerhaven angebunden und bewegt sich trotzdem leicht, denn das Wetter ist kühl und stürmisch, beides sehr. 

Während ich meinen letzten Kaffee auf der Kabine trinke, denke ich nochmal über die Situation bei der Bahn nach. Tatsächlich unterstütze ich die Wünsche und Forderungen der Mitarbeiter voll und ganz, kann mich aber nicht damit anfreunden, dass diese Leute streiken dürfen. Schließlich erzeugen sie damit bei sehr vielen Menschen ganz fette Probleme, nämlich bei denen, die unflexibel auf den öffentlichen Verkehr dringend angewiesen sind und nicht nur zum Spaß in der Welt herum gondeln wie ich. Ich habe mich also entschlossen,  so früh wie möglich direkt nach Hause zu fahren.

Aber jetzt muss ich erst einmal vom Schiff kommen. Die haben sich nämlich - zur Vermeidung von Stauungen - was neues einfallen lassen: Man musste sich vor ein paar Tage für eine feste und unverrückbare Aussteigezeit entscheiden, und da hatte ich 10.30 Uhr gewählt, um nicht zu früh in Hamburg zu sein, damit ich dann auch im Hotel einchecken kann. Jetzt wäre es mir aber lieber, möglichst früh von Bord zu kommen, weil ich noch nicht weiß, wann und wie genau ich heimkomme. 

Ich bin erst einmal frech und gehe schon um 9:00 Uhr von Bord. Keine Probleme, und ich sehe mich bereits auf der Siegerstraße. Es wird zwar etwas eng werden mit Koffer im Baustellenbus, aber so viele Leute sind noch nicht unterwegs, auch der Baustellenbus nicht, gar nicht, denn während meiner Reise wurden die Fahrgastbrücken am Kolumbuskai fertig, und man kann jetzt eigenverantwortlich und trockenen Fußes vom Schiff direkt zur Empfangshalle laufen, den Koffer nehmen, und… 

Moment, der Koffer? Ich weiß nicht mehr, ob ich das Koffersystem nach einer Kreuzfahrt je erklärt habe: wenn man sein Gepäck nicht selbst von Bord schleppen will, stellt man es am Vorabend spätestens zu einer festgelegten Zeit vor die Kabinentür, von wo aus es dann abgeholt und sortiert nach Decks in der Empfangshalle aufgestellt wird. Hat bei allen Reisen, sogar in den USA, wo alle gleichzeitig von Bord mussten und wollten, sehr gut geklappt. Immer.

Heute aber probieren wir etwas neues: die Koffer werden nach Aussteigezeit sortiert, was nur mittelprächtig funktioniert, weil die fleißigen Jungs des Entladeteams ins Hintertreffen geraten sind, warum auch immer. Auf diese Weise stauen sich die Passagiere nicht mehr auf dem Schiff, sondern in der Empfangshalle, und ich verliere wieder eine Stunde.

Dann geht es Richtung Ausgang, vorbei an den restlichen Koffern von 8.00 Uhr, von noch früher, und denen, die gar keinen Anhänger (mehr) mit der Aussteigezeit haben und verzweifelt von ihren Herrchen oder Frauchen gesucht werden, vorbei an den ersten Gästen für die neue Kreuzfahrt, und an einem halben Dutzend gelangweilt aussehender Zöllner beiderlei Geschlechts, die jetzt in Bewegung geraten und einen interessierten Halbkreis um mich bilden. Warum ich? Sind meine Haare zu lang? Ist mein Bauch zu dick? oder mein Koffer zu rot? 

„Guten Morgen, deutscher Zoll.“ Sagt der größte der Zöllner „Wir machen heute Stichproben beim Gepäck!“ Ich grüße freundlich zurück und bin froh, dass sie dafür offensichtlich keine Messer benutzen wollen.

„Haben Sie Zigaretten dabei?“ - „Nein!“ (das ist die Wahrheit) „Alkohol?“ - „Nein“ (das ist auch die Wahrheit) „Waffen, Drogen?“ Und jetzt gerate ich wieder in den Schiffsmodus und antworte mit unschuldigem Gesicht „Nein, war mir zu teuer!“ - „Die Waffen?“ fragt er zurück, mit hochgezogenen Augenbrauen. Jetzt komme ich da nicht mehr raus und bestätige „Ja, genau!“. Ein kleiner Moment der Stille. Spannung baut sich auf, ein Blick tief in meine Augen, aber bevor ich mir noch ausmalen kann, was auf veräppeln von Zollbeamten steht, wünscht er mir „Gute Reise“. Der Halbkreis öffnet sich, ich kann gehen.

Liebe Leserinnen und Leser, ich versichere Euch, jedes Wort ist wahr, und bitte macht so etwas nie, nie nach. Es geht in der Regel nicht gut aus, auch wenn Ihr absolut nichts illegales bei Euch habt, denn eine ganz genaue Untersuchung von Gepäck, Kleidung und Körper dürfen die Zöllner immer machen, und schon das ist unangenehm und kostet unnötig Zeit.

Zeit kostet auch das Warten auf eines der Taxis, die an Tagen von Schiffsanläufen in Bremerhaven rare Ware sind, ebenso wie Öffis zum Bahnhof, die es gar nicht gibt, jedenfalls nicht ohne dreimal umsteigen. Deshalb hat TUI einen Shuttleservice laufen, aber den hätte man vorher buchen müssen, mit genauer Fahrzeit.

Schließlich kann ich mir ein zum Glück geräumiges Taxi teilen mit einem gebrechlichen Ehepaar - jeder mit Rollator - erreiche den Bahnhof in Bremerhaven noch zu einer erträglichen Zeit und sitze dann bequem im Regionalexpress bis Hannover. Dort muss ich mich dann um ein Ticket nach Nürnberg kümmern, denn ich habe nur eins von Hamburg nach Nürnberg. 

In Hannover hetze ich durch den Bahnhof ins Reisezentrum, wo es so voll ist, dass man Nummern ziehen muss und mit einer Wartezeit von mindestens 45 Minuten zu rechnen ist (der von mir anvisierte Zug fährt in 30 Minuten). Zum Glück stehen am Eingang zwei Bahnleute, die das schlimmste abwenden sollen und können, so wie Tickets prüfen, das Nummernsystem erklären oder den Weg zur Toilette zeigen. Einer davon erklärt mir sehr freundlich, dass ich das Hamburgticket leider nicht umtauschen kann, hilft mir aber am Fahrkartenautomaten, kann sogar noch eine Sitzplatzreservierung für mich bekommen, und so bin ich gegen siebzehn Uhr wieder zuhause, gesund, munter, fröhlich und zwei Tage früher als geplant.


Und so endet auch mein Reiseblog zwei Tage früher als geplant. Aber heute ist nicht alle Tage, ich verreise wieder, keine Frage. Vielen Dank für’s mitlesen.


Euer

Captain Spareribs





Dienstag, 18. April 2023

16. Seetag

Eigentlich ein Tag wie jeder andere. Naja fast, an normalen Tagen muss man nicht den Koffer packen. Aber die - obwohl sehr lange - Reise ist noch nicht vorbei, also auch nicht nach der Ankunft in Bremerhaven. Dann kommt für mich noch ein besonderes Highlight, denn ich werde nicht heim fahren, sondern verbringe noch zwei Nächte in Hamburg, besuche zum ersten Mal im Leben das Miniatur Wunderland, gehe shoppen ins Hardrock Cafe, und fahre am Freitag vormittag gemütlich nachhause, um am Samstag rechtzeitig in Nürnberg zu sein, um in der Nürnberger Arena das Konzert „Rock Meets Classic“ zu sehen. Endlich. Auf der Eintrittskarte steht nämlich das Jahr 2021. Ein sehr schöner Plan, besonders das mit Hamburg, und ich habe etlichen Leuten davon erzählt. Zum Glück, denn die Gewerkschaft VERDI (deren Mitglied ich mich zu sein manchmal schäme) hatte beschlossen, am Freitag die Stadt Hamburg und noch so einiges mehr lahm zu legen, und hätten mich darüber nicht drei verschiedene Leute an Bord  und von zuhause aus ein guter Freund per WhatsApp über diese zu erwartenden Schwierigkeiten informiert, wäre ich in das Chaos mitten hinein gerasselt. Ich habe dann die halbe Nacht darüber nachgedacht, was ich nun am besten mache ab morgen.




Montag, 17. April 2023

15. Seetag

Unser vorletzter Seetag. Die Biskaya hat wort- bzw. stillgehalten, und ganz viele Gäste fragen sich, wo die Zeit geblieben ist. Ich habe sogar von welchen gehört, die im Anschluß an diese noch zwei (!) Reisen gebucht haben. Das ist - vom monetären Aufwand mal abgesehen - schon sportlich, auch wenn die direkte Anschlussreise nur vier Tage dauert.

Ansonsten geht alles seinen Gang, auch wenn die Flotte für die kommenden Monate nur noch aus sechs Schiffen besteht. Nächstes Jahr bekommen wir dann die brandneue Mein Schiff 7 dazu, die aussehen wird wie die Mein Schiff 1, auf der ich bei meiner letzten Reise war, und ihre Schwester mit der Nummer 2.

Abends gibt es im Theater zum Abschied die traditionelle Crew-Show und anschließend singt vor meiner Kabinentür lautstark der Shanty-Chor schreckliche Seemannslieder. Nein, Späßle, natürlich singt der Chor in einem angemessenen Ambiente, das ist diesmal die riesige Grööne Bar auf Deck 4, aber die liegt wohl akustisch so ungünstig in der Nähe vom Treppenhaus, dass ich mich in meiner Kabine auf Deck 6 immer noch gestört fühle. Aber besser einmal auf der Reise Shantychor als jeden Abend Abtanzbar (das ist hier die Disco). Die liegt zwar auch ganz in der Nähe, aber zum Glück hört man von dort nie etwas.




 

Sonntag, 16. April 2023

14. Seetag

Es ist morgens, kurz nach neun, und wie immer um diese Zeit erzählt der Captain etwas über Wind und Wetter. Die Meldung wird heute besonders interessiert gehört, weil die Überquerung der Biskaya beginnt. Es soll aber kaum Wind geben, und eine Wellenhöhe von maximal einem guten Meter. Ich sehe viele erleichterte Gesichter um mich herum, höre aber auch ein lautstarkes, enttäuschtes „schade!“ vom Nebentisch. Mit dem schon recht alten Mann, der dieses Wort ausgestoßen hat, habe ich vor einigen Tagen ein paar Worte gewechselt und weiß daher, dass er ein ehemaliger Seefahrer ist. Somit sollte seine Reaktion nur wenig überraschen.

Der 16. April 2023 ist ein besonderer Tag für unser Schiff, denn es wird heute zum ältesten und gemeinsam mit ihren Schwestern 4,5 und 6 zum kleinsten Schiff der Flotte. Nein, es ist nicht während der langen Fahrt zusammen geschrumpelt wie ein Mensch, wenn er zu lange in der Badewanne war, sondern die heißgeliebte Kollegin Mein Schiff Herz verlässt heute die Flotte, um zukünftig mit ihren beiden Schwestern (eine davon kennen wir als ehemalige Mein Schiff 1) in England bei Marella Cruises zu arbeiten. Für die deutsche Flotte ist sie leider zu alt geworden. 




Nachmittags findet die letzte von vielen lustigen Zeitumstellungen dieser Reise statt, lustig deshalb, weil nicht - wie gewohnt nachts - sondern nachmittags um 14.00 Uhr. Plötzlich ist es 15.00 Uhr, aber angesagt wird das nicht, jedenfalls nicht zum Zeitpunkt der Umstellung, sondern nur morgens bei der Frühansprache.



 

Samstag, 15. April 2023

13. Seetag

Und wieder ein Tag auf dem Meer. Das Wetter ist so weit ganz schön bis auf einen recht frischen Wind, die Wellenhöhe beträgt 2-3 m, also praktisch kaum spürbar, und es handelt sich wieder einmal um einen ruhigen, katzenartig zu verbringenden (also essen, schlafen, herumstreunen) Tag ohne besondere Ereignisse. Dachte ich jedenfalls. Aber wir haben tatsächlich schon wieder einen medizinischen Notfall, der von Bord geschafft werden muss. Man merkt das immer daran, wenn sich Captain oder Kreuzfahrtdirektor zu ungewöhnlicher Stunde melden mit den Worten: „liebe Gäste, sicher haben Sie schon gemerkt dass…“ Wie meistens, haben wir wieder unbemerkt den Kurs geändert und die Geschwindigkeit erhöht, und nehmen Kurs auf die Mündung des Tejo, wo wir ein Boot aus Lissabon treffen wollen, dass den Patienten dann mitnimmt.

Am späten Nachmittag findet das Rendez-Vous mit dem portugiesischen Rettungsboot statt, und dann geht es weiter Richtung Heimat. Noch drei Seetage liegen vor uns, darunter die Überquerung der Biskaya, die sehr gerne kleine und große Schiffe schaukelt. Es bleibt spannend.




 

Freitag, 14. April 2023

12. Seetag


Also, eigentlich fahren wir gegen Mitternacht los. Leider haben wir schon wieder einen medizinischen Notfall, des ausgeschifft werden muss, was unsere Abfahrt eine Stund verzögert. Glück im Unglück, dass es jetzt schon passiert ist, denn wir halten vor Bremerhaven nicht mehr an, da würde es schwierig werden mit dem unfreiwilligen Aussteigen von armen kranken Menschen.

Ich komme mal zurück zum Thea „Massagen“. Das Schiff ist im Sonderangebotsfieber, und das geht auch am Spa nicht vorbei. Seit gestern werden Massagen zum halben Preis angeboten, aber nur, wenn man am Tag der Massage bucht. Leute wie ich, die schon vor vielen Wochen gebucht haben, gehen rabattmäßig leer aus, und das, obwohl ich so viele Termin ausgemacht habe. Natürlich verstehe ich diese Preispolitik, voll und ganz, was mich aber nicht davon abhält verärgert zu sein, und meine beiden letzten Termine zu stornieren. Das müssen die jetzt verstehen. Oder auch nicht, ist mir eigentlich egal. Meine Reaktion darauf hat zumindest mir gut getan, und mit dem gesparten Geld finde ich sicherlich in Hamburg irgendwas schönes.


Donnerstag, 13. April 2023

Santa Cruz (Teneriffa)



Man glaubt es kaum: diese Seereise ist wirklich lang, zumindest für eine Urlaubsreise, und doch sagen alle, dass die Zeit bisher wie im Flug vergangen ist. Und tatsächlich haben wir heute schon unsere letzte Station erreicht, die kanarische Insel Teneriffa. Ab heute Abend soll es dann ohne weitere Unterbrechungen zurück nach Bremerhaven gehen. Aber erst einmal sind wir hier, bei herrlichem Sonnenschein, sowie angenehmen Temperaturen und begrüßen die eben einlaufende MSC Fantasia, die auch gleich ihre Passagiere auf Teneriffa ergießen wird, und zwar mindestens 1000 mehr als wir sie dabei haben. Dazu kommt, dass auf beiden Schiffen teilweise Crewwechsel stattfindet, und so den ganzen Tag mit heftigem Männlein- (und Weiblein)-laufen zu rechnen ist.




Als ich dann gegen 10.00 Uhr aus dem Schiff komme, ist es gar nicht so schlimm mit dem traffic. Anscheinend haben die meisten Leute organisierte Ganztages-Ausflüge gebucht und sind längst weg. Und diejenigen, die - wie ich - auch zu Fuss unterwegs sind, stören nicht weiter. Der Weg in die Stadt ist nicht allzu weit: erst läuft man zwei SL weit an einer hohen Schutzmauer entlang, die auf der Rückseite der Pier gebaut ist, und alle 50m ein kleines Geschäft enthält: Souvenirs, Klamotten, Handyzubehör, Süßigkeiten, Zahnbürsten - man merkt, nicht nur wir Touris sind die Zielgruppe, sondern auch die Crews - dann hat man den Hafeneingang erreicht, überquert den Parkplatz, lässt die Marina links linken, überquert eine grünbewachsene Fußgängerbrücke, dann die Avenida Maritima, bleibt dann stehen, bewundert das Monumento a Los Caídos, und wird anschließend länger aufgehalten, weil sich jeder mit dem riesigen Santa-Cruz-Schriftzug fotografieren lassen möchte. Wenige Schritte später ist die Plaza de la Candelaria erreicht, von wo ab es an Cafés, Restaurants und vor allem Geschäften nur so wimmelt. Ebenso reichlich gibt es schöne, mehrarmige Straßenlaternen (daher der Name) sowie große Parkbänke, denen man anmerkt, dass die Spanier etwas kleiner sind als wir. Die Sitzhöhe ist nämlich ungewohnt niedrig, was mich nicht daran hindert, es mir fast eine Stunde lang auf einer Bank bequem zu machen und das Stadtleben an mir vorbei ziehen zu lassen. Es macht Spaß, die Leute zu beobachten: große, kleine, alte, junge, darunter auffallend viele hübsche Frauen, die die Frühlingssonne genießen.

Als es mir langsam zu warm wird, mache ich mich auf den Rückweg zum Schiff, genieße im fast menschenleeren Gosch einen leckeren Grillteller, und relaxe den Rest des Tages, bis wir gegen Mitternacht losfahren.




 

Mittwoch, 12. April 2023

11. Seetag

An Seetagen ist ja immer Zeit, die Menschen an Bord zu beobachten, und da zwangsläufig alle an Bord sein müssen, sind es viele. Dabei ist mir schon seit Tagen aufgefallen, dass sich ein großer Teil der Menschen, und nicht nur die älteren, bewegt wie Schildkröten. Vielleicht gibt es deswegen die Gruppe von blauen Schildkröten am Pool…

Um Euch eine ungefähre Vorstellung von dem zu geben, was ich meine, zitiere ich ein Stück aus meinem Blog vom 10. Dezember 2014, denn da ist mit richtigen Schildkröten genau das passiert, zumindest fast, was ich hier ständig beobachte:

„Heute gehe ich nicht an den Strand, weil, es gibt zu wenig Schatten dort. Und gestern rächt sich etwas. Stattdessen besuche ich ein paar Hotelangestellte, die eine ähnliche Farbe haben wie ich im Moment. Sie wohnen neben dem Restaurant und heißen Flamingos. Damit Ihnen nicht langweilig wird, gibt es daneben eine Voliere mit Wellensittichen, und für den täglichen Nervenkitzel sorgen eigensinnige Schildkröten direkt in ihrem Gehege. Schildkröten und Nervenkitzel? Geht das? Geht! Leider hatte ich gerade keine Kamera mit, aber stellt Euch vor: ein Flamingo steht vor dem Wassergraben, auf den eine Schildkröte in (ihr möglicher) höchster Eile zu läuft. Der Flamingo steht direkt auf ihrem Kurs. Als sie in Reichweite kommt, klopft er von oben mit dem Schnabel auf ihren Panzer, aber die Schildkröte setzt unbeirrt ihren Weg fort, so unbeirrt, daß der riesige Vogel ihr schließlich aus dem Weg springt. Platsch, ist sie im Wasser. Ohne vorher einen Umweg zu machen.“

Und so ist es hier auch. Die zweibeinigen Schildkröten zielen mit dem ganzen Körper in die gewünschte Richtung, ziehen die Schultern hoch, schalten einen starren Blick ein, und setzen sich unaufhaltsam und überraschend schnell in Bewegung, ohne jede Rücksicht darauf, ob der Querverkehr aus kleinen Kindern, einem massiven Rollstuhl oder einem kleinen Kellner mit einem riesigen Tablett voller leerer Gläser und Flaschen besteht. Hoffentlich ist dieses Verhalten nicht der Grund dafür, dass wir auf dieser Reise eine ungewöhnlich hohe Zahl an medizinischen Notfällen haben.





Dienstag, 11. April 2023

10. Seetag

Heute bekomme ich wieder eine Sportmassage, was ja … ich wiederhole mich, wieder absichtlich.

Nachdem ich das letzte Mal so begeistert von dem halb so hohen Thaimädchen war, hatte man mich gefragt, ob ich sie vielleicht zukünftig immer haben möchte. Und wenn ich es schon angeboten bekomme, da ist mir die Zustimmung nicht schwer gefallen. Sie kommt dann auch um mich pünktlich abzuholen, mit etwas auf dem Kopf, das aussieht wie eine Mischung aus umgedrehter Schultüte und Kopfbedeckung des traditionellen Domino-Clowns. Ich komme schnell darauf, was hinter der Maskerade steckt, gratuliere ihr zum Geburtstag, und genieße ihre Massage, ohne zu ahnen, dass es die letzte sein sollte (ich liebe den auktorialen Erzählstil, zumindest ein bißchen).


Der Rest des Tages vergeht wie meistens, außer, dass ich heute zum ersten Mal die Bruno-Banani-…sorry, Bruno-Gelati-Eisbar besuche, die es auf unserem Pooldeck gibt, und leckeres Eis in Waffel und Becher, sowie leckere Crêpes und frische Waffeln anbietet. „Leider“ ohne Mehrpreis, was ein großes Problem für so manche Naschkatze darstellt, aber nicht für mich. Zwei Kugeln im wiederverwendbaren Becher sind genug. Da die zwar großartig schmecken, aber nicht so großartig aussehen (ganz normale Eiskugeln halt), gibt es alternativ ein Bild von der Käsetheke.






Montag, 10. April 2023

Praia (Santiago, Kapverden, Ostermontag)


Der südlichste Punkt unserer kleinen Reise ist erreicht: Praia, die Hauptstadt der Kapverden. Für heute hatte man folgende Möglichkeiten der Freizeitgestaltung: einen langen, anstrengenden Ausflug für Naturliebhaber, oder einen ganz langen, noch anstrengenderen Ausflug für kräftige Naturliebhaber, oder einen ganz besonders ungewöhnlich langen, extrem anstrengenden Bergausflug für besonders harte Säue. Oder eine Fahrt aus dem häßlichen Industriehafen, in dem wir liegen, mit dem Shuttlebus ins Stadtzentrum, das weder besonders schön noch besonders interessant ist, und zudem wegen Ostermontag so gut wie ausgestorben. Was glaubt ihr wohl, wofür sich der dicke Mann entschieden hat? Richtig, für einen ruhigen und gemütlichen Tag an Bord. Warum auch. nicht, ich war ja schon mal auf dieser Insel, und es hatte sich nicht gelohnt.




Sonntag, 9. April 2023

Mindelo (São Vincente, Kapverden, Ostersonntag)

Nachdem ich gestern ausnahmsweise einmal nicht die TUI-Bar zugeschlossen habe, treibt es mich heute etwas früher aus dem Bett, und ich versuche, meine wirren Gedanken für euch aufzuschreiben und versandfertig zu machen. Das klappt zunächst ganz gut, bei strahlendem Sonnenschein und der Aussicht auf das Städtchen Mindelo, das ist die zweitgrößte Stadt der kapverdischen Inseln, bei einer leckeren Tasse Kaffee aus der kabineneigenen Nespresso-Maschine.

9.00 Uhr, es klopft. Habe ich etwa mal wieder - nein, das „bitte nicht stören“-Schild hängt nicht im Zimmer, also muss es draußen sein. Mein daraufhin ausgestoßenes „no“ wird von einem weiteren Klopfen beantwortet. Nachdem ich jetzt sowieso schon gestört wurde, gehe ich nach dem dritten Klopfen zur Tür und mache sie vorsichtig auf. Draußen stehen meine beiden Stewards, wünschen „Flohe Osteln!“ und reichen mit einem breiten Plüschtiergrinsen ein nicht gerade kleines Osternest herein. Ich bin echt beeindruckt, hatte ich doch mit nicht mehr gerechnet als vielleicht einem kleinen Schokohäschen heute abend, als Betthupferl, anstatt der sonst üblichen Schokotaler.




Auch sonst ist das Schiff heute gut dabei: Überall Osterdeko, aber nicht übertrieben, und in den Restaurants kann man heute mal richtig rumsauen. Grund: außer im Atlantik classic, die haben immer welche, gibt es heute weiße Tischdecken auch im Atlantik mediterran, im Buffetrestaurant Anckelmannplatz, im Tag-und-Nacht-Bistro und natürlich in sämtlichen Bezahl-Restaurants. Das bedeutet eine dicke Extraschicht in der Wäscherei, weswegen ich nicht verstehe, warum ausgerechnet heute auch noch das langerwartete Sonderangebot für Gästeklamotten läuft: ein ganzer Wäschesack voll, egal was, Hauptsache trocknergeeignet, für 20€ gewaschen und gebügelt. 


Mindelo selbst, ohnehin kaum erwähnenswert, ist heute besonders langweilig, weil wegen Sonntag und Ostern hat praktisch alles zu, und die Stadt ist wie ausgestorben. Aber der Blick von Deck 14, und da ganz hinten: unbezahlbar.





Samstag, 8. April 2023

9. Seetag

Der Tag beginnt, die Sonne scheint, und während ihr noch mit Nachtfrösten kämpft, wird es hier jeden Tag wärmer, kein Wunder, denn wir befinden uns inzwischen auf der Höhe des Senegal. Nur die teilweise etwas böigen Winde kommen aus dem Norden und sind recht frisch. Ehrlich, die könntet Ihr auch behalten. Wellen haben wir auch, aber anfängertauglich: viele und niedrig.



Es ist der dritte Tag ohne iPhone, und ich habe eine neue Idee: An der Rezeption werden verschiedene Dinge verliehen, die man aus Sicherheitsgründen nicht aus dem eigenen Haushalt mitbringen darf, zum Beispiel Verlängerungskabel oder Wasserkocher. Das kann ganz schön lustig sein, wie mir Harry erzählt hat. Ihm haben irgendwie 2m Stromleitung gefehlt, woraufhin man ihm eine 50-m-Kabeltrommel gebracht hat, was der im gemütlichen homing-Stil eingerichteten Kabine ein leichtes Baustellenflair verpasst hat. Und ich möchte gar nicht wissen, wie die Leihgeräte zur Teebereitung aussehen. Alle, die mir bisher an Bord begegnet sind (an den verschiedenen Buffets), hatten das Volumen einer mittleren Mülltonne. Aber ich verplaudere mich, geht es doch um ein schnödes Handy-Ladekabel. Als ich die Rezeption betrete, sehen mich zwei Paar Jungmädchen-Augen erwartungsvoll an. Man merkt sofort, dass die beiden jungen Damen nicht überbeschäftigt sind. Ich entscheide mich für die Rothaarige und bekomme zur Antwort, dass man leider keine Handy-Ladegeräte verleihen kann. Das leuchtet mir ein, weil die ja nicht verboten sind und sie jeder Gast selber mitbringt, mein Problem löst es aber nicht. Der zweite Satz jedoch lautet, wenn man bereit ist, sein Handy eine Weile an der Rezeption zu lassen, könnte es da geladen werden. Wie ich gehofft hatte: gehen sie an die Rezeption, da werden sie geholfen.


Freitag, 7. April 2023

8. Seetag (Karfreitag)

Heute muss ich - zum ersten Mal auf dieser Reise - zu einer meiner geliebten Zeitschleifen greifen. Vielleicht hätte ich auch gar nicht müssen, wenn mir gestern noch diese neue Geschichte im Gedächtnis gewesen wäre. Das liegt daran, dass ich meistens erst ein paar Tage nach dem jeweiligen Ereignis darüber schreibe, was auch Vorteile hat, siehe „auktorialer Erzählstil“ am 30. März, irgendwo mittendrin. Aber ich verplaudere mich. 

Wir drehen die Zeit zurück. Es ist wieder gestern morgen, ich stehe auf, mache mich für den Tag fertig, ziehe das iPhone, nachdem es die ganze Nacht am Strom genuckelt hatte, aus der Dose, kontrolliere aber nicht den Ladezustand. Das habe ich noch nie vergessen, also fast nie. Ich schwöre. Wie auch immer, früh um zehn schreit es einmal kurz um Hilfe, dann geht es aus.  Alles ein ganz normaler Vorgang, wenn auch selten. Ich denke mir nichts weiter, denn man braucht ja nicht ständig so ein smartphone. Auch wenn die MeinSchiff-App wirklich sehr angenehm und das Leben bequemer macht, man kann darauf zum Beispiel sehen, was es heute zu essen gibt, was im Theater gezeigt wird, und wie stark der Wind weht, außerdem Ausflüge buchen und stornieren, sich im Spa anmelden, und nachsehen, wieviel Geld man an Bord schon verpulvert  hat, also so nebenbei. Aber das geht auch anders: möchte man wissen, was es zu essen gibt, kann man auch ganz analog ins Restaurant gehen, und die Speisekarte lesen. Oder, wem das zu risky ist, der kann einen der riesigen touch screens benutzen, die in den Treppenhäusern hängen und quasi auch alles wissen, außer natürlich den Stand des Bordkontos und die persönlichen Termine. Wegen Datenschutz, habe ich gehört. Die beiden letzteren Dinge kann man an den jeweiligen Rezeptionen bzw. dem Ausflugsschalter erfahren, oder auch vom Kabinenfernseher über das Bordportal. Oder auf die harte Tour. Wir sind zurück im hier und jetzt, Karfreitag, 10.00 Uhr morgens. Das Telefon klingelt, also das auf dem Nachttisch, in der hintersten Ecke der Kabine. Das Telefon ist modern, ich kann also sehen, wer anruft. Es ist die Spa-Rezeption, die mich darauf aufmerksam macht, dass ich doch in diesem Moment einen Termin für eine Sportmassage hätte. Na super. Anscheinend bin ich ja doch iPhone-abhängig. Eigentlich hätte ich den Termin jetzt kostenpflichtig verloren, aber ich gehe zum Gegenangriff über und biete an in fünf Minuten da sein zu können oder halt irgendwann. Kurzes Nachdenken, Rückfrage bei der Chefin, und dann sagt er, ich möchte direkt kommen. Mache ich auch. Denn: Heute bekomme ich wieder eine Sportmassage, was ja … ich wiederhole mich, diesmal absichtlich.




Heute ist mein Glückstag, denn trotz der selbst verschuldeten Verspätung bekomme ich anstatt der Türsteherin ein nur halb so hohes Thaimädchen zugeteilt. Und deren Massagekünste sind sensationell, ungefähr so wie die ihrer Kollegin auf meiner letzten Reise.

Der Tag verläuft ansonsten ereignis- und iPhonelos, und ich freue mich auf den Abend, denn mir hat jemand versprochen, abends sein Kabel leihweise mitzubringen. 


Es hat nicht geklappt.


Donnerstag, 6. April 2023

Arrecife (Lanzarote) - Gründonnerstag -

Lanzarote ist die nordöstlichste der acht bewohnten kanarischen Inseln (fragt man welche das sind, kriegen die meisten Menschen nur vier bis sechs zusammen, also die vier bisher auf unserer Reise besuchten, dazu Teneriffa, La Gomera, weniger bekannt da ohne Massentourismus: El Hierro, und - selbst mir noch nicht bekannt, da bis 2018 Bestandteil von Lanzarote: das im Norden liegende Inselchen La Graciosa mit gerade mal siebenhundert Einwohnern) ist jetzt auch eine eigenständige Insel.



Lanzarote hat sich dank der jahrzehntelangen Einflußnahme von César Manrique ein ganz besonderes Erscheinungsbild geprägt und bewahrt. César Manrique war ein spanischer Maler, Architekt, Bildhauer und Umweltschützer auf der Kanareninsel Lanzarote, der unter anderem dafür sorgen konnte, dass Häuser hier nicht höher gebaut werden dürfen als ein Palme wächst. Einzige Ausnahme: das Grandhotel in Arrecife, moderate siebzehn Etagen hoch, war schon vor Inkrafttreten dieser Regel da, und ist somit das einzige Hochhaus auf Lanzarote. Außer heute, aber wir fahren ja bald wieder weg. 

Es gibt hier unfassbar viel zu sehen, malerische Dörfer, bergige Landschaften, das Tal der 1.000 Palmen, den Jardin de cactus, die Marina von Playa Blanca und natürlich die Feuerberge von Timanfaya sowie den Mirador del Rio mit spektakulärem Ausblick auf die oben genannte Nachbarinsel La Graciosa. Und jetzt im Frühling gibt es überall ganz viel grün und Blüten.

Lanazarote ist weltweit, mit großem Abstand, meine Lieblingsinsel. Warum ich trotzdem an Bord bleibe? Ich bin heute zum vierten Mal mit dem Schiff hier, und habe bereits dreimal richtigen Urlaub (jeweils 2 oder auch 3 Wochen) auf Lanzarote gemacht, das letzte mal vor weniger als einem Jahr (wie Ihr lesen konntet oder noch könnt). Und Arrecife ist nicht gerade die schönste und interessanteste Stadt auf der Insel. So genieße ich den Tag lieber auf dem Schiff mit wenigen anderen Zurückgebliebenen (nicht mißverstehen!) und freue mich später an den durchweg begeisterten Erzählungen der zurück gekehrten Ausflügler.


Abends, gegen 18.00 Uhr fahren wir wieder los. Der Wind ist moderat, die Wellenhöhe mit 2 1/2 m lächerlich, also, für so ein großes Schiff. Das spürt man praktisch gar nicht.


Gegen 19.00 Uhr, ich sitze gemütlich beim Abendessen, meldet sich der Captain mit den Worten „Sicherlich haben Sie schon gemerkt, dass wir den Kurs geändert haben!“ Nein, zumindest ich habe es nicht gemerkt, denn ein Schiff legt sich - im Gegensatz zu einem Flugzeug oder auch einem Fahrrad - nicht auf die Seite, wenn es eine Kurve fährt. Und im Atlantikrestaurant hängen keine Kursmonitore, was sich auch mit der eleganten Einrichtung ziemlich beißen würde. Tatsächlich haben wir wieder Kurs auf Fuerteventura genommen, von wo aus uns das dortige Lotsenboot entgegen kommt, um einen medizinischen Notfall aufzunehmen. Normalerweise machen wir das im Hafen, weswegen wir fast jedes Mal mit Verspätung abgefahren sind, aber diesmal hat das leider nicht geklappt. Und nun zeigt sich, dass 2 1/2 m, die sich ständig auf und ab bewegen, verdammt viel sein können, wenn man einen kranken, bewegungslosen Menschen von einem großen Schiff in eine kleine Nußschale übergeben muss, kann man ihn doch nicht einfach rüberwerfen, wenn das kleine Boot gerade mal wieder vorbei kommt. Mit viel Geschick gelingt die Aktion, und wir fahren weiter.


Medizinische Notfälle sind recht häufig auf dieser Fahrt, da wir nicht nur viele alte sondern auch ausgesprochen viele gebrechliche Leute mit uns führen. Und selbst der Einsatz unseres Pfarrers, den wir wegen Ostern ausnahmsweise dabei haben, war leider schon notwendig. Nein, die Fahrt mit einem Kreuzfahrtschiff ist nicht gefährlich, ganz im Gegenteil, eher erholsam, aber viele Leute überschätzen einfach ihre körperlichen Möglichkeiten, machen Bergwanderungen und Sport bis zum Umfallen und was auch immer. Und das geht leider, in ganz seltenen Fällen, auch einmal nicht gut aus.


Mittwoch, 5. April 2023

Puerto del Rosario (Fuerteventura)

Fuerteventura ist die zweitgrößte der kanarischen Inseln und beliebt bei Surfern sowie Liebhabern von großen Naturstränden. Es soll hier auch das eine oder andere gute Resort geben, zum Beispiel den Robinsonclub. Ich habe von Leuten gehört, die hier zweimal pro Jahr Badeurlaub machen, was ich bei dem kalten Wasser des Atlantiks nicht verstehe. Außerdem kannte ich einen Menschen persönlich, der hier jedes Jahr im Winter allein herkam, um sich von seiner Familie zu erholen. Das wiederum kann ich verstehen, denn hier ist es echt öde. Darum klicken wir gleich einen Tag weiter, zum Kontrastprogramm.






 

Dienstag, 4. April 2023

Las Palmas (Gran Canaria)

Dass der Name dieser Insel nichts mit einem kleinen gelben Vogel zu tun hat, darüber habe ich schon ausreichend geschrieben und gesprochen. Deshalb gleich zur Sache:




Es gibt hier ein hochgepriesenes Mehrwasseraquarium, das Poem del Mar, gemacht und betrieben von den Loro-Parc-Leuten auf Teneriffa. Das soll sehr schön sein, und liegt nur zwei Schiffslängen vom Hafeneingang entfernt. Und trotzdem gibt es einen organisierten Landausflug dorthin. Er besteht nur aus einer Originaleintrittskarte zum Originalpreis und hat den Vorteil, dass man sich an der Kasse nicht anstellen muss. Man hat einfach an Bord ein Zeitfenster von einer Stunde, und kann sich in dieser Zeit sein Ticket am Ausflugsschalter stressfrei und ohne Schlange stehen abholen. Damit die Tickets aber überhaupt an Bord kommen, kann man sie leider nicht selber ausdrucken, sondern schickt, sobald die Gangway am Schiff ist, ganz analog, eine Mitarbeiterin zum Aquarium, zwei SL weit, bei kräftigem Gegenwind, wartet bis sie mit den Tickets zurück kommt, zwei SL weit, um sie dann zu Beginn des angegebenen Zeitfensters ausgeben zu können. Heute allerdings haben wir fast eine Stunde zu spät angelegt, warum auch immer, deswegen konnte auch die Kollegin die Tickets erst eine Stunde später los, dann haben sie auch noch die Dickste und damit nicht die schnellste geschickt, die Arme, so dass man dann schließlich Schlange stehen musste, um an sein Ticket zu kommen. Hat man es, wird alles leichter: Man kann zu jeder Zeit ins Aquarium, wann immer man möchte, theoretisch auch morgen, was aber albern wäre, denn da sind wir nicht mehr da, und wenn jemand das Schiff verpasst haben sollte, wird er sich wohl eher auf dem Flughafen herumtreiben und eine Verbindung nach Fuerteventura suchen, wo wir morgen sein werden.

Ich mache mich also auf den Weg, 2 Schiffslängen weit, aber ordentlich Gegenwind, das zieht sich hin. Am Ticketschalter steht bereits eine recht lange Schlange, aber da muss ich ja nicht hin und gehe direkt in den Vorraum. Hier steht auch eine recht lange Schlange, da jeder Besucher bzw. jede Besucherpartie eine persönliche Einweisung bekommt, da muss ich hin, und dann bin ich drin. Die ganze Installation ist recht eng, feuchtwarm und laut, also ungefähr wie im Hallenbad. Besonders lästig ist der immens hohe Anteil an kleinen und kleinsten Schreiteilen, die teilweise gemeinsam mit ihren hirnlosen Muttertieren mitten auf den Wegen spielen, und ein normales Durchkommen somit sehr erschweren, auch wie im Hallenbad. Ich beschließe, dass hier kein Platz für mich ist, zumal es auch nichts spannendes zu sehen gibt. Wenn Ihr mal Gelegenheit habt, besucht lieber - in Deutschland oder wo auch immer auf der Welt - ein Sea Life Aquarium. Die sind richtig gut. 

Nach zwanzig Minuten bin ich wieder draußen - gute Entscheidung, denn jetzt ringeln sich da zwei gigantische Schlangen, in erster Linie aus kinderreichen Großfamilien bestehend. Nicht auszuhalten!

Nachdem ich mit Hilfe des kräftigen Rückenwinds wieder an Bord eingetroffen bin, storniere ich gleich mal den für Teneriffa geplanten Besuch des Loro-Parcs. Sicher ist sicher.






Montag, 3. April 2023

Santa Cruz (La Palma)



Wir haben die kanarischen Inseln erreicht, und vor uns liegt die höchste Hafendichte dieser Reise: heute und in den kommenden drei Tagen werden wir jeden Tag woanders anlegen, ohne die Ruhe von Seetagen dazwischen, aber auch ohne tagelanges Ausharren auf dem vollen Schiff … Obwohl, ganz voll sind wir nicht, nur zu 92%. Gut so, denn wir haben auch nur 90% Besatzung. Aber das Verhältnis sollte sich noch bessern.

Heute morgen hatte ich noch nichts vor, konnte aber gestern spätabends überraschenderweise noch einen Platz im heute morgen stattfindenden Kalligrafiekurs  (=die Kunst des schönen Schreibens) ergattern. Was für ein Glück!

Als ich dort ankomme, sehe ich, dass ich nicht einen, sondern den Platz ergattert habe. Alle anderen sind frei, und ich habe die kleine Kunstlehrerin, die aussieht wie ein Erstsemester, aber fertige antroposophisch studierte, was-auch-immer-Künstlerin ist, für mich alleine. Wir haben viel Spaß miteinander (nein, nicht solchen), und am Schluß kann ich sehr schön meinen Namen, nein, nicht tanzen, trotz Antroposophie, sondern schreiben. Sogar meine Finger sind noch sauber, ich hatte dem Füller aber auch im Falle dass nicht mit umgehender Entsorgung gedroht. Die Finger meiner Lehrerin dagegen sind schwarz, schon nach drei Buchstaben. Aber malende Künstler sehen ja immer irgendwie eingesaut aus, oder?


Am frühen Nachmittag gibt es dann einen Ausflug, teils mit einer Touri-Bimmelbahn, teils zu Fuß. Es gibt den üblichen kleinen Trecker vornedran, und zwei geräumige Wagen, die mehr freie Sitze bieten, als sich wartende Fahrgäste davor drängen (Schlange stehen ist ja bekanntlich nicht gerade die Kernkompetenz deutscher Touristen), was zu ersten Unruhen führt. Die einheimische Reiseleiterin lässt sich aber nicht aus der Ruhe bringen, öffnet eine Tür nach der anderen (jede Sitzbank hat eine eigene Tür), schiebt imm drei oder zwei Touristen hinein (manche sind so schwergängig, die muss man wirklich schieben) und schon geht es los. Zuerst fahren wir durch das nahegelegene Santa Cruz, und dann immer bergauf. Alles ist hübsch und gepflegt wie seit langem. Und wer jetzt ins grübeln kommt, von wegen La Palma, da gabe es doch etwas mit einem schlimmen Vulkanausbruch, hat durchaus Recht: Im Herbst 2021 war hier der Cumbre Vieja zwei Monate lang ausgebrochen und hatte mit Lava und Asche Häuser und Straßen zerstört und einige Gebiete auf der Insel arg in Mitleidenschaft gezogen. Aber die Berichte und Bilder der Nachrichtenagenturen, selbst der seriösen, die uns glauben lassen wollten, dass die Insel im Aschestaub versinkt und nicht wieder zu erkennen ist, waren völliger Unsinn. Der Vulkanausbruch, so dramatisch er für die betroffenen ohne Zweifel war, hatte sich auf eher kleinere Gebiete beschränkt. Der weitaus größte Teil der Insel sieht aus wie eh und je, und im Gegensatz zu meinem ersten Besuch hier in 2012 gefällt es mir heute richtig gut. Mag auch am strahlenden Sonnenschein liegen und der sehr viel besseren Reiseleiterin, die uns jetzt aus dem Bähnchen bittet, um eine kleine Festung mit Kapelle von außen zu besichtigen und die wundervolle Aussicht zu genießen, auf die Stadt, das Meer und den Hafen, wo heute zum Glück nur zwei Kreuzfahrtschiffe liegen. Ich glaube, mehr ginge auch gar nicht, denn die AIDASol, die sich zu uns gesellt hat, ist nicht sehr viel kleiner als wir, bringt aber mehr Passagiere mit, besonders so kleine, laute. 

Wir werden gebeten, wieder in das Bähnle zu steigen. Am einfachsten und schnellsten ginge es jetzt, wenn sich jeder wieder dort hinsetzen würde, wo er vorher gesessen hat. Aber einfach und diszipliniert war gestern, es setzt ein hauen und stechen ein um die Plätze (aber auch Gedankenlosigkeit, „ist mir doch egal“ oder „ich weiß es nicht mehr“). Ganz besonders wichtig nimmt sich ein großer, bulliger Mann um die sechzig, dem man anstatt einer Schüssel guten Benehmens, gewürzt mit einer Prise Empathie versehentlich eine laute Stimme gegeben hat, kombiniert mit einem dürftigen Basis-Wortschatz. Eine sehr laute Stimme. Ich würde jetzt nicht sagen wollen, er ist ein typischer Prolet, aber ich weiß keine treffendere Bezeichnung. Und warum darf ich nicht einmal unhöflich sein? Er ist es doch auch. Und das geht so:

Ich sitze weit hinten im Wagen, da, wo ich vorher auch schon gesessen habe, neben den selben Sitznachbarn, jedoch in geänderter Reihenfolge. Und? Alles bestens. Die vorderste Tür springt auf, ich höre ein zartes weibliches Stimmchen voller Angst:“Herbert, lass doch gut sein!“ - „Das geht überhaupt nicht!“ tobt die Stimme des gerade beschriebenen Herrn, und setzt während dem Einsteigen fort: „Jeder macht hier was er will. Keiner macht hier was er soll. Da sitzen welche auf unseren Plätzen!“-„Aber Herbert…!-Auf UNSEREN Plätzen! Verstehst Du das überhaupt! Das ist so eine Unverschämtheit. Und eine Scheißreiseleiterin, der alles egal ist! Ich werde mich beschweren!“.

Nun ist es so, dass Männer, jedenfalls die meisten, im Gegensatz zu Frauen, jedenfalls den meisten, nicht imstande sind, gleichzeitig rumzubrüllen und Luft zu holen. Herbert muß Luft holen, aufgrund von Aufregung und Übergewicht wahrscheinlich mehr als einmal, als der kleine Teufel an meinem Halsband ruft: „Jetzt“. Zweite Meinung in Ermangelung eines mitgeführten Engels einholen ist nicht nötig, weit genug entfernt befindet sich der Mann auch. Ich setze mein strahlendstes Lächeln auf und verkünde laut und deutlich, voller Begeisterung in meiner Stimme: „Ich liebe diese Kindergartenausflüge!“ Ganz kurze Stille, dann trauen sich einige Mitreisende, laut zu lachen. Die meisten schmunzeln zumindest. Auf jeden Fall ist mein Ziel erreicht: die Fahrt bleibt gebrüllfrei, bis sie nach nur fünf Minuten zuende ist, und zwar ganz. Der Rest wird zu Fuß erledigt. Die Reiseleiterin, eine ausgewanderte Deutsche, ist sehr gebildet und versucht, diese Bildung an ihre Reisegruppe weiter zu geben. Nach einem längeren Vortrag über Christoph Kolumbus am Sockel des Modells seiner „Santa Maria“ in Originalgröße (und das, obwohl er die Insel nie betreten hat) erklärt sie uns eine Kirche mit einem kleinen Kloster, einige Schritte weiter ein Kloster mit einer kleinen Kirche, ein paar (im übrigen allgemein sehr unebene) Schritte bergauf zeigt sie uns eine Kirche mit einem kleinen Kloster. Und als es dann weiter bergauf noch eine große Kirche, ganz ohne Kloster, zu sehen geben soll, verabschiede ich mich höflich und mache mich auf den Rückweg zum Schiff, die wirklich schöne Uferpromenade entlang, vorbei an Dutzenden einladend wirkende Cafés, wenn es doch nur freie Plätze gäbe, und schließlich bei strahlendem Sonnenschein und mit heraushängender Zunge durch den Hafen, vorbei an der AIDASol bis zu meinem temporären Zuhause, der MeinSchiff 3, wo es neben meiner Kabine jede Menge freie Plätze in der Gastronomie gibt. Wie schön. 


Sonntag, 2. April 2023

7. Seetag




Heute bekomme ich wieder eine Sportmassage, was ja …nein, ich wiederhole mich nicht, jedenfalls nicht absichtlich.

An der Spa-Rezeption übergibt man mich … das war so was von klar! Manchmal glaube ich, irgendwer liest mit. Oder beobachtet mich. Kennt Ihr die Truman-Show? Der ahnungslose Hauptdarsteller lebt schon sein ganzen Leben in einer endlosen soap, wird ständig mit versteckten Kameras gefilmt, und der Regisseur sorgt dafür, dass das ganze für das Publikum spannend bleibt. Und deswegen holt mich jetzt ausgerechnet die Türsteherin ab. Wir unterhalten uns kurz über das letzte Mal, woraufhin sie mit ein paar Masagebewegungen in die Luft demonstriert, wie heftig eine Sportmassage zu sein hat. Ich wundere mich nicht mehr über die Schmerzen, die ich hatte, und erkläre ihr, dass ich es zwar hart mag, aber nicht wirklich soo hart. Sie ist einsichtig und knetet mich während der nächsten Dreiviertelstunde kräftig aber angenehm durch. Sie macht das sehr gut, aber ganz ehrlich, ich wünsche mir noch weitere Alternativen. Aber das sage ich nicht an der Rezeption, denn heute war es ja ok und sie kriegt beim rating den besten Smiley.

 

Samstag, 1. April 2023

6. Seetag


Wir schaukeln wieder Richtung Süden und haben Kurs auf die Kanarischen Inseln genommen. An den Treppen hängen nach wie vor die blauen Tüten, die man notfalls mit Mageninhalt füllen könnte, was aber aus meiner Sicht eher übervorsichtig ist. Aber meine Meinung ist hier nicht relevant, und volle Tüten wegwerfen geht natürlich leichter als Teppich putzen.


Der Captain schickt uns mit einem Wetterbericht voller Sturm, niedrigen Temperaturen und Schneefall in den April, indem er die Vorhersage von München vorliest, und bei diesem einen Aprilscherz bleibt es.


Abends findet eine Gin-Verkostung statt. Um 21:00 Uhr, also sozusagen als late-late-night Veranstaltung, und schon der Veranstaltungsort ist schräg: im „Diamanten“ auf Deck 4, erreichbar aber nur über Deck 5, voll am AdS (Arsch des Schiffs), also ganz, ganz hinten, sozusagen direkt über dem Backbordruder. Es ist die Café-Lounge, einer der wenigen kostenpflichtigen Bereiche hier an Bord, und eingerichtet ist sie wie die Tanzschule, wo ich in den  späten Siebzigern meine Jugend verbracht habe: halbrunde Sitzbänke mit weichen Stoff bezogen, runde Glastische, wilde Lampenkonstruktionen, dominierende Farben: ganz viel orange, etwas weiß, und ab und zu Details in irisierender Buntheit. Ich weiß wirklich nicht, warum die hier an Bord ihre hochprozentigen Verkostungen immer an Orten stattfinden lassen, wo man sich schon beim hinsetzen vorgeglüht fühlt. Vielleicht um Gin zu sparen? Wäre aber gar nicht nötig, denn die riesige Gruppe an Interessenten besteht lediglich aus einem Gin-afinen Ehepaar aus Hamburg, und dem dicken Mann, der von nichts eine Ahnung hat.

Fazit: die angebotenen Getränke schmecken interessant bis gut, aber leider ist der die Verkostung durchführende Genussexperte noch nicht auf dem Stand, so etwas durchzuführen, insbesondere weil man ihn aufgrund seiner dürftigen Deutschkenntnisse oft sehr schlecht verstehen kann. Aber das wird sicher noch werden.


Heimkehr

Heute geht es nach langer, langer Zeit wieder nachhause. Hoffe ich, denn seit dem letzten Wochenende fällt überall in Deutschland Schnee, je...