Wie schon gesagt, drehen wir erst einmal zurück auf gestern. Wir haben also noch Dienstag, und nachdem in der Empfangshalle keine Willkommensschilder hochgehalten werden (jedenfalls nicht für mich), suche und finde ich sehr schnell den kleinen Schalter von Alltours, wo mich eine hübsche Blondine mit blauen Augen und hüftlangem Haar freundlich begrüßt, auf ihrer Liste abhakt, erklärt, wie ich den Transferbus finde (einfach dem roten Weg folgen bis Parkplatz 48, was weit weg klingt) und sich für morgen Mittag mit mir verabredet (nichts böses denken, sie ist die Reiseleiterin und will nur, nein, nicht spielen, sondern Ausflüge verkaufen). Fertig. Ich verlasse also das Flughafengebäude, finde tatsächlich einen roten Weg und folge ihm froh und optimistisch schwitzend durch die abendliche Wärme. Bis er sich gabelt. Nicht politisch verstehen, bitte: ich entscheide mich, wie meistens, für den rechten Weg, der in diesem Fall zu einem großen Gebäude führt, das ein Parkhaus - naja, zumindest sein könnte. Während ich nach dem Lift nach oben suche, denn das sollte ich tun, hatte sie gesagt, stellt sich mir ein Flughafenmitarbeiter in den Weg, der längst nicht mehr rot ist, also, der Weg, und scheucht mich wieder fort, bevor ich noch unter irgendwelche Transportbänder gerate.
Also den wiedergefundenen roten Weg zurück, die linke Gabelung gewählt. Sieht aber auch nicht richtig aus: der Weg überquert einen Platz, begleitet ein ganzes Stück entlang eine Hochstraße und verläuft dann, nein, nicht im Sand, sondern in einen Fußgängerüberweg. Auf der anderen Seite gibt es - etwas versteckt, kaum zu erkennen, aber dennoch vorhanden: eine Lifttür mit einem Bussymbol. Ich wage es, fahre eine Etage hoch (was anderes gibt es sowieso nicht) und stehe nicht auf einer Hochstraße, sondern einem riesigen Busparkplatz. Der Rest ist einfach, der Busfahrer froh, dass ich auch endlich da bin, und los geht’s. Sogar die gewohnte Geräuschkulisse ist vorhanden: die beiden lauten Damen aus dem Flugzeug sitzen hinter mir und laufen während der nächsten Dreiviertelstundunde zur Hochform auf. Ihr aktuelles Thema: ob sie das richtige Hotel gebucht, oder andere vielleicht ein schöneres haben, ob die eine der anderen dann vielleicht deswegen Kopf abreißt, und weiß der Geier was alles. Der Bus macht halt am östlichen Ende von Puerto del Carmen, wo die ersten Gäste aussteigen. Das Hotel macht einen guten und gepflegten Eindruck, nur die Einfahrt ist etwas eng für den Bus. Egal, der Fahrer macht das schon. Die Damen beurteilen das Hotel als schön, bis sie die große Entfernung zum Strand entdecken. Ich persönlich finde die Lage gar nicht so schlecht, gleich um die Ecke zum Beispiel gibt es einen Lidl, was doch sehr praktisch sein kann, wenn es im Hotel nicht schmeckt. Wir duchqueren die Stadt. Entlang unserer Route ist Puerto del Carmen bunt, schrill und wirkt etwas schlampig und abgenutzt. Wer action möchte, wohnt hier. Wer Lanzarote möchte, lieber in einem anderen Ort.
Der nächste Stop ist am westlichen Ende der Stadt, fast schon in den Bergen. Die Häuser sind nicht besser, aber weniger bunt. Der Bus hält an, indem er die enge Straße komplett blockiert, Zwei junge Frauen steigen aus, und hinter mir höre ich Bemerkungen wie: „Hier gibt’s doch gar kein Hotel“ - „Da hätte ich ja Angst“ - „Wer weiß, was die hier wollen“ - „Meinst Du?“ - „Ja, die schauen doch irgendwie - aus, weißt schon!“
Nein, das tun sie nicht, sie sehen ganz normal aus, kräftig geschminkt, gut gestylte lange Haare, leicht arroganter Blick, so wie ganz viele junge Damen heutzutage eben aussehen. Sie verschwinden mit ihren Koffern in einer engen Gasse, wo ich zwar auch kein Hotel vermute, aber vielleicht haben sie eine Ferienwohnung gemietet?
Da es keine Küstenstraße gibt, quält sich der Bus mit letzter Kraft bergauf Richtung Norden und allmählich Richtung West-Süd-West bergab, bis die ersten traditionellen Häuser von Puerto Calero auftauchen: würfelförmig, blitzblank, weiß, mit weißen Fensterrahmen und Türen, im Hintergrund das tiefblau blitzende Meer und der (von Segelbooten gut besuchte) Yachthafen.
„Uii, ist das schön hier“ höre ich, und „sieht gleich viel teurer aus.“ - „und so sauber“.
Das nächste Hotel kommt in Sicht. Es sieht groß, modern und edel aus, und als wir in die Einfahrt davor einbiegen, ist Platz für mindestens vier Busse. „Das hat bestimmt fünf Sterne!“ höre ich bewundernd.
Jetzt ist es Zeit für meinen Einsatz. Ich drehe mich um, lächle und sage „Leider nur vier!, Ihr dummen Kühe!“. Natürlich, die ungebildeten Huftiere denke ich mir nur, bedanke mich für den zweistimmigen„Schönen Urlaub Ihnen!“, wünsche ihn zurück und steige aus, gefolgt von den neidischen Blicken der beiden, die jetzt nach Playa Blanca fahren. Was sie noch nicht wissen, aber ich: dort ist es auch sehr schön, nur größer, also, der Ort. Und schöne Hotels haben sie auch.
Mein Koffer und ich betreten das riesige Atrium des Hotels, das so heißt wie die Gegend, nämlich Costa Calero. Um die Rezeption zu erreichen, hat man erst einmal seinen großen Auftritt: Über eine Brücke, die den Blick auf die unterste Etage des riesigen Atriums frei gibt, vorbei an einer üppigen Freitreppe Richtung Pianobar oben drüber, und dann sieht man sie, eher unscheinbar, in einer etwas dunkleren Ecke, besetzt von drei netten jungen Damen, die alle kein deutsch können, aber mich gerne auf Englisch einchecken. Ich bekomme (weil so gebucht) ein Standardzimmer mit Meerblick, wovon sie 62 haben, die alle nebeneinander in der zweiten Etage liegen. Meins ist gefühlt das 59., und der Weg dahin geht wie folgt: Durch die kleine Automatiktür neben der Rezeption, eine schiefe Ebene hoch, viele lange Gänge entlang, sehr viele, dann mit dem 3. Aufzug in den 2. Stock fahren, rechts um die Ecke den Gang entlang und dann auf der linken Seite. Ich versuche also mein Glück und besteige nach ca. zwei Schiffslängen (eine Einheit, die ich kürzlich in Lissabon gemessen habe: 3 Schiffe, hintereinander am Flussufer festgemacht, sind ca.1km lang) den dritten Aufzug. Doch damit kann man nicht in den zweiten Stock fahren, auch nicht in den ersten, nur in den vierten, und da will ich nicht hin. Also zurück zur Rezeption, ich schildere mein Problem, zweiter Versuch. Diesmal geht die Rezeptionistin vorsichtshalber mit. Auf dem Weg erklärt sie mir nochmal, dass ich den dritten Aufzug benutzen muss. Während ich ihr freundlich erkläre, dass ich durchaus bis drei zählen kann, kommen wir an meinem dritten Aufzug vorbei, ohne dass sie auch nur den Schritt verlangsamt, bis wir ihren dritten Aufzug erreichen. Nun funktioniert alles wie versprochen, nach drei Versuchen geht sogar die Zimmertür auf, und ich bin angekommen. Über das Zimmer, es wird nicht das letzte sein, erzähle ich Euch an anderer Stelle.
Nun meldet sich der Hunger. Das Hauptrestaurant liegt auf der gleichen Etage wie mein Zimmer, vom Balkon aus kann ich es sogar sehen, was bei der Orientierung ungemein hilft. Einfach aus dem Zimmer, nach rechts den Gang, entlang, dann rechts ins Atrium, dann rechts um die Ecke, und schon ist man drin. Theoretisch. Im Normalbetrieb auch praktisch, aber: die ersten vierzig Zimmer werden gerade renoviert, sind daher vorne und hinten von einem Bauzaun versperrt und erfordern deswegen einen Umweg. Aber den kenne ich ja jetzt: raus aus meinem Zimmer, nach rechts, links in den Aufzug, und dann runter zum Gang, der zur Rezeption führt. Alles easy. Die Aufzugtüren öffnen sich, der Gang ist nicht mer da. Dafür sehe ich jetzt Abendsonne, Liegestühle, einen Pool und zwei Katzen. Die rennen zwar weg, als ich näher komme, dafür finde ich einen Wegweiser mit vielen Holztafeln. Auf einer steht „Restaurant“. Ich folge dem schön bepflanzten. leicht verwinkelten Weg, etwa 1 1/2 Schiffe lang, bis zu einer langen, flachen Treppe, die zum Restaurant hoch führt, was mich schon wieder irritiert, denn es ist ja unter der Rezeption, und die liegt ebenerdig auf Straßenniveau. Egal, erst einmal essen (auch ein Thema für einen anderen Beitrag), und dann zurück, wie ich gekommen bin. Das ist der Plan.
Gesättig mache ich mich auf den Weg, über die lange Treppe runter in den Poolbereich, bis zu der Stelle, wo der Wegweiser stand (und noch immer steht, aber in der Dunkelheit nicht mehr lesbar ist. Aber die Stelle ist richtig, ich bin ganz sicher, sehe sogar den Aufzug, gehe hin und drücke erleichtert den Rufknopf. Nichts passiert. Kein Licht, kein Brummen, auch nicht nach dem fünften Versuch. Und jetzt? Ich könnte wieder zum Wegweiser, eineinhalb Schiffe weit bis zum Restaurant, von da aus zur Rezeption, von da aus zwei Schiffe weit auf dem bekannten Weg bis zum dritten Aufzug, vor dem ich vermutlich gerade stehe? Der dann nicht funktioniert? Hier unten könnte ich wenigstens in einem Liegestuhl am Pool schlafen, doch das möchte ich nicht. An der Rezeption könnte ich nochmal nach dem Weg fragen, aber das möchte ich ganz, ganz bestimmt nicht. Da wird es plötzlich heller, weil Mondlicht durch die Wolken bricht, und ich sehe eine Treppe, die sich bisher schamhaft im Hintergrund gehalten hatte. Tatsächlich führt sie direkt zum dritten Aufzug im zweiten Stock, von wo aus ich nun endlich mein Zimmer finde. Ich lege mich hin, und denke mir im Einschlafen, dass ein Navi für Hotelanlagen keine schlechte Erfindung wäre…