Auch wenn ich vielleicht so aussehe - naja, bestimmt sogar - ich bin kein Mensch, der bei seinen Reisen übermäßigen Wert auf das Essen legt. Ich bin kein großer Freund von Kaviar und Hummer, und Champagner mag ich gar nicht. Wenn ich die Auswahl zwischen zwei Restaurants habe mit Essen ähnlicher Qualität, wähle ich stets das mit der hübscheren Kelln..., Späßle, aber mit dem besseren Service und höheren Wohlfühlfaktor, tatsächlich. Ich mag bodenständige wie raffinierte Küche, würde aber immer eine ehrliche Currywurst mit Pommes oder auch nur ein gutes Leberkäs-Brötchen einer knoblauchgetrüffelten Riesengarneele an Tartar vom Koberind im angepflaumten Serrano-Schinkenmantel bevorzugen. Natürlich mag jeder etwas anderes gern, aber auf die einfache Formel "schmecken sollte es" kann man sich sicher einigen, egal wo die Latte hängt. Und auch, wenn sich mit steigendem Alter der Geschmackssinn (was ist das Gegenteil von verfeinern?), hat die Latte nichts im Kielraum verloren.
Als ich 2015 erstmalig mit der Artania unterwegs war, gab es am Essen absolut nichts zu meckern. Zurück gekehrt 2018, war es nicht mehr das selbe, aber in erster Linie hatte man die Auswahl etwas zurück geschraubt, und auch die Portionsgrößen. Das kann ich persönlich noch ohne Punktabzug hinnehmen. In diesem Jahr - ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, darum ein kleines Zwischenspiel:
Das Personal, wie auf allen Kreuzfahrtschiffen zumeist Philipinos, versuchte damals wie heute einem sogar die Wünsche von den Augen abzulesen, von denen man selbst noch gar nicht wusste, dass man sie hat. Da wir nur deutschsprachige Gäste haben, wurde sehr viel Wert darauf gelegt, dass das Personal ebenfalls deutsch spricht. Ein Sprachkurs ist hart, nach einem 12-Stunden-Tag, hatte aber bis 2018 dicke fette Früchte getragen, insbesonders, weil sich gute Deutschkenntnisse auf das Gehalt auswirkten, also positiv natürlich. In diesem Jahr ist das leider qualitativ zurück gegangen. Zwar sprechen alle deutsch, oder das, was sie dafür halten, aber man versteht kaum jemanden, vielleicht kopieren sie die Mumien. Naja, erkennen wir die Mühe an. Lieb und zuvorkommend sind sie nach wie vor.
Aber jetzt muss es leider sein. Die Küche und die Restaurants: Generell zu loben sind schon mal die Kellner: aufmerksam, schnell, und tatsächlich imstande, das Besteck in der richtigen Reihenfolge an die richtigen Stelle vor einen zu legen (da könnte ich vom Hotel Riu Palace Bavaro, trotz fetter fünf Sterne, andere Geschichten erzählen). Obwohl - einen gibt es hier, der ohne Erinnerung nicht weiß, dass zur Kaffeetasse ein Kaffeelöffel gehört, auch nicht am zweiten Tag. Und auch nicht am dritten. Danach habe ich mich woanders hin gesetzt, denn ich möchte den Löffel haben bevor der Kaffee kalt ist.
Spalten wir mal ein paar Haare. Die täglichen Speisekarten werden im Bordfernsehen und im Internet veröffentlicht, und enthalten durchschnittlich alle drei Tage mindestens einen Schreibfehler, gelegentlich auch einen sachlichen. (Kleiner Hinweis: heute ist der 7. November 2019)
Vor jedem Menue gibt es kleine frisch gebackene Brötchen, sowie Butter und einen weiteren Brotaufstrich. Welchen, steht auf der Menuekarte, also, manchmal. Manchmal auch nicht. Schlimmer: das mit den Brötchen war früher. Heute enthält der Brotkorb - wenn man es wagt, unter die abdeckende Serviette zu schauen - nur Scheiben aufgeschnittenen Weißbrots, manchmal ein vereinzeltes Laugenbrötchen, alles die Reste vom Frühstück, also ungefähr so frisch wie die meisten Gäste hier.
Werden wir mal deutlicher. Was hier auf den Tisch kommt, schmeckt wie bei Muttern, also bei meiner. Die hat auch nie irgendwas gewürzt, denn sie kannte nur Pfeffer und Salz, und an beiden hat sie gespart. Wie die aktuelle Küchenchefin hier an Bord. Ich wünschte, sie wär verliebt. Muss ja nicht in mich sein.
Ein Einschub. Als ich 2017 krank wurde, musste ich zwei Wochen ins Krankenhaus und vier Wochen auf Reha. Bis auf zwei, nicht relevante Ausnahmen, hat es mir in beiden Institutionen immer sehr gut geschmeckt, obwohl natürlich auch da salzarm gekocht wurde. Kann man ja, aber man muss es können. (die beiden Reha-Ausnahmen waren ein leicht verdorbener Fisch und ein Veggie-Gericht, das tatsächlich nur nach Apotheke geschmeckt hatte). Hier ist das mit dem Genug leider anders:
Handwerkliches Können: Natürlich hat nicht jeder, der in der Küche arbeitet, den Job auch gelernt. Aber dafür gibt es die Küchenchefin und ihre Sous-Chefs, die die Verantwortung dafür tragen, dass kein Müll die Küche verlässt, also, in Richtung Gast. Aber es geht auch anders - hier ein paar Beispiele:
Es gab Hühnerkeule mit Paprikagemüse und Spätzle. Huhn ok, Gemüse gut, die Spätzle waren Knöpfle (das meinte ich mit sachlichem Fehler, auch wenn es nur die Schwaben stört), aber sie waren total verwässert, kurz vor dem auseinander fallen, und dazu noch kalt.
Es gab - ich weiß nicht mehr was, als Beilage mit zwei überbackenen Kartoffeln. Eine davon gut, die andere völlig kalt. Wie kann das sein? Runtergefallen und später wieder aufgehoben?
Es gab gekochte Ochsenbrust, wäre eigentlich lecker gewesen, aber so zäh, dass sie weder mit Messer noch mit Zähnen zu bewältigen war. Überhaupt steht die Küchenchefin hier mit Fleisch auf Kriegsfuß, denn sowohl Huhn als auch Schwein sind immer sehr zäh und schwer zu essen, obwohl alle meine Zähne noch echt sind. Mit Fisch dagegen hat sie einen Vertrag...
Es gab Hamburger Pannfisch, das sind drei Sorten Fisch in der Pfanne gebraten, dazu Bratkartoffeln. Hätte eine 1+ werden können. Aber leider, der dazu durchaus passende Blattspinat war - wie immer - ungewürzt, dazu überwässert und so weich und "appetitlich", als hätte er schon zwei Tage lang auf dem Kompost gelegen. Wenigstens war er noch grün...
Es gab spanisches Rotweingulasch mit Gemüse auf Nudeln. Das Gericht kommt, ich probiere es, und frage mich langsam, wo die versteckte Kamera hängt: Während Fleisch und Gemüse durchaus gut essbar sind (wenn man nachwürzt), sind die Nudeln sehr, sehr al dente. Also, im Klartext, man hat sie nicht gekocht, sondern nur so lange in heißes Wasser getunkt, bis sie beim beißen nicht mehr knacken. Wie so etwas schmeckt? Nun, es gibt Erfahrungen, die muss man nicht unbedingt machen. Der Kellner fragt, ob ich einen zweiten Versuch machen möchte. Dummerweise sage ich "ja", und weiß zumindest jetzt, dass hier jede Portion genau gleich gemacht wird.
Aber jetzt wird es wirklich Zeit, auf die Roulade zurück zu kommen. Eine Rinderroulade ist ein Schmorgericht, also bestens geeignet, bei sanfter Hitze und in großen Mengen hergestellt zu werden. Und aus meiner Sicht ist es nur sehr, sehr schwer möglich, eine Roulade zu versauen. Das geht eigentlich nur absichtlich, und selbst da hätte ich keine spontane Idee. Vielleicht ganz viel Chili rein, oder mit Schafskäse füllen. Wäre nichts für mich, aber ich glaube immer noch essbar.
Ich komme also in das Restaurant, und höre auf dem Weg zu meinem Platz ein Frau, die erzählt, sie hätte gerade die kleinste Roulade ihres Lebens gegessen. Da sie selbst weit weg von klein ist, vor allem um den mittleren Ring, denke ich mir nichts dabei, und bestelle. Während ich mit der Vorspeise beschäftigt bin, höre ich vom Nebentisch einen Mann schwärmen, dass der Leberkäs mit Bratkartoffeln und Spiegelei, den es heute alternativ zur Roulade gibt, so gut gewürzt gewesen war. Der Mann hat keinerlei süddeutschen Zungenschlag, und so glaube ich ihm nicht so recht. Und dann kommt meine Roulade.
In der Gastronomie ist es heute teilweise üblich, sehr große Rouladen zuzubereiten, sie aufzuschneiden und dann in Scheiben zu servieren. Sieht gut aus und passt in die moderne Küche. Was aber da kommt, habe ich nicht erwartet:
Das Teil, was da dampfend, halbversteckt zwischen den Beilagen, auf meinem Teller liegt, hat einen Durchmesser von etwa 2 1/2cm vorne und etwas mehr hinten, ist etwa 10cm lang, nicht ganz gerade, und erinnert vermutlich die eine oder andere Frau fast zwangsläufig an etwas, dass sie selbst nicht hat. Ansonsten sieht das mehr graue als braune Teil tatsächlich aus wie eine fehlerhafte Roulade. Fehlerhaft, weil sie neben der Farbe aussieht, als hätte man sie quer statt längs aufgewickelt. Wenn es Leute gibt, die Bilder von Kirschen verkehrt herum aufhängen, gibt es sicher auch welche, die Rouladen falsch wickeln, aber egal. Vorsichtig probiere ich das runde Teil, das bei der kleinsten Berührung zusammenfällt. Ich habe schon viele Rouladen gegessen in meinem Leben, auch schon sehr zarte, für die man kein Messer brauchte, aber noch nie zuvor eine, die man löffeln müsste. Ich versuche ein ganz kleines Stück, erwarte wenig, und werde dennoch enttäuscht. Abgesehen von der bröseligen Konsistenz, schmeckt das Teil in keinster Weise nach Fleisch, sondern eher nach Tofu. Nach sehr schlecht schmeckendem Tofu, wohl gemerkt.
Als der alternative Leberkäs kommt, hatte ich dem Mann vom Nebentisch zurecht misstraut. Preuße halt. Aber hier konnte ich mit Pfeffer und Salz das schlimmste verhüten.