Während die Artania weiterhin ihren Ost-Nord-Ost-Kurs Richtung Madeira verfolgt, sich der dafür zuständige Teil der Mannschaft nach Kräften bemüht, die eingerostete Gästeschar bei Laune und in Bewegung zu halten, und das Meer trotz Regenwetter einen eher ruhigen als groben Wellengang bevorzugt, beginnt auch für mich eine Phase, wo gerade mal nicht so viel passiert. Aber keine Sorge, ich habe gesammelt!
Es war einer meiner ersten Abende an Bord, und ich wollte zum Abendessen ins Restaurant „Artania“ gehen. Das war aber augenscheinlich sehr gut besucht, bis auf einen großen, runden Achtertisch in exponierter Lage, was bedeutet, man kann ihn schon vom Eingang aus sehen, obwohl er ganz am Ende des Restaurant steht. Und genau da führt mich der Kellner jetzt hin und weist mir einen bestimmten Stuhl zu, der zum Glück nicht ganz in der Sichtachse steht. Kaum habe ich bestellt, taucht ein etwas ungewöhnliches Paar in seinen frühen Achtzigern auf und setzt sich neben mich, nennen wir sie Cesar und Cleo. (Harry und Sally, meine Lieblingspaarung, ist ja schon vergeben. Den beiden geht es übrigens auch ohne mich gut auf der MS3, natürlich, und wir schreiben uns öfter, was auch ganz schön ist), aber ich verplaudere mich.
Im ersten Smalltalk-Schub erfahre ich, dass C+C schon seit Bremerhaven, also einen glatten Monat an Bord sind, immer an diesem Tisch und auf diesen Plätzen sitzen, sich aber über meine Gesellschaft durchaus freuen, denn der Altersdurchschnitt an Bord sei doch etwas hoch. Wie schön, dass da auch einmal ein junger Mann mitfährt. Das mit dem „jung“ relativiert sich zwar schnell, aber ich bin ihnen sympathisch und sie laden mich ein, gerne auch weiterhin mit ihnen an „ihrem“ Tisch zu sitzen. „Ihren“ Tisch gibt es auf diesem Schiff offiziell eigentlich ganz und gar nicht. Wie schon gesagt, der Deutsche neigt allgemein dazu, sich immer auf denselben Platz zu setzen, und im Falle, da sitzt schon jemand, böse zu schauen, wovon man sich an Bord nicht beeinflussen lassen muss. Kann man aber die Kellner für sich einnehmen, dann regeln die schon, wer wo sitzt. Seit dem Tag jedenfalls muss ich mir keinen Platz mehr suchen, was zum einen bequem ist und zum anderen immer mal Stoff liefert für meinen Blog, denn: die beiden geben das alternde, lange erfahrene und gerne mal herumzickende Ehepaar so perfekt wie von dem großen Loriot persönlich geschrieben. Dabei sind sie gar keins, sondern nur „Reisefreunde“, die sich auf einer früheren Reise kennen gelernt und irgendwie ineinander „verhakt“ haben. Cesar ist ein hochgewachsener ehemaliger Manager, Alphatier, Führungspersönlichkeit durch und durch, mit viel Ausstrahlung und einem sehr ausgeprägten Selbstbewusstsein, allgemein und insbesondere was sein Wissen betrifft. Er ist ein sehr organisierter Mensch, und mit seiner Apple-Watch immer am Puls der Zeit. Zumindest fast. Er hat sogar begonnen, meinen Blog zu lesen und findet ihn gut. Noch, und ich hoffe, das ändert sich auch nicht.
Cleo ist schwierig einzusortieren, und das meine ich durchaus nicht negativ. Sie gibt sich meistens fröhlich, versprüht trotz ihres Alters noch immer einen mädchenhaften Charme, den viele junge Frauen heutzutage leider gar nicht haben, gepaart mit so einem Tick Hilfsbedürftigkeit (was sie nicht zugibt). Sie zieht sich hübsch und farbenfroh an, mit Tendenz zu Flippigkeit in Optik und Verhalten. Die beiden passen also zusammen wie Feuer und Wasser, insbesondere in ihrem Umgang mit dem Thema „Zeit“. Doch davon erzähle ich Euch erst morgen.
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