Früher Morgen, ich sitze im ICE nach Dortmund, und der ist gut gefüllt mit jungen fruchtbaren Paaren und ihren reichhaltigen Anhängen zwischen zwei und fünf Jahren. Die Geräuschkulisse ist dementsprechend, aber seit ich meine Tage nicht mehr in einem Großraumbüro verbringen muss, kann ich so etwas besser ab als früher. Zum Glück fährt der Zug auch gar nicht bis zum Fraport, warum auch immer, und ich darf in Wiesbaden aussteigen und in eine praktisch leere S-Bahn wechseln. Die hält am Flughafen aber nicht im S-Bahnhof, sondern da, wo eigentlich der ICE hingehört. Der Lautsprecher auf dem Bahnsteig erzählt etwas von Streckenumbau und neuen Signalen, und dass es für den Rückweg gar keine Bahnverbindungen gibt. Macht nichts, ich komme ja nicht zurück, also, mit dem Flugzeug.
Wo muss ich eigentlich hin? Normalerweise nicht weit, denn die Schalter der Lufthansa sind direkt am Eingang von Terminal 1. Das Problem ist nur, dass auch PHOENIX seine Gäste gelegentlich überrascht, und wir diesmal mit CONDOR fliegen. Hoffentlich, gehören sie doch eigentlich zur pleite gegangenen THOMAS-COOK-Gruppe, aber im Reisebüro hatte man mich da beruhigt. Und selbst wenn, besser in Frankfurt stranden als in Timbuktu und dann Prügel kriegen vom Hotelier.
Nach einer langen Wanderung durch T1 gibt es eine Verengung, linkerhand das (seltsamerweise geöffnete) Servicecenter von Thomas Cook, rechterhand die Condor-Schalter der 1. und 2. Klasse, und dann öffnet sich die riesige Halle der Condor-Holzklasse. Laut Infotafel sind für jeden Flug 3-4 spezielle Schalter vorgesehen, wo man sich gut vorsortiert anstellen kann. Eigentlich. Ein PHOENIX-Reiseleiter zeigt wo man sich anstellen soll, und es scheint natürlich die längste Schlange zu sein. Ist es aber nicht. Es ist die einzige. Die wenigen offenen Check-in Schalter sind auch nicht mit Flugzielen beschriftet, sondern nur mit dem Wort "Economy", was in diesem Fall wohl heißen soll, wir sparen Personal, und jeder macht alles. Bei der LUFTHANSA dagegen waren die Schalter alle auf und meistens so schön leer.
Da die Schlange zu lang ist für die Halle, schlängelt sie sich zweimal hin und eineinhalb mal her, und natürlich stehen die Leute mit der meisten Zeit (dem spätesten Abflug) nicht zwangsläufig hinten, eher im Gegenteil. Ein Bodensteward versucht gelegentlich die Passagiere, deren Flugzeuge los müssen, aus der Schlange heraus zu lösen, aber da er nur ein dünnes Stimmchen hat, verhallen seine "Punta Cana"- oder "Mexico"-Schreie oft ungehört.
Kaum eineinhalb Stunden später stehe ich - in der nächsten Schlange, nämlich der vom Sicherheitscheck. Da hier alle Schalter besetzt sind, geht es etwas schneller voran, und schon findet man sich in einem Warteraum mit komfortablen Rüsselanschluss (ich weiß, das Ding heißt eigentlich "Fluggastbrücke") und man braucht auch bis zum boarding nicht mehr lange zu warten. Allerdings - da kommt ein Bus, weil das Flugzeug auf einer Außenposition steht. Das tun wir auch, fast eine Viertelstunde lang, nämlich im Treppenhaus vor dem Bus, weil das Flugzeug noch nicht ganz fertig ist. (Nein, zusammengebaut ist es schon, aber noch nicht gereinigt und gecatert). Aber auch das geht vorbei, und ob es bei der Lufthansa besser gewesen wäre, keine Ahnung. Schließlich erreichen wir die betagte Boeing 757-300. Gepflegt scheint sie zu sein, besonders die Thomas-Cook-Beschriftung ist noch 1A. Zum schnelleren boarding gibt es zwei Gangways, eine vorne und eine hinten. Leider achtet kaum jemand darauf, wo er - abhängig von seiner Sitzposition - besser einsteigt, was zu heftigen Stauungen während des Gegenverkehrs innerhalb der Maschine führt. Da der einzige Gang schon für die schlanken Stewardessen recht knapp bemessen ist, tun sich die häufig adipösen und schwergängigen Kreuzfahrtgäste, zumeist bewaffnet mit überdimensionalem Handgepäck und heftiger Ungeduld, hier richtig hart. Nach einer gefühlten Ewigkeit fehlen nur noch wenige Fluggäste, egal, aber leider ist das Gepäck schon Bord, nicht egal. Wie die meisten von Euch sicherlich wissen, muss das wieder raus wenn Herrchen und/oder Frauchen fehlen. Als es endlich gefunden und beseitig wurde, ist der slot für den Abflug weg, und wir starten erst mit einstündiger Verspätung. Na gut. Dafür geht in Málaga das aussteigen schneller, weil wir dort - nein, nicht mit dem Fallschirm abspringen, aber angerüsselt werden, und das ist doch sehr viel komfortabler, selbst mit Rollator.
Der Flughafen von Málaga ist ziemlich groß, geschätzt wie der von Mallorca, und sie haben 42 Gepäckbänder. Auf Nummer 38 läuft die erste Hälfte unseres Gepäcks, und die zweite Hälfte dauert, und dauert, und dauert, die ersten älteren Damen werden schon hysterisch und nerven ihre Ehemänner mit negativen Bemerkungen, aber schließlich kommen auch alle anderen Koffer, alles ist gut, wie bei der Lufthansa. Die hat übrigens auch einen Direktflug von Frankfurt, eine Stunde nach uns, und bringt noch jede Menge glückliche und zufriedene Kreuzfahrer, wahrscheinlich diejenigen mit den teuren Kabinen.
Viel später, auf dem Schiff, in Harry's Bar.
Eine ältere Dame erzählt, dass ihr Koffer nicht mitgekommen ist, und sie jetzt nichts zum Anziehen hat, und keine Zahnbürste und so. Ein paar andere Gäste erzählen, was sie vorsichtshalber immer so ins Handgepäck tun (kein Wunder, dass die Gepäckstücke so groß sind). Die Dame und ihre 38(!) Leidensgenossen würden sich ja gerne ein paar neue Sachen kaufen, kein Problem, aber leider hat ausgerechnet heute die Bordboutique geschlossen. Morgen machen die das Geschäft ihres Lebens, auch wenn sie leider keine Abendbekleidung führen. Da wäre nämlich auch noch der erste Galaabend und Fototermin mit dem Captain, denn für Morten Hansen hätte man sich gerne schön gemacht.
Die gute Nachricht ist: die Koffer wurden alle gefunden und werden sofort hinterher geschickt. Allerdings sind wir morgen auf See, da müsste man sie mit dem Fallschirm abwerfen, das macht man lieber nicht. Und am Montag, nach Agadir in Marokko, außerhalb der EU, in den wilden Orient, das macht man lieber auch nicht. Folglich findet die Wiedervereinigung erst am Dienstag statt, auf Lanzarote, das ist auch spanisch, sicher ist sicher.
Ach ja - und der Flug mit den fehlenden Koffern, das war übrigens die Lufthansa.