Dienstag, 31. Mai 2022

Gute Vorsätze

Jeder von uns kennt sie, besonders zu Jahresbeginn gibt es ganz viele verschiedene davon, und auf dem Urlaubssektor habe ich persönlich zwei: „Fahre nicht mit AIDA“ und „benutze keinen Billigflieger“. Das mit AIDA klappt bis jetzt und sicher auch weiterhin, aber das mit der Fliegerei wird nach einer mehrjährigen Krise  ja nicht einfacher, schon gar nicht von Nürnberg aus, denn da werden praktisch nur noch Billigflieger angeboten: die berühmt-berüchtigte Ryan-Air, dazu in der Hauptsaison die noch berüchtigtere Sun-Express, und ich fliege heute mit Corendon Airlines. Co-ren-don. Klingt fast wie ein Schmerzmittel. Oder ein Medikament gegen Corona - oh, sorry, darüber wollte ich keine Witze machen, kann aber nicht versprechen, dass ich mich daran halten werde. Von der Airline habe ich jedenfalls noch nie gehört, kenne sie nicht, will sie auch nicht. Aber mich fragt ja keiner.

Wen es interessiert: Corendon ist eine türkisch-niederländische Gesellschaft,  und als Logo haben sie einen ballspielenden Seestern. Für mich klingt das nach einer ausgeuferten Urlaubsliebe. Es bleibt spannend. 

Die türkische Bodenstewardess checkt die Passagiere neben gutem Deutsch mit orientalischer Gelassenheit und ebensolcher Geschwindigkeit freundlich ein, fragt nach meinem Coronastatus, fragt nicht, wo ich sitzen möchte, gibt mir einen Fensterplatz, den ich eigentlich gar nicht will, und schickt mich weg. 

Nach kurzer Zeit kommt das Flugzeug an, und aus der Maschine, die knapp 300 Passagiere tragen kann, quellen gefühlte 400 raus, die zum Teil etwas zerknittert wirken. Ob es da jetzt einen Sondertarif im Laderaum gibt? Eine Boing 737-800 ist ja nicht gerade ein Großraumflugzeug. Wenigstens hat sie keinen Dachgepäckträger. Dann ist es so weit: Die Passagiere für den Flug nach Lanzarote werden aufgerufen. Allein schon diese Flugnummer: XR2227, das klingt fast wie Akte X. Aber ansonsten macht das Flugzeug einen guten Eindruck. Nicht wie die tunesische Maschine, mit der ich vor Jahren mal fliegen musste. Da waren schon die Buchstaben vom Namen der Airline am abblättern und die Klapptische locker, so ähnlich wie seinerzeit im ersten Teil von „Final Destination“.

In lockerer Zweierreihe werden die Passagiere zur Fahrgastbrücke gelotst (welcher Luxus, bei Lufthansa habe ich das Jahre nicht erlebt), sehr gut, da werden wir schnell und problemlos einsteigen können und müssen nicht in einem überfüllten Bus warten, was ja nicht so schön…plötzlich ein Stau, es geht nicht weiter, warum auch immer. Über mehrere Minuten schmoren wir, dicht an dicht, bei steigenden Temperaturen im nichtklimatisierten Metallgehäuse der Fahrgastbrücke, denn heute ist richtig Sonne draußen. Doch dann ein befreiender Ruf (tatsächlich?) aus Richtung Flugzeug: “bitte Masken aufsetzen!“ Man merkt, dass Deutschland das seit Jahren intensiv übt: ganz schnell und nahezu synchron sind alle vermummt und der Einstieg beginnt. Nicht in kleinen Gruppen, wie in der Werbung von Corendon zu lesen ist, sondern schön alle auf einmal. Ich quetsche mich auf meinen rechtsseitigen Fensterplatz in Reihe 11 und freue mich auf 4 1/2 Stunden linksdrehende Skoliose, denn aufrecht sitzen geht auf diesem Sitz nicht, wegen der Rumpfkrümmung nach oben, also, der des Flugzeugs. Aus dem Fenster sehen ist auch schwierig, denn das befindet sich ungefähr auf der Höhe, wo bei mir (und anderen Leuten, außer Kindern und sehr kleinen Menschen) der Bauch sitzt. Aber es gibt auch angenehmes: als die Meldung „boarding complete“ ertönt, ist die Maschine gerade einmal halb voll, und die Leute wurden möglichst sinnvoll verteilt, was bedeutet, dass ich außer dem Fenster- auch noch den Mittel- und den Gangplatz habe, und die ganze Reihe davor, was deutlich mehr Komfort in der Breite schafft. Allerdings nicht für jeden: weiter vorn quetscht sich gerade eine adipöse Familie aneinander, weil, Familien sitzen eben zusammen. Aber in der Regel haben zwei Leute mindestens drei von den kleinen Gartenstühlen für sich. Und Singles - ab und zu muss man auch einmal einen Vorteil haben. 

Die Begrüßung findet auf Englisch und noch einer undefinierbaren Sprache statt, in einer Tonqualität, die der entspricht, die während meiner ersten Flugreise nach Bulgarien mit einer Ostblockmaschine üblich war, zu einer Zeit, wo man auf die dringende Bitte, die Mobiltelefone auszuschalten, verzichtet hat. Vor fünfzig Jahren gab es nämlich noch keine.

Immerhin haben sie ein Sicherheitsvideo, auf englisch, mit Untertiteln. Fragt mich nicht in welcher Sprache, man kann es nicht lesen. Die ausgeklappten Monitore sind klein, duster, wenige und weit weg, Tatsächlich ist es ein Wunder, dass man überhaupt erkennen kann, was die animierte Stewardess auf dem Video so treibt. Der Start des Videos hatte übrigens vier Versuche gebraucht, bis es endlich lief. Das lässt für den Start des Flugzeugs ja hoffen…

Kurz vor dem Abheben meldet sich der Captain in akzentfreiem Deutsch und gut verständlicher Qualität, entschuldigt sich für die entstandene kleine Verspätung und verspricht, zugunsten einer pünktlichen Ankunft ordentlich Gas zu geben, was er zum Unwillen zweier Damen mit Flugangst auch macht. Ich spoilere es mal: gegen den Flug selbst kann man nichts sagen: Vollgas, abgehoben, Vogel auf den Schwanz gestellt, hoch bis zum Anschlag, und ab Richtung Afrika. Der Steigflug wurde von leisem, ängstlichen Gestöhne zwei Reihen hinter mir untermalt, nicht schlimm, wir haben heute die doppelte Portion Tüten mit, und im Fall des Falles ist ja auch noch eine Sitzreihe dazwischen.

Nach einer Stunde Flug wird großartig der Service angepriesen und dazu erst einmal die Speise- und Getränkekarten mit ihren gut gewürzten Preisen verteilt. Service bei einem Billigflieger? Ich kenne das von Air Berlin: Ein Freigetränk, ein frisches (belegtes) Brötchen für lau, alles andere für Cash. Aber es geht besser: Hier, bei Corendon, gibt es nichts, nada, alles kostet, und noch besser: es ist schon fast alles ausverkauft, bis auf das Sandwich (eingehüllt in Plastikfolie, kleiner als eine normale Schrippe, sehr dünn belegt, und optisch schon recht mitgenommen) für sage und schreibe: sechs Euro! Ich denke, das fliegt heute Nacht auch wieder zurück nach Nürnberg, und morgen wieder sonstwohin, vielleicht als Sonderangebot - nein, das stelle ich mir jetzt nicht vor. Aber im Ernst, ich habe kein Problem damit, dass vor allem auf kürzeren Flügen essen und trinken nicht mehr im Ticketpreis enthalten sind, aber bei 4 1/2 Stunden unter der OP-Maske sollte man schon wenigstens etwas Wasser ausgeben. Gesünder wäre es!

Der Flug verläuft angenehm und ruhig, man wird weder von zollfreien Einkaufsmöglichkeiten belästigt (weil innerhalb der EU), noch von irgendwelchen beschnittenen Blockbustern (zu denen man die Kopfhörer kaufen müsste), und schon gar nicht von der Verteilung irgendwelcher Zeitschriften. Bleibt nur eine kurze Bauchtanzdarbietung von der einzigen weiblichen Flugbegleiterin - nein, das natürlich auch nicht. Ich glaube, das hätte auch niemand sehen wollen.

So weit so gut, sogar die beiden Damen mit der Flugangst haben ihre schrillen Stimmen wieder gefunden, aber nicht für lange, denn als die Anschnallzeichen aufleuchten und der Captain etwas von Sinkflug erzählt, ist erst einmal Ruhe. Bis die ersten Vulkane auftauchen, und die Maschine beim Überflug von Lanzarote minimale Schaukelbewegungen macht. Ich schwöre Euch, dass war einer der sanftesten Anflüge, die ich je erlebt habe, aber die Damen benehmen sich, als würden wir durch einen Tropensturm fliegen. Zugegeben, nach dem Aufsetzen bremst er recht scharf, aber wer weiß warum. Nach kurzer Zeit dürfen wir aussteigen, nur mein Handgepäck ist weg. Ich finde es in dem Gepäckfach drei Reihen weiter vorne, wo es bei der scharfen Bremsung hingerutscht ist. Ein ganz neues Erlebnis, so ein leeres Gepäckfach, aber erklärlich: abgesehen davon, dass nur wenige Passagiere an Bord sind, erlaubt Corendon nur recht kleine Gepäckstücke in der Kabine, und nicht die fahrbaren Schrankkoffer, die man zum Beispiel bei der Lufthansa mitnehmen darf.

Das richtige Gepäck ist auch mitgekommen, und so mache ich mich auf den Weg zum Ausgang. 

Den Rest des 1. Tags erzähle ich Euch morgen, denn er passt so schön zum nächsten Thema.


Montag, 30. Mai 2022

Die Ersatzreise

Hallo liebe Fans und Freunde der schrägen Reiseliteratur! 

Könnt Ihr Euch noch erinnern an Captain Spareribs und seine hochseriösen Berichte von Reisen auf der ganzen Welt? Nein? Das kann niemand, und auf der ganzen Welt war ich auch nicht unterwegs gewesen. Aber da gab es doch eine gewisse Regelmäßigkeit von ein bis zwei Reisen pro Jahr, mit dazu passendem Lesestoff, lange ist es her. Seit Februar 2020 habe ich Bayern nicht mehr verlassen, und allmählich wird es Zeit, das zu ändern. Darum hatte ich vor längerer Zeit eine Kreuzfahrt gebucht unter dem Titel „Frühling im schwarzen Meer“ und wäre eigentlich seit zwei Wochen unterwegs, wenn nicht…

Nun, Ihr wisst alle was passiert ist, die Route wurde daher geändert und die Reise auf „Frühling im Mittelmeer“ umgetauft. Ich hatte keine Lust auf das, was dabei herauskam, und habe daher auf eine andere Kreuzfahrt im November gewechselt. So lange wollte ich aber nicht mehr warten, wer weiß, was im Winter kommt, und so habe ich mir einfach mal für wenig Geld eine Woche Malle geholt, geht ja immer. So weit der Plan. 

Tatsächlich gibt es für wenig Geld derzeit gar nichts, noch nicht einmal einen albanischen Campingplatz. Ok, den vielleicht schon. Aber ein Hotel auf Malle, noch nicht einmal ein besonders gutes, ist kaum zu bezahlen. Überhaupt, die Preisfindung: ich hatte ein Angebot auf den Kanaren, wo die Verlängerungswoche genauso viel kosten sollte wie die erste Woche. Noch klingt es logisch, aber gleich nicht mehr, denn im Preis für die ersten Woche waren natürlich die Flüge enthalten. Was ist das? Mathe für Dummies? Letztlich brauchte es sage und schreibe 18(!) Angebote vom Reisebüro meines Vertrauens und eine schnelle Entscheidung von mir. Doch jetzt ist die Reise im Sack, und morgen geht es für zwei Wochen nach Lanzarote.


Euer

Captain Spareribs


Heimkehr

Heute geht es nach langer, langer Zeit wieder nachhause. Hoffe ich, denn seit dem letzten Wochenende fällt überall in Deutschland Schnee, je...