Mittwoch, 19. April 2023

Und jetzt?

Der letzte Morgen, das Schiff wurde in Bremerhaven angebunden und bewegt sich trotzdem leicht, denn das Wetter ist kühl und stürmisch, beides sehr. 

Während ich meinen letzten Kaffee auf der Kabine trinke, denke ich nochmal über die Situation bei der Bahn nach. Tatsächlich unterstütze ich die Wünsche und Forderungen der Mitarbeiter voll und ganz, kann mich aber nicht damit anfreunden, dass diese Leute streiken dürfen. Schließlich erzeugen sie damit bei sehr vielen Menschen ganz fette Probleme, nämlich bei denen, die unflexibel auf den öffentlichen Verkehr dringend angewiesen sind und nicht nur zum Spaß in der Welt herum gondeln wie ich. Ich habe mich also entschlossen,  so früh wie möglich direkt nach Hause zu fahren.

Aber jetzt muss ich erst einmal vom Schiff kommen. Die haben sich nämlich - zur Vermeidung von Stauungen - was neues einfallen lassen: Man musste sich vor ein paar Tage für eine feste und unverrückbare Aussteigezeit entscheiden, und da hatte ich 10.30 Uhr gewählt, um nicht zu früh in Hamburg zu sein, damit ich dann auch im Hotel einchecken kann. Jetzt wäre es mir aber lieber, möglichst früh von Bord zu kommen, weil ich noch nicht weiß, wann und wie genau ich heimkomme. 

Ich bin erst einmal frech und gehe schon um 9:00 Uhr von Bord. Keine Probleme, und ich sehe mich bereits auf der Siegerstraße. Es wird zwar etwas eng werden mit Koffer im Baustellenbus, aber so viele Leute sind noch nicht unterwegs, auch der Baustellenbus nicht, gar nicht, denn während meiner Reise wurden die Fahrgastbrücken am Kolumbuskai fertig, und man kann jetzt eigenverantwortlich und trockenen Fußes vom Schiff direkt zur Empfangshalle laufen, den Koffer nehmen, und… 

Moment, der Koffer? Ich weiß nicht mehr, ob ich das Koffersystem nach einer Kreuzfahrt je erklärt habe: wenn man sein Gepäck nicht selbst von Bord schleppen will, stellt man es am Vorabend spätestens zu einer festgelegten Zeit vor die Kabinentür, von wo aus es dann abgeholt und sortiert nach Decks in der Empfangshalle aufgestellt wird. Hat bei allen Reisen, sogar in den USA, wo alle gleichzeitig von Bord mussten und wollten, sehr gut geklappt. Immer.

Heute aber probieren wir etwas neues: die Koffer werden nach Aussteigezeit sortiert, was nur mittelprächtig funktioniert, weil die fleißigen Jungs des Entladeteams ins Hintertreffen geraten sind, warum auch immer. Auf diese Weise stauen sich die Passagiere nicht mehr auf dem Schiff, sondern in der Empfangshalle, und ich verliere wieder eine Stunde.

Dann geht es Richtung Ausgang, vorbei an den restlichen Koffern von 8.00 Uhr, von noch früher, und denen, die gar keinen Anhänger (mehr) mit der Aussteigezeit haben und verzweifelt von ihren Herrchen oder Frauchen gesucht werden, vorbei an den ersten Gästen für die neue Kreuzfahrt, und an einem halben Dutzend gelangweilt aussehender Zöllner beiderlei Geschlechts, die jetzt in Bewegung geraten und einen interessierten Halbkreis um mich bilden. Warum ich? Sind meine Haare zu lang? Ist mein Bauch zu dick? oder mein Koffer zu rot? 

„Guten Morgen, deutscher Zoll.“ Sagt der größte der Zöllner „Wir machen heute Stichproben beim Gepäck!“ Ich grüße freundlich zurück und bin froh, dass sie dafür offensichtlich keine Messer benutzen wollen.

„Haben Sie Zigaretten dabei?“ - „Nein!“ (das ist die Wahrheit) „Alkohol?“ - „Nein“ (das ist auch die Wahrheit) „Waffen, Drogen?“ Und jetzt gerate ich wieder in den Schiffsmodus und antworte mit unschuldigem Gesicht „Nein, war mir zu teuer!“ - „Die Waffen?“ fragt er zurück, mit hochgezogenen Augenbrauen. Jetzt komme ich da nicht mehr raus und bestätige „Ja, genau!“. Ein kleiner Moment der Stille. Spannung baut sich auf, ein Blick tief in meine Augen, aber bevor ich mir noch ausmalen kann, was auf veräppeln von Zollbeamten steht, wünscht er mir „Gute Reise“. Der Halbkreis öffnet sich, ich kann gehen.

Liebe Leserinnen und Leser, ich versichere Euch, jedes Wort ist wahr, und bitte macht so etwas nie, nie nach. Es geht in der Regel nicht gut aus, auch wenn Ihr absolut nichts illegales bei Euch habt, denn eine ganz genaue Untersuchung von Gepäck, Kleidung und Körper dürfen die Zöllner immer machen, und schon das ist unangenehm und kostet unnötig Zeit.

Zeit kostet auch das Warten auf eines der Taxis, die an Tagen von Schiffsanläufen in Bremerhaven rare Ware sind, ebenso wie Öffis zum Bahnhof, die es gar nicht gibt, jedenfalls nicht ohne dreimal umsteigen. Deshalb hat TUI einen Shuttleservice laufen, aber den hätte man vorher buchen müssen, mit genauer Fahrzeit.

Schließlich kann ich mir ein zum Glück geräumiges Taxi teilen mit einem gebrechlichen Ehepaar - jeder mit Rollator - erreiche den Bahnhof in Bremerhaven noch zu einer erträglichen Zeit und sitze dann bequem im Regionalexpress bis Hannover. Dort muss ich mich dann um ein Ticket nach Nürnberg kümmern, denn ich habe nur eins von Hamburg nach Nürnberg. 

In Hannover hetze ich durch den Bahnhof ins Reisezentrum, wo es so voll ist, dass man Nummern ziehen muss und mit einer Wartezeit von mindestens 45 Minuten zu rechnen ist (der von mir anvisierte Zug fährt in 30 Minuten). Zum Glück stehen am Eingang zwei Bahnleute, die das schlimmste abwenden sollen und können, so wie Tickets prüfen, das Nummernsystem erklären oder den Weg zur Toilette zeigen. Einer davon erklärt mir sehr freundlich, dass ich das Hamburgticket leider nicht umtauschen kann, hilft mir aber am Fahrkartenautomaten, kann sogar noch eine Sitzplatzreservierung für mich bekommen, und so bin ich gegen siebzehn Uhr wieder zuhause, gesund, munter, fröhlich und zwei Tage früher als geplant.


Und so endet auch mein Reiseblog zwei Tage früher als geplant. Aber heute ist nicht alle Tage, ich verreise wieder, keine Frage. Vielen Dank für’s mitlesen.


Euer

Captain Spareribs





2 Kommentare:

  1. Ich kann viele Eindrücke nur bestätigen. Tut mir leid, dass du den Heimreisetag so stressig in der Bahn verbringen mußtest. Ich hatte es bequemer und mein freundlicher privater Autofahrer wartete schon auf mich. Ich hatte als Zeitfenster 10 Uhr gewählt und meine Koffer warteten sogar in der Nähe des Seitenausganges auf mich. Mit einer kleinen Pause war ich schon um 14 Uhr wieder zu Hause. Vielen Dank für die interessanten und netten Gespräche an Bord. Bleib gesund und schreibe weiter. Es ist schön diese Reise in deinem Blog zu lesen. Teilweise kann ich sie mit einem lächeln im Gesicht noch einmal erleben und in meinen Erinnerungen schwelgen. Wünsche dir noch viele interessante Erlebnisse die ich hier dann lesen kann.

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    1. we immer Du bist, ich habe mich sehr über Deinen positiven Kommentar gefreut

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