Sonntag, 17. November 2019

Das dicke Ende

Sonntag morgen, kalt ist es, und der Blick aus dem Fenster zeigt mir so gar nichts vertrautes. Kein Wunder, denn die Artania hat nicht - wie ursprünglich geplant - in Hamburg fest gemacht, sondern in Bremerhaven, wo sie in die Werft muss, und wo ich noch  nie war, also in Bremerhaven. Das hatte man kurz vor meiner Abfahrt bekannt gegeben und damit die flugaversen Kunden auf hoher See erwischt, besonders diejenigen, die ihr Auto in Hamburg geparkt haben. Natürlich werden in Bremerhaven genug Busse bereit stehen, um alle, die hin müssen, nach Hamburg zu transportieren, aber 180km kosten Zeit, die man lieber für den Heimweg genutzt hätte. 
Bahnreisenden wie mir hat man dann einfach das Zugticket umgetauscht, einen Busshuttle zum Bahnhof organisiert, und alles ist fein. Der erste Teil der Reise geht in einem Interregio bis Hannover und ist recht unterhaltsam, weil fast die gesamte Künstlertruppe vom Schiff mit fährt und die Stimmung entsprechend gut ist. In Hannover endet der Zug, und nach einer Stunde soll ein ICE nach Nürnberg weiter fahren. Da überall Massen von Leuten sich in die einzelnen Züge drängeln, versuche ich für meinen noch schnell, per handy einen Sitzplatz zu reservieren. Funktioniert natürlich nicht. War mir klar. Warum, war mir aber nicht klar.
Zehn Minuten vor der Zeit kommt der Zug, in dem es erstaunlich viele freie Plätze und eine sehr gut gelaunte Zugchefin gibt, die erklärt, dass es sich um einen Ersatzzug handelt, dessen Wagennummern nicht mit dem ursprünglichen überein stimmen, und sie deshalb alle Reservierungen gelöscht hat. Wäre aber nicht schlimm, denn dieser Zug hätte zwei Wagen mehr als ursprünglich geplant. Dennoch, und darauf macht sie an jedem neuen Bahnhof nachdrücklich und völlig zurecht aufmerksam, würden Taschen und Rucksäcke keinen Sitzplatz benötigen. Tatsächlich halten sich die Fahrgäste ausnahmsweise einmal daran, und Neueinsteigern werden sogar aktiv Sitzplätze angeboten.
Nach ein paar Stunden rollt der Zug in Nürnberg ein. Ich schiebe meinen Koffer durch den Mittelgang, wo ein runder etwas breiter Trolley der einer runden etwas breiten Dame um die fünfzig gehört, im Weg steht. Leider ist mein Koffer zu schwer zum drüber heben, und die Überfahrt der Nürnberger Gleisharfe zu ruckelig, um so etwas zu versuchen, und so zieht und zerrt sie ihren Koffer immer tiefer in den Fußraum ihres Sitzes, mit Mühe, rhythmisch keuchend, und als ich mich mühsam durchquetschen kann, ruft sie mir zu: "Sie haben - keuch - aber auch - keuch - 'nen Großen!"

Dem möchte ich nichts mehr hinzu fügen.

Euer
Captain Spareribs

Samstag, 16. November 2019

Das schlimmste liegt hinter uns. Das beste auch.

Unser letztes Ziel ist erreicht. Es heißt Ijmuiden und liegt in den Niederlanden. Hier ist alles ziemlich niedrig: die Häuser, die Landschaft, sogar die Wellen. Die Preise vermutlich nicht. Eine häßliche Industriestadt ist das hier. 



Man sieht den Sonntagsbesuch schon am Mittwoch und die Montagsfähre schon heute. Ein Transferbus nach Amsterdam wäre schön gewesen, gibt es auch, aber der bleibt so weit in der Peripherie stehen, dass man für den Weg ins Zentrum bei nur zwei Stunden Aufenthalt zu lange braucht als das es sich lohnt. Dennoch wurden im Tagesprogramm verschiedene Tips für Amsterdam abgedruckt. Ja, auch die, an die Ihr jetzt alle denkt. Inklusiv dem ca.-Preis für ein Gramm Hasch. Da ich keins möchte, und der Weg zum Hard Rock Cafe leider zu weit ist, mache ich heute Urlaub auf dem Schiff. Ein highlight haben sie auch da: eine Brückenbesichtigung, 



leider ohne Captain. Aber echt, auch der muss mal schlafen!





Freitag, 15. November 2019

Die Mumien ziehen sich zurück

Es erfolgt ein zeitlicher Rücksprung. Das machen wir Filmleute gerne, wenn es der Dramaturgie dient. 

Also: Es ist immer noch der 14. November, um die Mittagszeit. Das letzte Viertel der Biskaya liegt vor uns, die grobe See hat sich wider Erwarten in sehr grobe verwandelt, womit nicht gemeint ist, dass die Wellen unhöflich geworden sind. Etwas wütend fühlen sie sich aber schon an, obwohl der Sturm tatsächlich leicht nachgelassen hat. Das mittägliche Restaurant ist nicht allzu gut besucht, vielleicht, weil man bei dem Seegang den Eingang kaum trifft. Vor dem Hinsetzen sollte man ganz genau nachsehen, ob der Stuhl auch dort steht, wo man ihn gerade noch gesehen hat. Die armen Kellner bewegen sich wie Freddie Frinton gegen Ende von Dinner for one, was kein Wunder ist, da sich die Bodenneigung alle 2-4 Sekunden massiv ändert. Das Schiff schaukelt fröhlich über seine Längsachse, (das nennt man rollen), mal nach Backbord, mal nach Steuerbord, und je nachdem sieht man dann durch die riesigen Fenster des Restaurants nur Wasser oder nur Himmel. Ich sitze auf dieser Achse und bewege mich sozusagen wie im Schaukelstuhl.
Trotz der Turbulenzen gelingt es dem food-Kellner alles unfallfrei zu servieren, zum Glück auch die heiße Suppe. Der Getränke-Steward ist nur halb so glücklich. Als er mir von links den Wein nachgießt, beginnt das Schiff zu stampfen (das ist die Bewegung zwischen Bug und Heck, ähnlich wie ein Kopfnicken). Das kam unerwartet. Schnell zieht der Kellner die Weinkaraffe hoch, aber zu spät: eine perfekt gerade Tropfenspur zieht sich über die Tischdecke und endet in ein paar malerischen Flecken an der tapezierten Wand. Das gute daran ist, dass ich in diesem Jahr auf Weißwein umgestiegen bin.

Spät am Nachmittag, ich genieße gerade meinen Mittagsschlaf, raschelt es im Briefkasten: Das Tagesprogramm wird gebracht. Und wie ich erst später erfahre, hat gleichzeitig jeder Gast auch eine Urkunde bekommen für die unbeschadete Biskaya-Überquerung bei Wind und Wellen. Etwas früh vielleicht, denn genau in diesem Moment trifft eine Riesenwelle auf das Schiff, und gleich noch eine, es kommt zu wirklich kräftigen und wilden Schiffsbewegungen. Davon wache ich auf, und eigentlich wäre es Zeit für das Abendessen. Doch als ich mir den heutigen Menueplan (nicht etwa das Menue) durch den Kopf gehen lasse,  beschließe ich, dass es sich nicht lohnt, dafür die Kabine zu verlassen.
Kurz vor Mitternacht weckt mich ein riesiger englischer Hubschrauber. Da geht es wohl jemandem sehr, sehr schlecht, fürchte ich, denn eine Übergabe an den Hubschrauber per Rettungswinde ist nie einfach. Normalerweise stoppt man dazu das Schiff  und dreht es aus dem Wind. Bei dem Wetter heute würde es sich dann allerdings noch viel mehr bewegen. Deswegen fahren wir weiter mit immerhin guten 12 Knoten, und der Helipilot sowie das Rettunspersonal müssen sich halt anpassen. Aber die Engländer haben solche Sachen echt gut drauf, und nach einer halben Stunde ist der Fall erledigt. Es bleibt leider nicht bei dem einen heute Nacht.

Der nächste Morgen, 7:30, wir sind zurück im hier und jetzt. Das Meer hat sich wieder etwas eingekriegt, und so steht dem Spaziergang zum Frühstück nichts entgegen. Sogar überhaupt nichts.
Mein Weg führt mich zunächst zum vorderen Treppenhaus. Seltsam, niemand wartet vor den Aufzügen. Würde auf den zweiten Blick auch keinen Sinn machen, denn die sind alle auf Störung. Während ich auf der Treppe drei Decks tiefer steige, immer schön die Hand am Handlauf, begegnen mir weder Menschen, die beim abwärts gehen den Verkehr aufhalten, noch welche, die sich röchelnd nach oben schleppen, und schon gar keine, die irgendwo desorientiert den Treppenabsatz blockieren, also ganz anders als sonst.
Auch auf dem langen Weg vom Eingang der Showlounge, durch das Kartenspielzimmer, durch die Cassablanca Bar, vorbei an der Bordboutique, dem Kino, Harry's Bar und dem hinteren Treppenhaus begegnet mir keine einzige Mumie. Die können doch nicht alle weg sein? Es ist so still, dass man sogar das schaurig-rostig-gruselige Geräusch der emsig arbeitenden Stabilisatoren hört (ungefähr wie eine riesige Gartentür, die der Wind hin- und herbewegt), nicht im ganzen Schiff, aber doch deutlich weiter als sonst.
Dann habe ich das Restaurant erreicht, und tatsächlich gibt es hier auch ein paar Gäste. Aber viel, viel weniger als sonst. 



Im Laufe des Vormittags, inzwischen sitze ich auf meinem Lieblings-Schreibplatz in der Cassablanca-Bar, werden es mehr, und gemeinsam bekommen wir über Lautsprecher vom Captain in seinem lustigen deutsch zu hören, dass die letzte Nacht leider etliche Verletzte gefordert hat, weil der Biskayasturm gemeinsam mit dem plötzlich auftretenden irischen Nordsturm ein paar überraschend hohe Wellen produziert und auf das Schiff geworfen hatte. Leider kann man auf so etwas noch schlechter reagieren, als beim Auto fahren auf eine Oma, die dunkel bekleidet im Winter nachts plötzlich auf die Straße rennt, nämlich gar nicht. Er erklärt es mehr mit nautischen Fachausdrücken, aber ich möchte ja gerne, dass alle verstehen was gemeint ist.
Heute rennen auffällig viele schwarz gekleidete Mannschaftsmitglieder in den Treppenhäusern herum. Nein, kein Trauerfall, das sind nur die Maschinisten, die man zur Reparatur der Aufzüge geschickt hat. So ein Schiffsaufzug hat nämlich hochintelligente, sehr sensible Sicherheitseinrichtungen, die auf zu starke Schrägstellung des Schiffs und Verformung der Aufzugsschächte reagieren und dann sofort abschalten. Das haben unsere Aufzüge auch zuverlässig getan, und zwar alle. Wieder einschalten allerdings, das ist deutlich schwieriger und geht nicht von selbst, was auch so gewollt ist. (Ein Schiff besteht aus elastischem Stahl, und es verbiegt und verformt und entbiegt und entformt sich bei seiner Arbeit. Das kann bei einem Sturm auch mal Sicherheitsgrenzen überschreiten, und deswegen ist gerade Treppen steigen angesagt).
Mittags wird dann noch einmal ein Rettungshubschrauber gebraucht, der diesmal aus Frankreich kommt. Sehr motiviert eilen uns die Helfer der dortige Küstenwache zu Hilfe, um dann, als sie schon über uns hängen, fest zu stellen, dass die Rettungswinde kaputt ist. Also fliegen sie wieder heim und holen einen anderen Hubschrauber, der dann noch zwei Mumien mitnimmt. Die restlichen müssen wir jetzt aber behalten.


Donnerstag, 14. November 2019

Was für ein Seetag!

Auch heute steht im Programm wieder "Erholung auf See". Zugegeben - viele haben es nötig, denn die Seekrankheit hat um sich gegriffen. Sogar einige der Aufzüge sind unpäßlich und versagen ihren Dienst. Das Meer schüttelt das Schiff ungeniert weiter durch, aber kein Problem, die Hälfte der Biskaya haben wir schon hinter uns. Oder leider noch vor uns, ganz nach Wohlbefinden und Lebenseinstellung. Immerhin geht es den Aufzügen nach und nach besser, und der Kreuzfahrtdirektor hält seine aufmunternde Morgenansprache, in der er darauf hinweist, dass wir zwar eine ganze Reihe von Seekranken, aber zum Glück keine Verletzten haben. Die Seekranken können gerne Tee und Zwieback auf die Kabine bestellen. Allerdings sei aufgrund der hohen Nachfrage mit erheblichen Wartezeiten zu rechnen. Und dann beendet er seine Ansprache mit dem Versprecher des Tages: "wir wünschen insbesondere unseren seekranken Gästen weiterhin guten Appetit!". Stille. Gelächter von überall. Stille. Als er sich entschuldigt, hört man es auch auf der Brücke kichern, und selbst Captain Hansen muss danach zweimal ansetzen, ehe er seine morgendliche Begrüßung über die Lippen kriegt. Er erklärt, dass wir mit dem Sturmtief noch Glück hatten, weil es uns nicht voll getroffen hat. Es hätte weit schlimmer kommen können. Na danke, denke ich mir. Ja, und dem Schiff gehe es gut, und leider müsse man halt mal mit schlechtem Wetter rechnen um die Jahreszeit. Da hat er wohl Recht. Ja, und das schlimmste hätten wir schon hinter uns.

Aber manchmal, da täuscht sich sogar Captain Morten Hansen.

Mittwoch, 13. November 2019

Der Kaufrausch geht weiter

Mittwoch morgen, es ist noch dunkel. Eine weitere angenehme ruhige Nacht auf dem Atlantik geht zuende, und zwar sehr plötzlich. Das Schiff neigt sich auf einmal massiv nach Backbord, bis meine Wasserflasche laut krachend aus dem Regal fällt. Das Schiff schwingt zurück, um kurz danach meine Sekt- und Weingläser um zu werfen. Danach ist der Spuk vorbei. Sollte er auch, denn jetzt liegen wir an der Pier in Leixões, dem Seehafen von Porto, was sich leichter ausspricht, nämlich genau wie man es schreibt. Ich bringe alles zerbrechliche in Sicherheit - habe ja schon Übung damit - und mache mich fertig für die Busfahrt nach Porto. Und selbst hier, wo es nur um eine halbe Stunde Busfahrt geht, und die Busse lediglich zu zwei Drittel besetzt sind, will jeder der erste sein, und die unbeweglichsten drängeln am meisten. War wohl eine gute Entscheidung, bei dieser Reise so weit wie möglich auf organisierte Ausflüge zu verzichten...



In Porto angekommen werden wir auf einem herrlich gelegenen Parkplatz ausgesetzt, der direkt am Ufer des Rio Douro liegt. Bei herrlichem Sonnenschein mache ich mich gut gelaunt auf den kurzen und angenehmen Weg zum Hard Rock Cafe. Es ist ja nur 1 1/2km weg, das wird ein gemütlicher Spaziergang. Dachte ich zumindest, bis ich nach einer leichten Steigung abbiegen muss in eine Straße mit kräftiger Steigung. 



Ich frage das handy ob es das ernst meint, aber es beharrt auf seine Meinung, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Ich stapfe also mühevoll weiter bergauf, vorbei an schönen Häusern und malerischen Straßen, über Gehsteige, auf denen auch die Straßenbahn fährt, bis zu einem großen, leidlich ebenen Platz, dann in eine Nebenstraße, wo ich zu allem Überfluss plötzlich die Navigation verliere. Als ich versuche, sie wieder hoch zu fahren, wird direkt vor mir laut scheppernd ein eisernes Tor aufgeschlossen. Das Tor vom Hard Rock Cafe.



Heute ist nur Zeit zum Einkaufen, und darum komme ich schon nach kurzer Zeit mit drei neuen T-Shirts wieder heraus. Jetzt ist Zeit für die portugiesische Gastronomie. In einem Reiseführer über Lissabon habe ich gelesen, dass man am günstigsten frühstücken oder Kaffee trinken kann in irgendwelchen kleinen Bäckereien. Die gibt es, auch die Preise sind niedrig, aber da ich nicht sicher verstehe, was man dafür kriegt, lande ich in einem Starbucks. In Deutschland kostet der doppelte Espresso dort 2,70€, auf dem Schiff 3,70€, da wird es so schlimm nicht werden. Und vor allem erwarte ich, dass man dort englisch spricht. Tut man auch, und der hervorragende doppelte Espresso kostet ganze 1,30€. Unfassbar! Ein wenig beschwingt nach der Kaffeepause, und vor allem, weil es jetzt ordentlich abwärts geht, lande ich eine Stunde zu früh auf dem Parkplatz. Macht nichts, es gibt dort einen coolen, wenn auch etwas mülligen Biergarten, direkt an den Schienen der Oldtimer-Straßenbahn, die einem alle paar Minuten fast über die Füße fährt.



Viel zu früh für diesen wohl endgültig letzten schönen warmen Tag des Jahres geht es wieder los. An Bord wird uns eingeschärft, alle losen Gegenstände in den Kabinen zu sichern, beim gehen und stehen festen Halt zu suchen, und möglichst nur auf der windabgewandten Seite nach draußen zu gehen und immer recht vorsichtig zu sein, denn pünktlich zu dem Zeitpunkt, wo wir die Biskaya überqueren müssen, hat sich das angekündigt, was wir mit etwas Pech schon die ganze Zeit hätten haben können: anstatt dem spiegelglatten Atlantik ein kräftiges Sturmtief für die nächsten zwanzig Stunden. Es geht praktisch schon los mit der Ausfahrt aus dem Hafen zur Kaffeezeit, hält sich aber noch in Grenzen. Beim Abendessen muss man schon genau zielen, bevor man sich hinsetzt, und später, in der Bar, schwanken die Leute schon unkontrolliert bevor sie etwas getrunken haben. Wind und Wellen steigern sich allmählich. Als ich später in meine Kabine komme, steht mein Koffer mitten in der Kabine. Wahrscheinlich will er heim, ist ja seine allererste Reise, und dann gleich sowas, aber es hilft nichts. Ich sperre ihn wieder in den Schrank und sichere den mit dem Stuhl, auch wenn das bei weiterhin steigendem Wellengang auch nichts mehr nützen wird.

Die Schiffsbewegungen pendeln sich auf hohem Niveau ein, und es bleibt recht laut diese Nacht. In unregelmäßigen Abständen höre ich ein kräftiges Meeresrauschen, dann nichts, und dann einen ohrenbetäubenden Knall, wenn der Brecher gegen die Bordwand schlägt und das Schiff durchschüttelt. Dazu knarzt und quietscht es an allen Ecken und Enden, untermalt vom klirren der Gläser und Flaschen, die die Nachbarsmumien nicht als lose Gegenstände verstanden haben, weil sie dem Schiff gehören, und sie folglich nicht gesichert haben. Das tut man nämlich am besten, wenn man alle zerbrechlichen Sachen einzeln zwischen den Klamotten versteckt. Aber da das privat ist, können=dürfen die Stewards das nicht übernehmen, was viele Mitreisende nicht begreifen. Fast wäre ich dann doch eingeschlafen, bis mich ein dumpfer Knall wieder hochreißt. Eigentlich sind die Kabinen hier nicht hellhörig, aber wenn der schwergewichtige Nachbar von oben drüber vom Stuhl fällt, das hört man dann doch, und zwar deutlich.


Dienstag, 12. November 2019

Der Kaufrausch beginnt

Eurasien hat uns wieder, exakt Lissabon. Ich war schon einmal hier, und was mich irritiert ist, dass ich aus meiner Kabine praktisch die identische Aussicht habe wie letztes Mal. Und das, obwohl ich im Gegensatz zu sonst immer, diesmal an Backbord wohne (oder, einfach beschrieben, gleich hinter dem zweiten Rettungsboot links). Es ist noch früh, darum verstehe ich nur langsam: das Schiff liegt an der gleichen Stelle wie das letzte Mal, nur anders herum.(also, nicht kieloben natürlich, sondern um die Hochachse gedreht). Und die Aussicht von rechts, ziemlich weit hinten, ist, wenn man das Schiff dreht, die gleiche wie von links, ziemlich weit vorne. So, fertig verwirrt? Dann gehe ich jetzt von Bord, nehme mir ein Taxi und fahre zum Hard Rock Cafe. Ein guter Plan, denn Lissabon wurde auf sieben Hügeln erbaut, und dazwischen nicht aufgefüllt. Es ist also ein ständiges auf-und-ab hier, und mein Weg geht ausschließlich bergauf. Das Dumme ist nur, es ist kein Taxi mehr da. Da war wohl jemand schneller, entweder die Mumien, oder - mehr wahrscheinlich - der Inhalt der beiden mächtigen amerikanischen Schiffe, die hinter uns liegen, und die gemeinsam mehr als viermal so viele Passagiere tragen wie wir.



Mir graust, denn ich kenne die 2 1/2km unebene Wanderung vom letzten Mal, aber was hilft es. Öffentlich fahren traue ich mich nicht, da ich auf portugiesisch noch nicht einmal die Damen- von der Herrentoilette unterscheiden kann, und meine Sprachkenntnisse beschränken sich auf "guten Abend" und "Danke". Ach nein, seit neuestem kann ich auch noch "Guten Tag", das passt wenigstens zu diesem freundlichen Morgen mit kühler Brise vom Tejo. Notgedrungen mache ich mich also zu Fuß auf den Weg, dessen Einzelheiten ich natürlich über die letzten drei Jahre wieder vergessen habe. Aber wozu gibt es smartphones, und nach dem Motto "mit dem Navi in der Hand kommst Du durch fast jedes Land" mache ich mich in Smombie-Haltung auf den Weg, was mir nach zwei Straßenecken prompt zum Verhängnis wird, weil ich mir an einem hochstehenden Kanaldeckel ordentlich die große Zehe verbiege. Die fast zwangsläufig zu erwartende Bauchlandung, gefolgt von einer verbogenen Brille, diversen Schrammen und einem teuren Handy-Totalschaden kann ich zum Glück gerade noch vermeiden, und die Fußschmerzen halten sich nach ein paar Schritten auch wieder in Grenzen. Ich kämpfe mich also weiter aufwärts bis ich tatsächlich, kurz nach elf, also der Restaurant-Öffnungszeit im HRC, am Ziel meiner Wünsche bin. 



Da es auf dem Schiff immer so wenig zu essen gibt (nur 7x am Tag) werde ich das Mittagessen heute mal außerhalb genießen.



Das Restaurant ist nicht allzu groß, aber sage und schreibe 3 Etagen hoch (Also, der Raum, man sitzt nur ebenerdig und auf der Bühne). Durch die schummrige Beleuchtung wirkt der Raum etwas wie ein Kirchenschiff oder eine Burg, und viele der aufgehängten Souvenirs wie Gitarren und Bühnenanzüge sind auch sehr dunkel gehalten. Die Athmospäre ist insgesamt etwas mehr gothic als ich es sonst kenne, aber nicht weniger gastlich als anderswo. Hätte ich jemanden zum unterhalten, fände ich es positiv, dass die Musik hier nicht so laut ist wie in den anderen HRCs die ich so kenne. Ich habe aber niemanden, und so ist es mir egal. 



Nach dem Essen (auf dem guten Niveau von Berlin, Nr.1 für mich ist Barcelona, aber viele Vergleiche habe ich noch nicht) geht es dann endlich zum Geld ausgeben in den Shop. Mit vier T-Shirts und einer Armbanduhr humpele ich danach in Richtung Schiff. Inzwischen ist meiner Zehe eingefallen, dass sie weh tun könnte. Dafür hat das Navi vergessen, wo das Schiff liegt. Aber das ist nicht so schwer: Einfach immer bergab, und kurz bevor man ins Wasser fällt, links abbiegen. Das kriege sogar ich hin. Ist man abgebogen, sieht man dann schon die Schiffe. Könnte näher sein, aber irgendwann bin ich da. Doch Treppen steigen, wie sonst, verkneife ich mir heute. Schließlich wohne ich im 6. Stock.

Montag, 11. November 2019

Erholung auf See

So steht es im Tagesprogramm und auch auf dem Routenplan. Manchmal steht da auch "Urlaub auf See" oder "Kreuzen auf der Mosel" (ok, das steht da sicher nicht), oder das beste war der Routenplan vom 01.11.19: "Urlaub auf See", und dann, in Klammern "bis 02.11.19". Warum tun die das? Warum schreiben sie nicht einfach "Seetag"? Nun - beim Tagesprogramm könnten sie es, denn da sind die Leute bereits an Bord und haben keine weitere Wahl. Den Routenplan dagegen gibt es als Information zur Buchung schon vorher in Katalog und Internet, und da sind eine Menge Leute, die allzu viele Seetage nicht mögen. Und damit man auch von diesen möglichst viele kriegt, verschleiert man die Anzahl der Seetage ein wenig. Ich persönlich mag es gern, wenn das Schiff fährt. Auch tagsüber. Allerdings ist es dann leider immer recht voll, klar, weil alle da sind. Und bis jetzt waren auch alle Seetage und -Nächte pure Erholung mit angenehmen bis hohen Temperaturen und praktisch ohne Wellen (auch wenn wir einmal nicht tendern konnten, dafür braucht man eben gar keine Wellen). Die ruhige Wetterlage ist ungewöhnlich für diese Jahreszeit, und wir genießen sie, während wir uns weiter in Richtung Norden bewegen.



Sonntag, 10. November 2019

Der letzte Tropfen Öl

Madeira, herrliches Wetter: Sonnenschein und gute 20°C. Es ist Sonntag, und der Hafen voll. Vier Kreuzfahrtschiffe auf einmal, da muss man flexibel sein (wer die Geschichte noch nicht kennt, siehe: 2012/März/Flexibel). In dem hufeisenförmigen Hafenbecken gibt es vier Anlegeplätze, drei zum In-Schlange-Liegen wie gestern auf La Palma, und einer gegenüber, mehr oder weniger direkt an die Altstadt von Funchal grenzend. 



Man nennt diese Pier auch Ronaldo-Pier, denn ca. 50m direkt oberhalb liegt ein Pestana-Hotel, dessen Miteigentümer der berühmte Fußballer ist, und auf der Pier stehen ein neues schickes Café sowie ein kleines Fußballmuseum. Dieser Liegeplatz ist sehr gefragt, vor allem wegen der Stadtnähe, der Nähe zur Marina (ehe Fragezeichen auftauchen: dem Yachthafen) und weil er hip und modern ist. Und wer hat ihn? Wir, das Mumienschiff. Gut, die Zielgruppe für's Café sind wir nicht, aber da liegen ja noch die MeinSchiff Herz, die Ocean Queen und irgendein Schiff von Azamara Cruises (never heard before), was im Idealfall bis zu 4.000 Durstige am Café vorbei spülen könnte. Außerdem ist Sonntag, das heißt, die Insulaner haben auch frei, und heute wird es richtig voll in Funchal. Als ich dann auch noch einen der wenigen Strandkörbe an Bord erbeute, beschließe ich, erst einmal das herrliche Wetter und die schöne Aussicht zu genießen. Und da ich Funchal eigentlich schon recht gut kenne, genieße ich nachmittags zur Abwechslung die schöne Aussicht und das herrliche Wetter.



Nach dem - ausnahmsweise recht leckeren - Abendessen steht uns die abendliche Ausfahrt vor der hell und romantisch erleuchteten Stadt bevor und eine sehr erfreuliche Ansage des Captains: Die Reederei hat beschlossen, etwas umweltfreundlicher zu sein, und somit werden unsere Maschinen heute nacht mit den letzten paar kg an schmutzigem, giftigen Schweröl die letzte "echte" Insel dieser Reise verlassen und zukünftig nur noch mit Diesel fahren. Das ist doch zumindest ein Schritt in die richtige Richtung.



Samstag, 9. November 2019

Ordnung auf Palma

La Palma ist eine kleine Insel, und sie hat auch nur einen kleinen Hafen mit einem einzigen kleinen Schlepper. Und wenn dann gleich drei Kreuzfahrtschiffe kommen, muss man sie entlang der einzigen größeren Kaimauer auch ordentlich anlegen. Nur wie? Sinnvoll wäre es zum Beispiel, das Schiff, was am längsten bleibt, ganz hinten einzuparken, und das, was als erstes weg muss, ganz vorne. Das könnte Sinn machen, sähe aber vielleicht nicht so schön aus. Man könnte auch das Schiff, das zuerst kommt, ganz hinten anbinden, das zweite in der Mitte, und das letzte vorne. Das geht am leichtesten, sieht aber auch nicht so schön aus, denken die Insulaner. Und so werden die Schiffe der Größe nach angebunden: das größte, die Queen Victoria, zuerst, dann wir, dann die Ocean Queen. Alle dicht hintereinander, was ganz schön aussieht. Als es regnet, kann man sehen, dass die Kreuzfahrt-Unternehmen das mit der Ordnung auch verstanden haben, denn man kann schon von ganz weitem erkennen, zu welchem Schiff die Passagiere gehören: die von der QV haben rot-weiße Regenschirme, unsere welche in türkis, und die von der OQ haben gar keine. Wahrscheinlich ist das Schiffchen zu klein dafür.
Als wir dann losfahren wollen, scheint es, dass Ordnung nicht immer das Leben leichter macht, denn die Schiffe sind sehr eng hintereinander an der Pier vertäut. Aber alles Quatsch, moderne Schiffe haben gegenüber Autos einen Riesenvorteil: sie können Parklücken auch quer befahren und verlassen. Und so sind wir bald wieder unterwegs, um eins der schönsten Ziele unserer Reise zu besuchen: die Blumeninsel Madeira.



Freitag, 8. November 2019

Privatsphäre an Bord

Das ist ein schwieriges Thema auf einem Kreuzfahrtschiff, jedenfalls für die Mannschaft, die oft in Legehennenhaltung wohnen müssen. Wir Passagiere dagegen haben für jeden Gast oder jedes Paar eine eigene "Burg", die Sicherheit und Abgeschiedenheit verspricht, besonders wenn man das "Bitte-nicht-stören" Schild vor die Tür hängt. Und auch wenn nicht - falls der Steward oder die Stewardess tatsächlich einmal in die Kabine müssen, zum Beispiel zum putzen, Tickets übergeben oder Turn-Down, klopfen sie höflich an, und flöten "room service". Kommt keine Antwort, tun sie es noch einmal, jedoch mit mehr Nachdruck. Wenn es noch immer keine Antwort gibt, schließen sie auf und wiederholen die Prozedur bei leicht geöffneter Tür. Erst dann wird die Tür ganz geöffnet, der Job getan, und nichts wie weg. Es gab mal eine Folge von "Verrückt nach Meer" wo sie gezeigt haben, wie das trainiert wird. Und wehe, die Tür wurde auch nur einen Spalt weiter geöffnet als vorgeschrieben, dann hat man die Übung mehrmals wiederholt. Das war Fernsehen. Mein aktueller Steward klopft ab 7:30 Uhr morgens gnadenlos an und kommt fast gleichzeitig rein. Nachdem er bei dieser Gelegenheit schon zweimal den Anblick eines dicken schlafenden Manns ertragen musste, macht er es nicht mehr. Stattdessen klopft er alle 20 Minuten wieder. Es ist egal, welches Schild draußen hängt. Jetzt werdet Ihr Euch - falls Ihr noch dabei seid - vielleicht fragen, warum ich die Tür nicht von innen verriegele und die Decke über den Kopf ziehe. Tatsächlich geht das, vor allem das mit der Decke, aber der Türmechanismus ist noch vom alten Pächter (Insider) und taugt höchstens, um ausgeleierte Türen daran zu hindern, dass sie von selbst aufspringen. Ansonsten haben wir jetzt elektronische Schlösser, und gegen den dazugehörigen Generalschlüssel ist kein Kraut gewachsen. Seit ich das weiß, schließe ich das Bad immer ab wenn ich drin bin. Das funktioniert nämlich noch, und tatsächlich, neulich frühmorgens, ich denke nichts böses, bewegt sich doch die Türklinke, dicht gefolgt von einem klopfen an die Klotür und dem englischen Hinweis, wann er wieder kommt. Kein Hinweis, wer er ist und was er will. Hätte er mal "Verrückt nach Meer" angeschaut, dann wüsste er jetzt, dass man "room service" sagen muss. Aber zum fernsehen haben die armen Mitarbeiter hier leider keine Zeit.

Donnerstag, 7. November 2019

Die vielleicht kleinste Roulade der Welt

Auch wenn ich vielleicht so aussehe - naja, bestimmt sogar - ich bin kein Mensch, der bei seinen Reisen übermäßigen Wert auf das Essen legt. Ich bin kein großer Freund von Kaviar und Hummer, und Champagner mag ich gar nicht. Wenn ich die Auswahl zwischen zwei Restaurants habe mit Essen ähnlicher Qualität, wähle ich stets das mit der hübscheren Kelln..., Späßle, aber mit dem besseren Service und höheren Wohlfühlfaktor, tatsächlich. Ich mag bodenständige wie raffinierte Küche, würde aber immer eine ehrliche Currywurst mit Pommes oder auch nur ein gutes Leberkäs-Brötchen einer knoblauchgetrüffelten Riesengarneele an Tartar vom Koberind im angepflaumten Serrano-Schinkenmantel bevorzugen. Natürlich mag jeder etwas anderes gern, aber auf die einfache Formel "schmecken sollte es" kann man sich sicher einigen, egal wo die Latte hängt. Und auch, wenn sich mit steigendem Alter der Geschmackssinn (was ist das Gegenteil von verfeinern?), hat die Latte nichts im Kielraum verloren.

Als ich 2015 erstmalig mit der Artania unterwegs war, gab es am Essen absolut nichts zu meckern. Zurück gekehrt 2018, war es nicht mehr das selbe, aber in erster Linie hatte man die Auswahl etwas zurück geschraubt, und auch die Portionsgrößen. Das kann ich persönlich noch ohne Punktabzug hinnehmen. In diesem Jahr - ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, darum ein kleines Zwischenspiel:

Das Personal, wie auf allen Kreuzfahrtschiffen zumeist Philipinos, versuchte damals wie heute einem sogar die Wünsche von den Augen abzulesen, von denen man selbst noch gar nicht wusste, dass man sie hat. Da wir nur deutschsprachige Gäste haben, wurde sehr viel Wert darauf gelegt, dass das Personal ebenfalls deutsch spricht. Ein Sprachkurs ist hart, nach einem 12-Stunden-Tag, hatte aber bis 2018 dicke fette Früchte getragen, insbesonders, weil sich gute Deutschkenntnisse auf das Gehalt auswirkten, also positiv natürlich. In diesem Jahr ist das leider qualitativ zurück gegangen. Zwar sprechen alle deutsch, oder das, was sie dafür halten, aber man versteht kaum jemanden, vielleicht kopieren sie die Mumien. Naja, erkennen wir die Mühe an. Lieb und zuvorkommend sind sie nach wie vor.

Aber jetzt muss es leider sein. Die Küche und die Restaurants: Generell zu loben sind schon mal die Kellner: aufmerksam, schnell, und tatsächlich imstande, das Besteck in der richtigen Reihenfolge an die richtigen Stelle vor einen zu legen (da könnte ich vom Hotel Riu Palace Bavaro, trotz fetter fünf Sterne, andere Geschichten erzählen). Obwohl - einen gibt es hier, der ohne Erinnerung nicht weiß, dass zur Kaffeetasse ein Kaffeelöffel gehört, auch nicht am zweiten Tag. Und auch nicht am dritten. Danach habe ich mich woanders hin gesetzt, denn ich möchte den Löffel haben bevor der Kaffee kalt ist.



Spalten wir mal ein paar Haare. Die täglichen Speisekarten werden im Bordfernsehen und im Internet veröffentlicht, und enthalten durchschnittlich alle drei Tage mindestens einen Schreibfehler, gelegentlich auch einen sachlichen. (Kleiner Hinweis: heute ist der 7. November 2019)



Vor jedem Menue gibt es kleine frisch gebackene Brötchen, sowie Butter und einen weiteren Brotaufstrich. Welchen, steht auf der Menuekarte, also, manchmal. Manchmal auch nicht. Schlimmer: das mit den Brötchen war früher. Heute enthält der Brotkorb - wenn man es wagt, unter die abdeckende Serviette zu schauen - nur Scheiben aufgeschnittenen Weißbrots, manchmal ein vereinzeltes Laugenbrötchen, alles die Reste vom Frühstück, also ungefähr so frisch wie die meisten Gäste hier.

Werden wir mal deutlicher. Was hier auf den Tisch kommt, schmeckt wie bei Muttern, also bei meiner. Die hat auch nie irgendwas gewürzt, denn sie kannte nur Pfeffer und Salz, und an beiden hat sie gespart. Wie die aktuelle Küchenchefin hier an Bord. Ich wünschte, sie wär verliebt. Muss ja nicht in mich sein.

Ein Einschub. Als ich 2017 krank wurde, musste ich zwei Wochen ins Krankenhaus und vier Wochen auf Reha. Bis auf zwei, nicht relevante Ausnahmen, hat es mir in beiden Institutionen immer sehr gut geschmeckt, obwohl natürlich auch da salzarm gekocht wurde. Kann man ja, aber man muss es können. (die beiden Reha-Ausnahmen waren ein leicht verdorbener Fisch und ein Veggie-Gericht, das tatsächlich nur nach Apotheke geschmeckt hatte). Hier ist das mit dem Genug leider anders:

Handwerkliches Können: Natürlich hat nicht jeder, der in der Küche arbeitet, den Job auch gelernt. Aber dafür gibt es die Küchenchefin und ihre Sous-Chefs, die die Verantwortung dafür tragen, dass kein Müll die Küche verlässt, also, in Richtung Gast. Aber es geht auch anders - hier ein paar Beispiele:

Es gab Hühnerkeule mit Paprikagemüse und Spätzle. Huhn ok, Gemüse gut, die Spätzle waren Knöpfle (das meinte ich mit sachlichem Fehler, auch wenn es  nur die Schwaben stört), aber sie waren total verwässert, kurz vor dem auseinander fallen, und dazu noch kalt.

Es gab - ich weiß nicht mehr was, als Beilage mit zwei überbackenen Kartoffeln. Eine davon gut, die andere völlig kalt. Wie kann das sein? Runtergefallen und später wieder aufgehoben?

Es gab gekochte Ochsenbrust, wäre eigentlich lecker gewesen, aber so zäh, dass sie weder mit Messer noch mit Zähnen zu bewältigen war. Überhaupt steht die Küchenchefin hier mit Fleisch auf Kriegsfuß, denn sowohl Huhn als auch Schwein sind immer sehr zäh und schwer zu essen, obwohl alle meine Zähne noch echt sind. Mit Fisch dagegen hat sie einen Vertrag...

Es gab Hamburger Pannfisch, das sind drei Sorten Fisch in der Pfanne gebraten, dazu Bratkartoffeln. Hätte eine 1+ werden können. Aber leider, der dazu durchaus passende Blattspinat war - wie immer - ungewürzt, dazu überwässert und so weich und "appetitlich", als hätte er schon zwei Tage lang auf dem Kompost gelegen. Wenigstens war er noch grün...

Es gab spanisches Rotweingulasch mit Gemüse auf Nudeln. Das Gericht kommt, ich probiere es, und frage mich langsam, wo die versteckte Kamera hängt: Während Fleisch und Gemüse durchaus gut essbar sind (wenn man nachwürzt), sind die Nudeln sehr, sehr al dente. Also, im Klartext, man hat sie nicht gekocht, sondern nur so lange in heißes Wasser getunkt, bis sie beim beißen nicht mehr knacken. Wie so etwas schmeckt? Nun, es gibt Erfahrungen, die muss man nicht unbedingt machen. Der Kellner fragt, ob ich einen zweiten Versuch machen möchte. Dummerweise sage ich "ja", und weiß zumindest jetzt, dass hier jede Portion genau gleich gemacht wird.



Aber jetzt wird es wirklich Zeit, auf die Roulade zurück zu kommen. Eine Rinderroulade ist ein Schmorgericht, also bestens geeignet, bei sanfter Hitze und in großen Mengen hergestellt zu werden. Und aus meiner Sicht ist es nur sehr, sehr schwer möglich, eine Roulade zu versauen. Das geht eigentlich nur absichtlich, und selbst da hätte ich keine spontane Idee. Vielleicht ganz viel Chili rein, oder mit Schafskäse füllen. Wäre nichts für mich, aber ich glaube immer noch essbar.

Ich komme also in das Restaurant, und höre auf dem Weg zu meinem Platz ein Frau, die erzählt, sie hätte gerade die kleinste Roulade ihres Lebens gegessen. Da sie selbst weit weg von klein ist, vor allem um den mittleren Ring, denke ich mir nichts dabei, und bestelle. Während ich mit der Vorspeise beschäftigt bin, höre ich vom Nebentisch einen Mann schwärmen, dass der Leberkäs mit Bratkartoffeln und Spiegelei, den es heute alternativ zur Roulade gibt, so gut gewürzt gewesen war. Der Mann hat keinerlei süddeutschen Zungenschlag, und so glaube ich ihm nicht so recht. Und dann kommt meine Roulade.

In der Gastronomie ist es heute teilweise üblich, sehr große Rouladen zuzubereiten, sie aufzuschneiden und dann in Scheiben zu servieren. Sieht gut aus und passt in die moderne Küche. Was aber da kommt, habe ich nicht erwartet:

Das Teil, was da dampfend, halbversteckt zwischen den Beilagen, auf meinem Teller liegt, hat einen Durchmesser von etwa 2 1/2cm vorne und etwas mehr hinten, ist etwa 10cm lang, nicht ganz gerade, und erinnert vermutlich die eine oder andere Frau fast zwangsläufig an etwas, dass sie selbst nicht hat. Ansonsten sieht das mehr graue als braune Teil tatsächlich aus wie eine fehlerhafte Roulade. Fehlerhaft, weil sie neben der Farbe aussieht, als hätte man sie quer statt längs aufgewickelt. Wenn es Leute gibt, die Bilder von Kirschen verkehrt herum aufhängen, gibt es sicher auch welche, die Rouladen falsch wickeln, aber egal. Vorsichtig probiere ich das runde Teil, das bei der kleinsten Berührung zusammenfällt. Ich habe schon viele Rouladen gegessen in meinem Leben, auch schon sehr zarte, für die man kein Messer brauchte, aber noch nie zuvor eine, die man löffeln müsste. Ich versuche ein ganz kleines Stück, erwarte wenig, und werde dennoch enttäuscht. Abgesehen von der bröseligen Konsistenz, schmeckt das Teil in keinster Weise nach Fleisch, sondern eher nach Tofu. Nach sehr schlecht schmeckendem Tofu, wohl gemerkt.

Als der alternative Leberkäs kommt, hatte ich dem Mann vom Nebentisch zurecht misstraut. Preuße halt. Aber hier konnte ich mit Pfeffer und Salz das schlimmste verhüten.

Mittwoch, 6. November 2019

Richtung Norden, und dann immer geradeaus

Inzwischen hat wohl auch der Atlantik gemerkt, dass der Sommer vorbei ist. Er erfreut uns mit Windstärken von 4 bis 6 (das sind Wellen von 1-6m Höhe) aus Richtung Norden, wo wir hin müssen, und zwar schnell, denn der Weg nach Teneriffa ist weit. Drei Schiffsmotoren gegen den Nordwind, da tut er sich schwer, der Wind, zumal wir noch einen vierten Motor hätten. 33km/h Fahrt gegen 27km/h Wind sorgen als sogenannter "scheinbarer Wind" von 60 km/h für ein wackeliges Schiff. Nützt aber nichts, niemand braucht die blauen Tüten, die inzwischen überall hängen, denn Mumien sind recht seefest, zumindest die an Bord. Und so sind auch die Restaurants stets gut besucht, womit wir wieder beim Thema wären: was esse ich heute?

Es gibt jeden Mittag und jeden Abend ein 4-Gänge Menue. Man kann jeweils auswählen zwischen zwei Vorspeisen oder einer Vorspeise und einem Salat, je nach dem was es gibt. Als nächstes haben wir zwei Suppen, wovon eine immer eine "sogenannte" Kraftbüro ist mit wechselnden Einlagen, und die andere eine etwas dickere, meistens mit Sahne. Dann folgen drei Hauptgerichte, immer eins mit Fisch, eins mit Fleisch und eins mit Nudeln und fleisch- oder fischlastiger Sauce. Alternativ gibt es ein vegetarisches Hauptgericht, das man mit den anderen Gängen kombinieren kann. Sind alle Suppen und/oder Vorspeisen fleischhaltig, bietet man auch hier eine Alternative an. Nicht immer schlau, doch davon später. Seid Ihr noch bei mir? Gut. Kommen wir zum (an mir allerdings stets vorbei gehenden) Höhepunkt des Menues, dem Nachtisch. Wenn man Glück hat, kann man wählen zwischen zwei Kalorienbomben, eine davon mit Eis, und Käse, und Obst. Hat man kein Glück, gibt es neben dem Süßkram nur Käse oder Obst. Natürlich muss man nicht alle Gänge essen. So läuft es in den beiden Bedienrestaurants. Wem das nicht behagt, der geht in das Buffettrestaurant. Dort gibt es immer die selben Sachen, und man hat die Chance, das Hauptgericht A mit den Beilagen vom Hauptgericht B zu kombinieren (ginge übrigens in Bedienung auch, aber da gibt es häufig sprachliche Probleme). Oder man kann beide Hauptgerichte probieren (was ich auf einem anderen Schiff schon im Bedienrestaurant erlebt habe wie folgt. Gast: "Ich kann mich nicht entscheiden, welches Hauptgericht ich nehmen soll" - Kellnerin: "dann kriegen Sie halt beide!". Alles lacht. Bis zu dem Zeitpunkt, wo der Mann sein Hauptgericht aufgegessen hat, und die Kellnerin tatsächlich das zweite vor ihn hinstellt. OK, die einzelnen Gänge waren damals auf der MeinSchiff1 eher übersichtlich und leicht zu bewältigen, aber lustig war es trotzdem, besonders das Gesicht von dem Mann.

Zurück auf die Artania. Die Reise geht von Málaga bis Bremerhaven, dauert 22 Tage und der Menueplan erlaubt keine Wiederholungen. Trotzdem gibt es Tage, wo man nicht weiß was man nehmen soll, weil einem alles schon bekannt vorkommt, oder man schon ahnt, was einen erwartet. Aber es geht schlimmer:

Einige Menschen an Bord mögen nicht fliegen, haben aber Zeit und Geld, und deswegen die vorhergehende Reise gleich mit gebucht. Die ging nämlich von Bremerhaven bis Málaga, auf etwas anderer Route, nämlich Azoren statt Kapverden, und dauerte nicht ganz so lang, ich glaube siebzehn Tage. Aber: diese armen Menschen kennen jetzt nicht nur jedes Gericht persönlich, sondern auch jedes Menue, weil hier nicht variiert wird. Und die haben echt die Qual der Wahl, das haben sie mir selbst erzählt. Vielleicht ist es ja gut für die Linie, aber sicher nicht der Sinn einer klassischen Kreuzfahrt.

Heute ist Bergfest, der mittlere Galaabend. Vielleicht finden sie da etwas neues. Aber ich fürchte...





Dienstag, 5. November 2019

Die Qual der richtigen Entscheidung

Früher Morgen, und seit einer Stunde liegen wir vor der Insel Sal auf Reede. Es sollte der letzte heiße Tag eines endlos langen Sommers werden, auf einem trostlosen Eiland mit schönen Stränden. Ein Tender wird zu Wasser gelassen, dreht fröhlich hüpfend seine Runden, und kehrt dann zurück. Zwischenzeitlich haben sich schon etliche Ausflügler angesammelt, viele mit Badesachen bepackt, um die wahrscheinlich letzte Möglichkeit des Jahres zu nutzen im badewannenwarmen Atlantik zu planschen. Doch als der Kreuzfahrtdirektor mit seiner Ansage beginnt, wird allen klar - die Möglichkeit war gestern: Im Augenblick haben wir eine Dünung von ein bis eineinhalb Metern, was es zwar ermöglicht, nahezu alle interessierten Touristen vom Schiff in die Tender zu hieven, mit sehr gutem timing und etwas Sportlichkeit. Die Damen und Herren mit Gehhilfen jeder Art müssten (oder dürften?) natürlich an Bord bleiben. Danach hätten wir alle deutlich mehr Platz, denn bei während dem Tag zu erwartenden steigendem Wellengang auf bis zwei Metern und mehr müsste man die Gäste schon aus dem Tender zurück auf das Schiff werfen, und das möchte man nicht, warum auch immer... Späßle, ich bin nicht wirklich mumienfeindlich. Somit fiel die Entscheidung: summer is over, wir fahren gleich weiter, egal was die Leute auf Sal - der Insel Nr. 8 - sagen. Hätten sie einen gescheiten Hafen, wäre die Sache anders ausgegangen.

Schnell bastelt man eine vormittägliche Rentnerbelustigung, bestehend aus einem Vortrag über Versteinerungen, Gymnastik im Sitzen und einem einfachen Quiz. Dummerweise findet es dort statt, wo ich gerade schreibe (nein, nicht auf meiner Kabine, sondern in der Cassablanca-Bar). Das ganze hat übelsten Kindergarten-Charakter, und die Kindergruppe ab 75 ist recht groß. Eher unprofessionell moderiert wird die Veranstaltung von einem tunt.., na, sagen wir androgün wirkenden Nachwuchsreiseleiter mit hoher Piepsstimme. Egal, die Mumien lieben die Show, und am Schluß gibt es als Preis einen Tagescocktail. "Flying kangoroo" heißt er heute. Hoffentlich bleibt er drin bei dem weiterhin zunehmenden Seegang.

Mittags wieder so ein Entscheidungsproblem: was esse ich heute? Aber das erzähle ich Euch morgen.


Montag, 4. November 2019

Die andere Seite der Medaille

Ein neuer Tag, die 7. Insel. Sie heißt São Vicente, der hübsche Ort darauf ist Mindelo, und hier soll alles anders sein. Nicht anders ist das Land - wir sind noch immer auf den Kapverden. Anders ist, dass es hier einen Hafen gibt, und man aussteigen kann ohne akrobatische Übungen und unabhängig von Wind und Wellen. Auch die Warnung vor Taschendieben fällt heute nicht so drastisch aus wie sonst, vielleicht bin ich aber auch nur abgestumpft. Tatsächlich ist der Ort angenehmer und gepflegter als die beiden vorher. Man scheint sich viel Mühe zu geben, um den Touristen ihren Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen, aber dritte Welt ist auch hier. Dennoch: Wieviel Geld man da lässt, entscheidet man selbst. Und natürlich die unfassbaren Getränkepreise.

Sonntag, 3. November 2019

Lohn der Angst

Sonntag morgen, 7:00 Uhr. Die Ankerkette weckt mich, wenn auch nicht persönlich, denn das könnte weh tun. Da ich aber recht weit vorne wohne, gleich hinter dem zweiten Rettungsboot links, hört man das Rumpeln laut und deutlich, als sie mit ihrem Kumpel, dem Anker, nach unten verschwindet. Ein Blick aus dem Fenster zeigt mir das Dörfchen Porto Novo auf der Insel Santo Antão, dem westlichsten Punkt unserer Reise. Auf den Bau des Hafens warten wir aber noch, darum haben wir geankert und mal probeweise einen Tender los geschickt. Der hat auch angesichts des Wellengangs viel Spaß beim Fahren. Nur ein- und aussteigen wird wahrscheinlich etwas unkomfortabel werden, denke ich.

Etwas später, fast alles sitzt beim Frühstück. Der Kreuzfahrtdirektor versucht mal wieder mit Engelszungen, möglichst viele Gäste mit eingeschränkter Bewegungsfähigkeit davon abzuhalten, sich tendern zu lassen. Würden die Gäste darauf hören, kämen wir locker mit einem einzigen Tenderboot aus, eigentlich mit einem halben. Oder anders ausgedrückt, alle könnten vernünftig sitze. Es ist nämlich so: in einem Tenderboot haben wir vier Sitzreihen, nämlich jeweils zwei entlang den Bordwänden mit Blickrichtung zur Mitte (wie ganz früher, in den alten Straßenbahnen), und eine doppelte in der Mitte, mit Blickrichtung nach außen. Und diese mittleren Bänke sind gleichzeitig Schränke für Notvorräte, weil die Tender ja auch als Rettungsboote arbeiten würden, wenn sie müssten. So weit, so gut, aber diese Schrank-Bänke sind etwas hoch geraten, so hoch, dass kaum jemand unter 1,90m die Füße auf den Boden kriegt. Man sitzt also mit baumelnden Beinen da und hat nichts zum fest halten als den Sitznachbarn, den man bei heftigen Bootsbewegungen gleich mit von der Bank zieht. Und den nächsten. Und den nächsten. Aber ich schweife ab. Beherzt, mit viel Schwung und gutem timing werden die Mumien so sanft wie möglich vom schiffseigenen Anleger in den Tender geschoben, wenn der Eingang gerade mal wieder vorbei kommt, beim nächsten Mal die Gehhilfe, und beim dritten Mal der häufig auch schon etwas brüchige Begleiter. Dann neigt sich der Tender, schüttelt seine Passagiere von rechts nach links, und weiter geht es. Während diesem Vorgang klopft der Tender immer wieder höflich an der Bordwand der Artania an, was einen schauerlichen tiefen Glockenton erzeugt, gelegentlich untermalt von den spitzen Schreien der mitschaukelnden alten Damen. Aber dann fährt das Bötchen los und hoppelt fröhlich nach Porto Novo. Warum auch immer, denn heute ist Sonntag, und nichts hat auf, außer der Kirche. Die eher sehr armen Einwohner der Kapverden haben allgemein nämlich noch nicht verstanden, dass: Kreuzfahrtschiff kommt = möglicherweise mehr Geld in der Tasche bedeutet. Wenn ich aber nichts verkaufe, dann gibt es kein Geld, und frustrierte Touristen, die daraufhin nicht mehr so gerne vorbei kommen, und das auch weiter erzählen. Als alle wieder zurück wollen, hat der Wind aufgefrischt, was höhere Wellen zur Folge hat. Aussteigen geht gerade nicht, und der eine oder andere Tender muss auf halbem Weg umdrehen, die Fahrgäste vorübergehend auf der Insel parken und abwarten.

Schließlich, mit fast zwei Stunden Verspätung, sind alle wieder wohlbehalten an Bord, auch wenn der eine oder andere sich nicht gerade auf das nächste tendern freut.

Samstag, 2. November 2019

Tiefer Süden

Zweieinhalb Tage waren wir unterwegs gewesen, auf dem ungewohnt spiegelglatten Atlantik; Richtung Süden, und dann immer geradeaus. Hatte sich Gran Canaria noch mit angenehm trockenen, spätsommerlichen 23°C und einer ganz sanften Brise verabschiedet, erwarten uns die Kapverdischen Inseln mit heftigen 30°C, Tendenz steigend, und brutalen 75-80% Luftfeuchtigkeit. Das ist fast schon wie duschen. Wir besuchen heute das Örtchen Praia. Es liegt auf der Insel Santiago (der 5. unserer Reise) und ist der südlichste Punkt, den wir diesmal ansteuern. Fast so südlich wie Dakar im Senegal, und ähnlich exotisch. Von weitem vielleicht noch malerisch, aus der Nähe eher schmutzig und ärmlich. Gefährlich soll es auch sein, denn die Leute hier sind so arm wie flink, und Mumien haben zwar meist Geld, können aber in der Regel nicht rennen. Und hören auch nicht, denn obwohl die Benutzung dringend angeraten wird, sparen sich viele Leute die 5€ für den Bus vom Schiff, bis hin zum Hauptplatz, wo es zwar auch nicht sehr schön, aber deutlich belebter ist, und die Einheimischen sich das Geld der Touristen auf legale Weise holen. Lieber irren sie zwischen den Containern herum, bleiben mit dem Fuß in irgendeiner Schiene stecken, fallen in ein Loch (was beides zum Glück nicht passiert ist), oder werden Geld und Wertsachen los (was leider schon nach einer Stunde passiert ist.) Auch wenn es nur ein alter Geldbeutel war mit 80€, dafür hätte man viel Bus fahren können. Mumien halt. Wenigstens ging für den alten Herrn alles gewaltlos ab, von dem Riesenanschiss durch seine Frau hinterher (er war ohne sie unterwegs gewesen) mal abgesehen. Vielleicht hätte sie den Räuber sogar in die Flucht geschlagen...


Abends gibt es ein ganz anständiges spanisches Menü. Wir haben vier spanische Inseln auf dem Programm. Santiago und die anderen Kapverden zählen nicht dazu, denn sie sind unabhängig. Früher waren sie portugiesisch, und ihre Küche ist afro-portugiesisch, was sehr lecker klingt. Wie es schmeckt, wissen wir noch nicht. Vielleicht hebt sich das die Küchenchefin bis Holland auf, und das portugiesische gibt es auf Teneriffa. Oder auch gar nicht. Unsere Küchenchefin, die versteht keiner. Meistens schmeckt es bei ihr wie bei Muttern (die hatte auch immer vergessen zu würzen), aber bestimmt ist sie noch steigerungsfähig. Ich weiß nur noch nicht, in welcher Richtung.

Und das Schiff zieht weiter.

Freitag, 1. November 2019

Wellness-Tag?

Wann immer sich die Gelegenheit ergibt, lasse ich mich massieren. Ich liebe es nämlich, wenn man mir weh tut (Späßle). Den Termin (eigentlich sind es mehrere) habe ich schon von zuhause aus gebucht, und während ich noch ein paar Minuten warten muss, freue ich mich schon angesichts der vielen sympathisch aussehenden Masseurinnen, die hier herum laufen, auf meine Ganzkörpermassage. Nach kurzer Zeit werde ich auch schon aufgerufen, betrete den angegebenen Behandlungsraum, wo mich, sympathisch, klein, braun, aber scheiße - ein Mann erwartet! Er heißt Ravi, ist Inder, und spricht zu allem Überfluss genauso deutsch, wie mein Ex-Chef, wenn er einen Inder nachmacht. Da hat sich immer alles vor Lachen gebogen. Allerdings beschränkt sich Ravis deutsch auf einige wenige Kernsätze, und ich habe den Verdacht, mit seinem Englisch ist auch nicht viel mehr los.

"Bitte au'iehn, ich wa'te d'außen" weist er mich an. Das war schon die Hälfte von seinem deutsch. Im Laufe der nächsten 50 Minuten zieht er mir Arme und Beine lang, rollt über meine Schultern, lockert Waden und Schenkel, versucht meine Zehen und Finger auszureißen, kocht meine Füße mit heißen Handtüchern, packt mich in Badetücher, macht alles noch einmal, und beendet seine Bemühungen mit den Worten "Bitte an'iehn, ich wa'te d'außen". Nachdem er die zweite Hälfte von seinem deutsch abgesondert hat, ist er weg. Ach nein, er kann noch "Alle' O'dnung, Si'?", aber ich glaube, er versteht die Antwort nicht, jedenfalls dann, wenn sie kräftig von "ja" abweicht. Wenigstens hat er vorher noch die Masagebank in die tiefste Position gebracht, so daß es nicht allzu weh tut, falls ich runter falle.

Donnerstag, 31. Oktober 2019

Halloween auf dem Schiff

Enttäuscht wurde ich heute von der nicht vorhandenen Mitteilsamkeit meiner größtenteils recht drögen Mitreisenden. Vielleicht sind sie auch nur müde von den letzten beiden Sonnentagen, oder überfordert, weil sie sich heute beim Mittagessen zwischen vier statt drei Restaurants entscheiden müssen, und spät abends, zum late night snack um 22:00 Uhr nochmals zwischen zwei verschiedenen Möglichkeiten, denn heute haben wir Halloween, dazu Seetag, das ist nicht jedem geheuer. Jedenfalls hocken sie überall herum, die Mumien, sind aber unfassbar still, selbst die weiblichen. Vereinzelt hat das Schiff auch schon den einen oder anderen Mitreisenden in den Schlaf geschaukelt. Und ehe Euch das jetzt auch passiert, schneiden wir nochmal zurück auf das gestrige Frühstück.

Zurück zur "Lehrerin". Es ist nur eine Vermutung, weil ausgebildete Sängerinnen nicht rülpsen müssen. Ihre Äußerungen hingegen lassen entweder auf sehr weltfremde Unterrichtsfächer schließen wie altgriechisch oder Panflöte, oder sie ist doch Sängerin, eine Sopranistin mit porösem Luftmananagement. Sopranistinnen haben - intellektuell gesehen - den gleichen Ruf wie z.B. Primaballerinen im Ballett (jetzt musste ich den sehr seltenen Plural glatt nachprüfen, denn ich möchte mich nicht auf das RTL-II/VOX-Niveau begeben, wo heutzutage ernsthaft von Globussen erzählt wird und davon, dass Zigaretten und co. "Rauchwaren" seien). Welchen Ruf eigentlich? Ach ja, den der klassischen Blondine (was vor etlichen Jahren mal eine damals noch sehr junge, aber schon sehr prominente Starsopranistin in aller Öffentlichkeit erzählt hat, Sandra Schwarzhaupt war es, auf die Frage, wie weit sie mit dem Führerschein wäre).

Zurück zum Thema und unserem alten Ehepaar:

"Schau mal, auf dem Schiff steht Royal" (was sie hinten betont). Es steht - neben dem Schiffsnamen - auch nicht nur "Royal" darauf, sondern - gut lesbar - der ganze Reedereiname "Royal Caribic". Das sind die, die auch die ganz ganz großen Schiffe haben wie die "Allure of the seas", und deswegen schon fast zur Allgemeinbildung gehören.

"Ob das aus England kommt" fährt sie fort.

"USA!" ist die ausführliche Antwort.

Aus einer völlig anderen Richtung hört man eine leise, schüchterne Schiffssirene. Einmal nur.

"Jetzt fährt sie los" begeistert sich die Dame.

"Nein" sagt er. Macht sie natürlich nicht. Warum auch, sie ist ja gerade erst angekommen. Außerdem hupen Kreuzfahrtschiffe in der Regel dreimal, wenn sie los fahren, und die anderen antworten entsprechend, was zu einer richtigen Lärmbelästigung führen kann und mittlerweile in Civitavecchia (ausgerechnet Italien) verboten ist.

Man hört das internationale, auch jedem Kreuzfahrtgast bekannte, Notsignal: 7x kurz, 1x lang.

"Aber jetzt fährt sie los" meint die Dame

"Nein, das ist Probealarm!"

"Für's auslaufen?"

Die Antwort kriege ich leider nicht mehr mit, denn während sich ein kleines, verrostetes Schiff - das, was zuerst gehupt hatte - vorsichtig davon macht, erklärt der Kreuzfahrtdirektor über Lautsprecher den Rest des Tages. 

Zurück im Hier und Jetzt: Gruseliger wurde es nicht mehr, trotz Halloween. Wie denn auch.




Mittwoch, 30. Oktober 2019

Urlaub auf dem Schiff

Gran Canaria, warme Sonne, die Frisur hält. Das sollte sie auch, denn innerhalb des Schiffes ist es windstill. Außerhalb auch, und schon morgens haben wir Flaute mit 25°C im Schatten. Bei Euch soll es ja bereits Nachtfröste geben...

Es ist ein herrlicher Platz für ein langes, gemütliches Frühstück auf der Terrasse der Kantine (=Buffetrestaurant) auf Deck 8. Während sonst hier während der gesamten Essenszeit ein hauen und stechen um Sitzplätze und Lebensmittel (vor allem das letztere ist unverständlich) herrscht, natürlich in Zeitlupe, aber umso verbitterter, hat man heute freie Auswahl an Plätzen und freie Aussicht auf den Hafen, wo bereits die "Explorer of the Seas" liegt (das ist keine von den ganz, ganz großen, "nur" 3.500 Passagiere), und sich hinter uns die "Saga Sapphire" anschleicht, eher eine Nußschale für 700 Passagiere. Und da es recht leise ist überall, bekomme ich (leider) wieder einmal mit, was die greisen Tischnachbarn so von sich geben. Das Paar am nächsten Tisch besteht aus einer ziemlich aufgetakelten großen schlanken Dame jenseits der siebzig, über die ich zumindest positiv vermerken möchte, dass sie nicht den Standard-Herrenhaarschnitt von 80% der Damen hier trägt, und auch nicht die ebenfalls recht populäre 50er-Jahre Beton-Dauerwelle, sondern eher eine flotte, poppige, silbergraue Langhaarfrisur à la Miss Piggy, was aber gut zu ihren Glitzerohringen und ihrem Benehmen passt. Der sehr dünne Mann dazu ist geschätzte 2,10m groß, hält sich aber krankheitsbedingt sehr krumm. Ansonsten scheint er ganz in Ordnung zu sein, er holt sich trotz seiner Behinderung den Tee selbst, ganz übermütig ohne Stock, und wenn er mal was sagt, ist das meist auf den Punkt. Wahrscheinlich sogar immer, aber er sitzt mit dem Rücken zu mir, und im Gegensatz zu seiner Frau spricht er leise. Die Frau dagegen spricht nicht nur laut und deutlich. Wann immer der Mann gerade weg ist, beginnt sie zu singen oder pfeifen, und das klingt nach ausgebildeter und geübter Stimme. Ich sinniere vor mich hin, ob sie in ihrem Berufsleben Lehrerin oder Sängerin war, da gibt sie die Antwort selbst. Ihr entschlüpft ein Bäuerchen, naja, ein Landwirt, also, um ehrlich zu sein, ein massiver Gutsherr, und er wird nicht allein bleiben an diesem Morgen. Also Lehrerin. Einen ganz kleinen Moment lang wachsen mir Teufelshörnchen, und ich spiele mit dem Gedanken, sie erröten zu lassen, indem ich sie anlächele und "prost" sage (ihr Mann ist nämlich gerade Tee holen). Aber im letzten Moment entscheide ich mich dafür, es nicht zu tun und unauffällig zu bleiben, denn vielleicht liefert sie mir in den nächsten Tagen noch mehr Stoff. Und ich sollte nicht enttäuscht werden.





Dienstag, 29. Oktober 2019

Das Lanzarote-Murmeltier

Unter all den Inseln, die ich bei meinen vielen Reisen schon besucht habe, gehört Lanzarote für mich zu den top five. Und das, obwohl es hier stellenweise aussieht wie auf dem Mars, oder vielleicht gerade deswegen. Ich hatte hier schon zweimal sehr schön Urlaub gemacht, und war einmal mit dem Schiff da gewesen. Für den Aufenthalt damals hatte ich einen ganz speziellen Landausflug gebucht: ich wollte zum ersten Mal im Leben eine Fahrt mit einem U-Boot machen (ist nicht wirklich ein Landausflug, ich weiß). Doch ausgerechnet an diesem Tag musste das U-Boot - wie man mir am Vorabend, also absolut rechtzeitig, mitteilte - repariert werden, so dass die Fahrt leider ausfiel, und ich mich auf einen kurzen Spaziergang in Arrecife, der Hauptstadt, beschränken musste.

Sieben Jahre später. Wie U-Boot fahren geht, weiss ich inzwischen. Dennoch steuert das Schiff unbeirrt Lanzarote an, und ich habe auch wieder einen Ausflug gebucht: Nordlanzarote, mit Besuch der Fundacíon César Manrique. CM ist der Mann, der weit über seinen Tod hinaus als Künstler, Politiker und Architekt bis heute einen riesigen Einfluss darauf hat, dass Lanzarote möglichst im Naturzustand blieb, und es unter anderem auch keine hohen Gebäude gibt. Die Fundacíon war sein Wohnhaus und Atelier, das er in eine große Lavablase einbauen ließ, mit Pool, Grillplatz und allem drum und dran. Ich war zwar schon einmal dort gewesen, aber das ist ein so toller verwunschener Platz, den könnte man auch ein zweites Mal besuchen. Könnte. Aber: ausgerechnet heute wäre Manrique 100 Jahre alt geworden, und aus diesem Anlaß hat die Fundacíon heute geschlossen. Stattdessen fährt man zu den weltweit einmaligen kleinen weißen Höhlenkrebsen von Jameos del Agua.

Da ich die kleinen Krebse alle noch persönlich kenne, beschränke ich mich stattdessen auf einen sehr kurzen aber ziemlich heißen Spaziergang in Arrecife, der Hauptstadt.



Heimkehr

Heute geht es nach langer, langer Zeit wieder nachhause. Hoffe ich, denn seit dem letzten Wochenende fällt überall in Deutschland Schnee, je...