Mittwoch, 14. November 2018

Heimkehr

Unsere Reise begann mit einem gesperrten Hafen. Warum soll es am Ende anders sein? Nachdem der Captain schon die halbe Nacht auf seinem - nein, es gehört ja dem Schiff - also, auf dem Nebelhorn geübt hat (1x pro Minute "tuuut"), bin auch ich wach. Da die Reise mit einer spektakulären Einfahrt nach Venedig enden soll, suche ich mir beizeiten einen ruhigen Platz. Das ist gar nicht so einfach, denn seit 9:00 Uhr hat niemand mehr eine Kabine, was bedeutet, dass überall auf dem Schiff heimatlose alte Menschen herumsitzen. Ich finde einen Platz auf Deck 8 (genau den selben wie gestern) und genieße die Einfahrt in den Hafen, vorbei am Markusplatz und all den schönen Ansichten von Venedig. 


Da der Nebel sich dann doch noch rechtzeitig verzogen hatte, haben wir nur eine Viertelstunde Verzug, und alle Verbindungen sind pünktlich. Aber ich frage mich trotzdem, warum eine Netto-Reisezeit von einer knappen Stunde ab Schiff bis Haustür glatte sieben Stunden dauern muss? Die Lufthansa sollte doch mal eine Direktverbindung zwischen Nürnberg und Venedig einrichten!

Egal wie lange - ich bin wieder zuhause. Ich hoffe, es hat Euch gefallen, mit mir auf große Fahrt zu gehen, und Ihr tut es im Mai 2019 wieder.

Euer

Captain Spareribs


Dienstag, 13. November 2018

Verruckt nach Meer

Wir haben unseren letzten Hafen erreicht, Zadar in Kroatien. Auf den ersten Blick wie gestern: Bekleckerte Pier, moderne Promenade, alte Gebäude. Davor allerdings ein größeres Industriegebiet, dass einem Fußmarsch in die Stadt den Spaß nimmt. Und das, obwohl das Wetter immer noch sehr gut ist, sonnig und warm, auch wenn viele Rentner in Pullover und Daunenjacke herumlaufen. Schwitzend. Aber das ist nur ein kleiner Teil der schrägen Menschen und Dinge, die ich in den letzten Tagen gesehen, erlebt oder erzählt bekommen habe.

Da wäre der alte Mann, der mir mädchenhaft erzählt, dass es in der Tante-Emma-Boutique gerade Rabatt auf Polohemden gibt. Außerdem hätte er in seinem Leben schon 25.000 Schiffe fotografiert (mit nur einer Hand, die andere fehlt ihm nämlich), und dann hat er die Jungfernfahrt für das neue Phoenix-Schiff . die Amera, gebucht, egal wohin, und, und, und - ja und gestern hätte ihn so eine alte vertrocknete Finanzbeamtin aus Berlin vollgenölt, dass es in Berlin so schrecklich ist, dass es ihr dort gar nicht gut geht, etc. Die kenne ich. Am Vorabend hatte sie mir aus sicherer Entfernung über eine Stunde lang zugesehen, wie ich mich sehr gut mit ein paar Leuten aus dem Ruhrgebiet unterhalte. Sobald die weg waren, hatte sie sich auf den Weg zu mir gemacht, so gerade es noch ging. Gemeinsam mit ihrem 34. Glas Rotwein, so deutlich wie sie gesprochen hat. "Na, sind Sie immer noch allein?" lallt sie mich an. "Seit ca. 30 Sekunden" antworte ich wahrheitsgemäß. Sie quält sich auf den freien Barhocker neben mir (fast alle Hocker sind frei) und ich bin zum erstenmal im Leben froh, das mein Glas schon fast leer ist.Was sie mir während dem letzten Schluck alles erzählt hat weiß ich nicht, ihre Zunge ist einfach schon zu schwer.

Einer der Ruhrgebietler von vor der Berlinerin hatte dagegen in klarer Sprache eine schöne Geschichte aus seinem Berufsleben präsentiert: In den achtziger Jahren, er war als Justizangestellter am Gericht tätig, hatte er einmal eine Vernehmung durchzuführen, unterstützt von einer jungen Auszubildenden. Es ging dabei um einen Punk-Musiker, der nach seinem Konzert in ein Schwimmbad eingedrungen war und deswegen eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch erhalten hatte. Sollte jemandem von Euch dieser Fall an irgendetwas erinnern, macht es die Geschichte nur spannender. Der Punkmusiker mit Namen Frege, Andreas, erschien pünktlich und war freundlich und kooperativ. Auf die abschließende Frage des Justizmenschen, in welcher Band er denn spiele, bekam er zur Antwort, dass der Bandname etwas mit leblosen Kleidungsstücken zu tun hat. Man verabschiedet sich höflich, der Musiker geht, und viele von Euch ahnen vielleicht was jetzt kommt: Die Justizauszubildende, mit hochrotem Kopf, einer Ohnmacht nahe, stammelt mit letzter Kraft "Mensch, das war doch der Campino von den Toten Hosen!". Unter diesem Namen hätte ihn sogar unser Gerichtsbeauftragter sofort erkannt.

Anderes Thema. Ich hatte Euch ja schon von den "Spice Grannies" erzählt, die mittlerweile Tagesgespräch auf dem Schiff sind, in deren Nähe niemand sitzen will, weil sie so extrem laut zum einen und so extrem einfach gestrickt zum anderen sind. Wie man inzwischen hört, waren sie an Bord gekommen, weil sie die nächsten Staffellieblinge bei "Verrückt nach Meer" werden wollten. Um einen Pasagier bei dieser Serie spielen zu dürfen, sind folgende Eigenschaften gefragt: übergewichtig, tätowiert, irgendwie schräg, gerne sehr häßlich,  einfach gestrickt, möglicherweise mit einer rührseligen Geschichte im Zusammenhang mit einem der angesteuerten Ziele behaftet. Die vier hätten bestimmt dazu gepasst. Aber die Produktion wollte sie nicht. Gar nicht. Trotz mehrerer Vorstöße ihrerseits: absolut nicht. Warum wohl?

Im Augenblick sitzen sie beim Frühstück auf Deck 8, ziehmlich weit von mir entfernt, und übertönen problemlos den Lärm der Baumaschinen im Hafen, direkt unter uns. Ein Deck tiefer geht es besser, und ich muss doch mal lästern, auch wenn es frauenfeindlich klingt:

Am Heck, auf Deck 4, gibt es eine schöne Außenbar, mit gemütlichen Sesseln, einer kleinen normalen Theke, und einer halbrunden Theke, die sich über die Reling des halbrunden Hecks zieht, und von der aus man einen herrlichen Blick aus dem Schiff heraus hat. Davor stehen viele runde Barhocker, und alle sind frei. Der Blick ist von allen Barhockern aus ebenfalls mehr oder weniger gleich. Eine junge Frau ist hier unterwegs, mehr noch ein Mädchen, dünn, Typ brotlose Studentin mit dicker Brille. Die Art, wie sie ihre Tasche umklammert hält, lässt sie als weniger offenen Menschen erscheinen. Sie visiert nun die Theke am Heck an, läuft nach rechts, läuft nach links, läuft nach rechts, läuft nach links - noch immer sind alle Barhocker frei - läuft nach rechts, läuft bis halblinks, bleibt stehen, zögert, gibt sich einen Ruck und besteigt zielstrebig den einzigen Platz, wo auf der Theke ein Aschenbecker steht. Den einzigen. Woraufhin sie den Aschenbecher wütend auf die Seite schiebt. Kein Kommentar.


Ich hätte noch Dutzende Geschichten, aber allmählich sollte ich die Überschrift erklären. Ich bin auf der Suche nach einem ruhigen Plätzchen zum schreiben. Die Kabine ist noch nicht fertig, die Cassablanca-Bar menschenleer (was gut ist), aber es wird doofe Musik gespielt, was schlecht ist, also fahre ich nach Deck 8, zur Kopernikus-Bar im Freien, weil es da Tische gibt und meistens Ruhe herrscht. Meistens. Heute stehen vor der Backbord-Tür die Sous-Chefs, das sind die Köche mit den hohen Mützen. Ich gehe durch die Steuerbord-Tür, finde einen freien Tisch und wundere mich schon, dass keiner nach meinen Wünschen fragt. Ich sehe mich um, und finde auf dem großen, runden Podest in der Mitte des Decks nicht nur die Sous-Chefs, sondern auch die Reiseleiter, die Offiziere, sämtliche Kellner und Barkeeper, die normalen Köche, von denen viele eine Buchstabentafel bei sich haben - was steht da? - REVCKÜT CAHN REMER - klingt türkisch, inzwischen ist auch ein Fernsehteam eingetroffen, dazu die Offiziere und ein paar Maschinisten, ich kann die Schilder kaum noch sehen - ERCÜVKT HACN ERREM - oder so ähnlich. Es ist ein Riesentohuwabohu auf dem Deck, keine Ruhe zum schreiben, aber interessant - das Deck bebt, alle 64 Köche treten an, in fast schon militärischer Formation, dazu zwei Dutzend Küchenhilfen. Als auch noch Captain Morten Hansen mit einem Megaphon erscheint, ordnet sich das Chaos, denn irgendwie hören sie alle auf den Befehlston des - nein, des Küchenchefs - wer hätte das gedacht. Die Jungs mit den Buchstaben haben sich sortiert und halten sie in der richtigen Reihenfolge hoch, die Mädchen und die Jungs vom Housekeeping stehen inzwischen winkend eine Etage höher, der Fernsehregisseur ist zufrieden, und jetzt wird die mühevoll arrangierte Szene gefühlte zehnmal aufgezeichnet: Der Captain ruft in sein Megaphon: "Verruckt nach Meer!" und etwa 300 Kehlen brüllen zurück: "VERRRUCKT NACH MEER!"

Crazy!

Montag, 12. November 2018

Das letzte Land

Ein neuer Tag, die Sonne scheint, das Schiff liegt im Hafen und die Leine hält. Wir sind in Split, das liegt in Kroatien und ist das letzte Land, also, auf dieser Reise. Obwohl zurück in der EU, sieht es hier ziehmlich beschissen aus. Das liegt aber nur an den hartnäckigen Hinterlassenschaften der zahlreichen riesigen Möwen, die es sich hier gut gehen lassen. Wenn man in die Stadt geht, wird es langsam besser. An einen modernen Fährhafen und verschiedene knallbunte Verkaufsstände - auch für diverse Dienstleistungen - schließt sich eine schöne großzügige Strandpromenade an, mit modernen Gebäuden, Cafés, Läden, Palmen und unfassbar vielen Sitzbänken. 



Wagt man sich, weg vom Meer, hinter die erste Gebäudereihe vor, wird man belohnt mit dem Anblick von engen Gäßchen, kleinen Plätzen, hübschen kleinen Läden, ähnlich wie in Kotor, nur ohne Katzen. Klar, die wohnen ja alle in Montenegro. Was aber hier auffällt: alles ist sehr, sehr teuer. Und wie seltsam sie das €-Zeichen schreiben! Sieht fast aus wie ein K. Ist es auch, und steht für die Landeswährung Kuna. Ich hatte es nicht gewusst vor heute morgen, als ich die Länderinfo gelesen habe, die man täglich in den Briefkasten bekommt. Kroatische Preise teilt man durch sieben, dann hat man den Eurowert. Natürlich nehmen sie den Euro an, zum korrekten Wechselkurs. Und mit etwas Glück bekommt man auch das Wechselgeld in Euro. Plötzlich ist das Preisniveau in etwa wie in Montenegro, also geringfügig günstiger als in Deutschland.

Sonntag, 11. November 2018

Stadt der Katzen

Mit dem heutigen Tag lassen wir Griechenland, sowie sämtliche Inseln dieser Reise, als auch vorrübergehend die EU hinter uns und besuchen das schöne Montenegro. Heute sind wir in den größten, schönsten (und einzigen) Fjord des Mittelmeers eingefahren und liegen nun am Ende der Bucht von Kotor an der einzigen großen Pier des dazugehörigen Hafens, direkt vor dem Tor zur Altstadt.

Montenegro ist, wie ihr sicher wisst, früher ein Teil Jugoslawiens gewesen, und hat seit seiner Unabhängigkeit ein besonders spezielles Verhältnis zu Deutschland: gesetzliches Zahlungsmittel ist, oder vielmehr war die DM. Und als die durch den Euro ersetzt wurde, hat man das in Montenegro auch gemacht. EU-Mitglied ist man noch nicht, und dünn besiedelt auch: mit 600.000 Einwohnern im ganzen Land sind es nicht viel mehr als in Nürnberg.

Wir liegen also an der einzigen Pier, worauf der Kreuzfahrtdirektor besonders stolz hinweist. Das läge daran, dass man die Anlegestellen immer schon zwei Jahre im voraus bucht.

Rückblick: drei Jahre zuvor, gleiche Stelle, gleiches Schiff. Obwohl im Programm "anlegen" steht, liegen wir auf Reede und werden ausgebootet. An der Pier ist nämlich schon einer. Mein Theorie: das Schiff, das zuerst ankommt kriegt die Pier. Die Bucht ist nämlich so eng, dass man an einem Schiff, das davor auf Reede liegt, nicht vorbei kommt. So weit meine Theorie.


Zurück zur Praxis: ich habe heute einen geführten Spaziergang durch die Altststadt von Kotor gebucht und freue mich schon drauf. Leider nicht nur ich. Vor dem meeresseitigem Stadttor trifft unsere 22-köpfige Turi-Herde auf die einheimische Reiseleiterin. In hervorragendem deutsch gibt sie über mehrere Minuten einführende Informationen über Montenegro im allgemeinen und Kotor im besonderen. Nehme ich jedenfalls an, denn gegen den Verkehrslärm auf der einen und eine lautstark diskutierende Männergruppe auf der anderen Seite kann sie sich stimmlich nicht durchsetzen. Da hätte schon die am Donnerstag erwähnte Tessa Schwierigkeiten.

Wir durchqueren das Stadttor, und der Lärm ist weg. Ungehindert dringen die Schrittgeräusche unserer Touristenherde ans Ohr, unterstützt vom gelegentlichen Klicken der einen oder anderen Gehhilfe. An einem hübschen kleinen Platz mit einer schmalen Sandsteinkirche, auf deren Treppenstufen sich mehrere junge Katzen räkeln, bleiben wir stehen. Die Reiseleiterin lüftet nun das Geheimnis um den Namen dieser schönen Stadt: Kotor wurde im Frühmittelalter gegründet, von deutschen Einwanderern. Zu der Zeit gab es hier schon eine ältere tartarische Ansiedlung, in der sich, so wie auch heute noch, auffällig viele Katzen tummelten. Da die meisten dieser Katzen männlich waren, und die Einwanderer wenig religiösen Bezug hatten, benannten sie ihre neue Heimat nicht nach einem Heiligen, sondern nach dem altmittelhochdeutschen Wort für "Kater". Und das hieß "Kotor".

Mich hat diese ungewöhnliche Geschichte völlig gefesselt, denn das hatte ich nicht erwartet. Aber zugegeben - sie ist völliger Blödsinn. Ich weiß auch nicht, ob die Reiseleiterin wirklich über den Namen der Stadt gesprochen hat, denn gleichzeitig mit ihr haben die Kirchenglocken losgelegt. Ich verliere die Lust, trenne mich von der Gruppe und mache meinen eigenen Spaziergang. Es ist unfassbar schön hier, klein, verwinkelt, an jeder Ecke laden kleine Bars und Restaurans ein (kein Schreibfehler, hierzulande lässt man das zweite "t" weg), es gibt kleine Geschäfte für Souvenirs, Schmuck, Klamotten, alles was man will. Die meisten Gebäude sind in sehr gutem Zustand, mit gewollten Ruinenteilen dazwischen. Ich komme mir vor wie in einer Filmkulisse, so schön ist das alles hier. Außer, wenn einem mal wieder eine geführte Spaziergängerherde entgegen kommt. Inzwischen gibt es nämlich ein zweites, größeres Schiff hier (die "Viking Sun", unsere Piernachbarin von gestern, sowie ein weiteres), und dementsprechend viele Leute sind in der Stadt. Aber ich habe Glück, finde immer wieder kleine einsame Straßen, die ich nur mit unzähligen niedlichen Katzen teilen muss, bis ich auf einen Souvenirshop der besonderen Art stoße. Es gibt hier nur Katzensouvenirs, und die hinteren Räume sind ein privates Katzenasyl. Überall sitzen und liegen Katzen, aber alles ist blitzssauber und gepflegt, der Laden und die Tiere.

Als die Stadt sich weiter füllt, suche ich meinen Frieden auf der Artania. Zunächst allerdings vergeblich, denn heute ist der 11.11., also Faschingsanfang. Eine schreckliche Stunde lang gibt es Krapfen, Korn und Faschingsmusik. Naja, wer es mag...

Während dem Abendessen legen wir ab, und ich muss erneut darüber nachdenken, wer die Pier kriegt. Die "Viking Sun" ist nämlich noch da (auf Reede, Ihr erinnert Euch), und wir fahren problemlos daran vorbei. Das mit dem Platz war es also nicht. Neue Idee: die Pier bekommt, wer am meisten dafür bezahlt. Oder vielleicht würfelt die Hafenmeisterei? Zieht Streichhölzer? Die Behörden hier haben nicht den besten Ruf...



Samstag, 10. November 2018

Und täglich grüßt das Murmeltier

Ein neuer Tag beginnt, die Sonne scheint, das Schiff liegt still. Auf die Frage nach der Uhrzeit antwortet mein iPhone mit der Anzeige "Herzlich willkommen in Albanien". Obwohl apple-Geräte als relativ intelligent gelten, liegt hier wohl ein Irrtum vor, denn wir haben auf Korfu festgemacht. Oder heißt es an Korfu? Auf jeden Fall ist diese letzte Insel meiner Reise griechisch, trotz der tatsächlich sehr geringen Entfernung zu Albanien. Nach einer Weile merkt es auch das Telefon und wählt sich in ein griechisches Netz ein, was netterweise billiger ist.


Ich mache einen Spaziergang über die Kreuzfahrtmole, die wir uns heute mit der Viking Sun teilen, mogele mich an einem Fernsehteam vorbei, dass gerade mit dem Captain und dem Kreuzfahrtdirektor beschäftigt ist, und lasse das Kreuzfahrtterminal und den geschäftigen Fährhafen hinter mir. Von nun an geht es bergab , in jeder Hinsicht. Abgenutzte Straßen, gesäumt von Unkraut und brüchigen Häusern, führen zum sogenannten Zentrum von Kerkyra, der Hauptstadt von Korfu. Oder ist Korfu die Hauptstadt von Kerkyra? Völlig wurscht, denn Kerkyra ist der griechische Name für Korfu.

Nachdem die Klugscheisserei beendet wurde, habe ich das Zentrum erreicht, das aus einigen brüchigen Hotels, schrottigen Geschäften und krümeligen Gebäuden mit verrammelten Türen und Fenstern besteht. Einladend ist es hier nicht, es gibt noch nicht einmal Souvenirgeschäfte, und so mache ich mich auf den Rückweg und verbringe einen herrlichen ruhigen Nachmittag an Bord, mit frischer Seeluft und Blick ins schöne Albanien.

Als es dunkel wird und das Schiff los fährt, bekomme ich Hunger und bewege mich vorsichtig in Richtung Restaurant. Doch auch wenn ich es versuche, ich kann ihm nicht entkommen. Das Fehlen der Kellner am Eingang weist schon darauf hin, dass es auch heute wieder geschiehen wird. Und als ich den Eingang erreiche, muss ich es tatsächlich wieder hören: "Zum Geburtstag viel Gluck!"



Freitag, 9. November 2018

Der 100. Tag

In Patras sind wir heute, dem Anfang des Kanals von Korinth, der Griechenland in Ost-West-Richtung teilt. Für eine Durchfahrt sind wir leider zu groß, das einzige Kreuzfahrtschiff der Welt was das kann ist die Berlin. Aber mit der wäre ich dann nicht so gern im Sturm unterwegs gewesen...

Die Artania liegt sehr nahe am Stadtzentrum, das man deswegen gut zu Fuß erreichen kann. Muss man aber nicht, denn zur Überraschung aller - auch der Reiseleitung - gibt es heute für diese Strecke einen Shuttlebus, der überraschenderweise nichts kostet. Wann und wie lange er verkehrt? Da muss man sich überraschen lassen. Griechenland halt.

Im Zentrum angekommen, gibt es eine breite Straße mit großen Häusern und teuren Geschäften, sowie eine Fußgängerzone mit mittleren Häusern und mittleren Geschäften, von denen manche geschlossen sind. Ja, und dann haben wir noch die vielen Nebenstraßen mit kleinen Geschäften, von denen viele geschlossen und noch mehr ziehmlich herunter gekommen sind, ebenso wie die Gebäude drumherum. Überall bröckelt es, überall waren Sprayer am Werk, es sieht aus wie im Osten. Sind wir ja auch, nicht im Osten Griechenlands natürlich, sondern am östlichsten Punkt unserer Reise. Gleichzeitig ist heute seit 2009 der 100. Tag, den ich auf einem Kreuzfahrtschiff verbringe. Was das Abendessen auch nicht besser macht. Aber lustig ist es zum Abschluss: Zuerst singen die Kellner dem heutigen Geburtstagskind "zum Geburtstag viel Gluck", kurz danach wünscht Captain Morten Hansen für morgen "einen schönen Tag in Corfü".




Donnerstag, 8. November 2018

Ereignisse

Das wirklich hervorragende Pflegepersonal auf der Artania ist stets bemüht, unter den Patienten keine Langeweile aufkommen zu lassen, insbesondere während die schwimmende Seniorenresidenz unterwegs ist. So hatte man gestern zum Auslaufen aus Valetta, dem südlichsten Punkt unserer Reise, das schon erwähnte Barbeque organisiert. Da es gleichzeitig mit dem planmäßigen Mittagessen lief, brachte es Entspannung in den normalen Restaurants, zumal das Wetter sehr schön war und noch immer ist. Es hätte ein angenehmer Nachmittag werden können und wurde es für mich auch, aber viele andere gerieten in Vorbereitungsstress, denn am Abend sollte der mittlere Galaabend sein, mit Nachholung des Captain's Cocktail und Möglichkeit zum gemeinsamen Foto, das ja wegen dem Sturm ausgefallen war. Da will man natürlich elegant aussehen, was dem einen oder anderen auch gelungen ist. Besonders den Kellnern, die nicht ihre übliche Arbeitskleidung tragen - weißes Hemd zu schwarzer Hose und blauer Weste - sondern eine sehr schöne cremefarbene Galauniform. Als mir einer der Kellner ein Glas Rotwein auf einem Tablett servieren will, stößt er versehentlich dagegen, es schwappt über, allerdings von mir weg. Elegant und überlegen lächelnd fängt er es ab - naja, fast - es fällt in meine Richtung und leert sich komplett. Zwei, drei Spritzer landen auf meiner schwarzen Hose und werden wohl trocknen ohne sichtbare Spuren zu hinterlassen. Das Dinnerjacket des Kellners dagegen ist von oben bis unten rötlich geworden und muss in die Wäsche. Er und vier andere Kellner entschuldigen sich bei mir, und der Pechvogel sagt grinsend "Seegang". Das Meer ist spiegelglatt, auch heute noch, und das ist gut so. Heute nachmittag spielen wir nämlich wieder Mumientetris mit den Tenderbooten.

Bis dahin werden, lautstark da schwerhörig, beim Frühstück an den umliegenden Tischen neben den üblichen Belanglosigkeiten auch die kommenden Events besprochen. Sie: "Weischt, Schätzle, es isch glei zehne. Und um elfe isch de bayerische Brotzeit." - "mit Freibier" - wirft er ein "Und um zwölfe gibt's scho Middag" setzt sie ihre Rede fort. "Mit vier Gänge!" So sieht sie auch aus. Ich weiß nicht warum man an manchen Tage eine verflixte 7. Mahlzeit anbietet und ziehe mich in die Casablanca-Bar zurück, da habe ich auf der Nichtraucherseite einen Lieblingsplatz wo ich in Ruhe habe schreiben kann. Normalerweise. Während ich auf meinen leckeren Capuccino warte, verteilen sich einige Frauen erwartungsvoll in der Bar. O je, denke ich, jetzt spielen die gleich wieder Bingo. Aber wo sind die Männer? Es werden immer mehr Frauen, langsam kriege ich Angst, dass sie Beckenbodengymnastik oder so was machen. Nein, voll daneben. Es gibt einen Tuchbindekurs. Eine Mitarbeiterin aus dem bordeigenen Tante-Emma-Laden führt ihn durch. Sie macht das sehr schön, aber da sie kein Mikrofon benutzt, dürfte vieles was sie sagt die dafür bestimmten Ohren nicht erreichen. Besonders deswegen, weil inzwischen auf der Raucherseite, getrennt nur durch einen Raumteiler und eine kleine Tanzfläche, ein Brettspiel stattfindet, das neben laut klickenden Geräuschen auch lautes Gelächter erzeugt, gekrönt durch die Anweisungen und Anfeuerungsrufe von Tessa, einer jungen Reiseleiterin/Animateurin (das sind alles Zwitter hier, also, was die Funktion betrifft). Wie die meisten Animateure braucht Tessa kein Mikrofon. Man versteht sie auch noch in der nächsten Bar. Das könnte man bei der Raumaufteilung zukünftig vielleicht beachten. Viele der Patientinnen fallen jetzt über die Tuchbindefrau her und lassen sich alles noch einmal zeigen, bis sie in ihren Laden flüchtet.

Paradiesische Ruhe ist eingekehrt in der Cassablanca-Bar. Wir haben nämlich Freibierzeit.

Als der große Teil der mitreisenden Vielbeschäftigten mit der darauf folgenden Mahlzeit befasst ist, dem Mittagessen (obwohl es heute nur Reste gibt), kommen wir in der Buch von Pylos an. Und weil die so klein ist, verzieht sich die Sonne um Platz zu schaffen. Den Rest des Nachmittags über wechseln sich Bewölkung, Regen und Gewitter ab. So stellt man sich Griechenland nicht vor. Mal sehen, wie es morgen wird.



Mittwoch, 7. November 2018

Menschen auf dem Schiff

Es gibt hier viele verschiedene: Die nautische Mannschaft, die guten Geister des Hotels, und die Gäste, die man offiziell Passagiere nennt. Warum auch immer. Als ich letztes Jahr auf Reha musste, hätten die meisten Klienten dort viel eher diesen Titel verdient. Jedenfalls gab es dort bei vergleichbarer Belegung deutlich weniger Rollatoren, Gehhilfen und graue Haare zu sehen. Auch weniger Glatzen, trotz Onkologiestation. Bevor ich weiter schreibe: ich möchte mich sicher nicht lustig machen über jedwedes Gebrechen irgendeines Menschen. Vielmehr soll jeder etwas zu lachen haben.

Die nautische Mannschaft werde ich hier überspringen, denn die macht nur professionell und unauffällig ihren Dienst und ist nicht lustig, außer wenn der Captain Hansen wieder einmal seine "Meldung von der Brrrrügge" in lustigem deutsch unter die Leute bringt. Unverulkt bleiben sollen auch all die Leute, die für Sauberkeit sorgen, in der Küche schuften, alles instand halten und, und... halt, zum Thema Instandhaltung habe ich einen. Wer "Verrückt nach Meer" sieht weiß, dass es immer ein paar Praktikanten gibt: Einen in der Küche, mal einen Nautiker, oder jemanden an der Rezeption. Diese Praktikanten sind echt, aber um so eine Stelle zu kriegen muss man sich nicht an die Reederei wenden, sondern - Überraschung - ans Fernsehen. Das war noch nicht der Witz. Also, im Bus von Mailand nach Genua saß neben mir ein ganz junger Mann, der neue Praktikant für die Bordschreinerei. Intelligent, gutaussehend, nur an seinem Dialekt muss er noch arbeiten, sonst braucht er Untertitel. Jedenfalls haben wir uns super verstanden, und als ich beim verabschieden äußere, dass es schön wäre, wir könnten an Bord auch einmal quatschen, sagt er: "Mach einfach was kaputt. Dann schicken die höchstwahrscheinlich mich zum reparieren." Nein, das habe ich nicht ausprobiert, bis jetzt. Aber lustig wäre es schon. Zumal die Möglichkeit besteht, dass er ein Kamerateam im Schlepptau hat.

Meine Kabinenstewardess ist auch so eine Ulknudel. Abends, wenn sie zum turn down kommt (Vorhänge zu, Nachtlicht an, Obstkorb auffüllen, Betthupferl hinlegen) bin ich meistens noch nicht weg zum Abendessen und sitze deswegen in der Kabine. Wenn sie rein möchte, klopft sie so leise wie sie klein ist oder vielleicht auch gar nicht, reißt die Tür auf und erschrickt dann fürchterlich, weil sie ja nur in leere Kabinen gehen soll. Mir macht es normalerweise nichts, und beim duschen hat sie mich noch nicht gestört. Es wäre lustig dann ihren Gesichtsausdruck zu sehen, aber ich würde es nicht, denn ohne Brille sehe ich nur einen hellen Fleck. Oder duscht jemand von Euch mit Brille?

Am liebsten mag ich aber die Kellner im Restaurant, die Pfleger sozusagen. Die tun immer völlig überzeugend so als lieben sie ihren Job und ihre Gäste, winken schon von weitem um einen zum gewünschten Platz zu lotsen, versuchen sich mit den Patienten zu unterhalten, und verwöhnen einen nach Strich und Faden. Wenn sie am Frühstücksbufett jemanden sehen, der es mit seinem Teller nur mit Mühe zurück zum Platz schafft, und das kommt oft vor, dann tragen sie ihm den Teller hin. Weiß gar nicht, warum sie das mit mir neulich auch gemacht haben. Ich war nur deshalb so langsam, weil ich einem gehbehinderten den Vortritt gelassen habe beim Laufen gegen die Strömung...

Normalerweise bekomme ich einen netten Zweiertisch für mich alleine, aber manchmal setzen sie notgedrungen noch jemanden dazu. Interessant, wenn man auf Omas steht. Mit zwanzig hätte ich mich über die Gesellschaft einer zehn Jahre älteren Frau wahrscheinlich gefreut. Heute müsste sie schon sehr besonders sein, so wie Iris Berben oder Agneta Fältskog.

Einmal hatte ich Gesellschaft von einer handfesten adipösen Fränkin, die aber immerhin noch Herrin ihrer Sinne und leidlich unterhaltsam war. Ein anderes Mal saß bei mir eine magere "feinen Dame" aus dem ehemaligen Schlesien. Die war für maximal eine halbe Stunde geringfügig unterhaltsam, danach kannte ich ihre Geschichte, ihre Krankheiten, ihre Einstellung zur Schulmedizin, ihre verrückten Ansichten über jegliche Verschwörungstheorien, und so weiter. Und das alles, obwohl ich sie bei der lauten Umgebung kaum verstanden habe. Sie ist mir in den folgenden Tagen dann noch ein paarmal über den Weg gelaufen und hat mich zugetextet, angeblich zufällig. Mag sein. Aber dafür hat sie die Gelegenheit gut genützt.

Von allen "normalen" männlichen Gästen bin ich der einzige, der noch keine grauen Haare hat, und das merkt man. Viele Leute denken, ich bin gar kein Gast, sondern irgendein Künstler vielleicht, und im Moment, während ich das schreibe, auf Deck 8, weil meine Kabine noch nicht fertig ist, stehe ich im Fokus von gleich mehreren Frauen des klassischen Typus: rüstig, sympathisch vielleicht, mindesten 70, weiße Haare im typischen Männerhaarschnitt der guten deutschen älteren Frau, nein, ich lächele nicht zurück. Ich tue so, als hätte ich nichts bemerkt.

Nachdem sie jetzt hinter mir den Grill angeworfen haben und das Deck sich sehr langsam aber unaufhaltsam mit hungrigen Patienten füllt, (hungrig auf das BBQ), suche ich mir mal einen neuen Platz woanders.

Gefunden. Die Kabine ist endlich fertig. Zurück zu den Menschen...

Es gibt an Bord ein Vierergespann, bestehend aus zwei Pärchen, die optisch immer sehr auffallen. Alle vier sind groß und schlank. Die Männer tragen meist maritime Kleidung, viel weiß und helles blau, kurze Haare, wenig Ausstrahlung. Die Frauen sind auch beide groß und schlank, sehr hübsche Beine, perfekte Figur, und auch sonst mit Rundungen an den richtigen Stellen versehen, kein Gramm zu viel, aber auch keins zu wenig. Meistens tragen sie sehr kurze Sachen, dazu hohe Stiefel oder Glitzerschuhe. Überhaupt ist ihre Garderobe sehr auffällig und glitzernd, so wie man in den neunzigern in die Disco gegangen ist. Nur die Frisuren passen nicht dazu. Beide tragen blondierte, betonierte Lockenköpfe wie sie in den frühen siebzigern modern waren. Schlimm wird es, wenn man sie von vorn sieht: Keiner der vier ist unter sechzig. Und das sieht man auch, vor allem bei den Frauen. Als die vier gestern aus dem Restaurant gehen, stupst mich ein Kellner an, deutet unauffällig auf die Frauen und raunt mir zu: "Spice girls" spontan schüttele ich den Kopf und antworte mit "Spice grannies!". Er verliert vor Lachen fast die Beherrschung, geht zum nächsten Kollegen, und ich kann beobachten, wie sich der Gag unter den Kellnern fortpflanzt quer durch das ganze Restaurant.

Ursprünglich hatte ich irrtümlich vermutet, die vier würden zur Fernsehproduktion gehören. Die mögen nämlich so schräge Typen. Bis ich sie habe reden hören. Ihr tiefer dunkeldeutscher Dialekt müsste nämlich untertitelt werden.

Später an der Bar unterhalte ich mich mit drei verschiedenen Leuten, unabhängig voneinander. Und ebenso unabhängig voneinander beschwert sich jeder von ihnen über die vielen alten Leute hier. Lustigerweise ist keiner der drei unter 75. Aber was ist das? Fröhliches Jungmädchenlachen dringt an mein Ohr. Sollte doch noch Hoffnung bestehen? Nein, es sind nur die beiden schon erwähnten Geigenspielerinnen auf dem Weg zu ihrem heutigen Auftritt.

So vergehen die Tage im schwimmenden Altersheim. Malta haben wir jetzt auch erledigt.




Dienstag, 6. November 2018

Valetta

Valetta am frühen Morgen. Die Sonne scheint, die Frisur sitzt, und die Nacht im Hafen war - nein, gar nicht ruhig. Zwar gab es kaum Verkehrslärm und auch keine quietschenden Containerbrücken wie ich es anderswo schon erlebt habe, aber man glaubt kaum, dass es in einem angebundenen Schiff lauter sein kann als in einem fahrenden. Der Grund: die Schiffsmotoren machen während der Fahrt weniger Radau als der Stromgenerator im Alleinbetrieb. Ich denke, die Nachfrage nach Ohropax wird heute in der Bordboutique steigen. Ich selbst kenne zum Glück keine Probleme mit dem Lärm und habe super geschlafen, lecker gefrühstück und nehme Kurs auf die Gangway, um das Schiff zu verlassen. Dort kommen gerade die beiden Geigenkünstlerinnen, die in den letzten Tagen schon zwei Konzerte auf dem Schiff gegeben haben, in Reisekleidung an, mit Handgepäck aber ohne Geigen, um das Schiff erstmalig zu betreten. Natürlich werden sie dabei freundlich vom Kreuzfahrtdirektor begrüßt mit seinem berühmten "willkommen zuhause!". Klingt irgendwie strange? Oh - ich habe vergessen zu erwähnen, dass auch noch ein Kamerateam dabei steht.

Um nicht zu stören, trabe ich zur anderen Gangway, wo sich wegen Crewwechsel Dutzende gutgelaunter kleiner Phillipinos tummeln, die jetzt nachhause dürfen. Die hochgewachsene Sicherheitsoffizierin wirkt trotz ihres guten Überblicks überfordert und schickt mich wieder weg. Zum Glück ist jetzt die erste Gangway frei, und das Abenteuer beginnt.

Ich habe keinen Ausflug gebucht, denn ich kenne Valetta schon und spreche die Landessprache. Nein, nicht maltesisch (einer Art arabisch, durchsetzt mit französischen und italienischen Elementen) sondern die andere, englisch. Das nützt zwar nichts bei den maltesisch geschriebenen Straßenschildern, doch wozu gibt es ein Navi auf dem handy? Das führt mich ohne Umwege zum nahegelegenen Hard Rock Café (das hier Hard Rock Bar heißt), und ich freue mich auf ein Shoppingerlebnis der besonderen Art. 



Kriege ich auch, denn es ist hier klein, etwas muffig, von maltesischer Pflege (=etwas herunter gekommen) und man merkt die Nachsaison: wenig Auswahl, die schönsten Sachen gibt es nicht in meiner Größe, und sie haben nur männliches Personal.

Nach ein paar Minuten steuere ich mein nächstes Ziel an, den Aufzug, der die untere mit der oberen Altstadt verbindet, innerhalb weniger Sekunden und für nur einen Euro. Runterfahren ist sogar kostenlos. Oben bietet sich eine grandiose Aussicht, auf die Hauptstadt zum einen und auf den Hafen zum anderen. Damit hat man die seltene Gelegenheit, auch große Kreuzfahrtschiffe von oben zu betrachten, ohne erst irgendein Fluggerät besteigen zu müssen.



Ich besteige etwas später das Schiff. Da steht mutterseelenallein der Kreuzfahrtdirektor und haucht mir ein "willkommen zuhause" entgegen. Dabei ist gar keine Kamera mehr da. Vielleicht eine versteckte?




Montag, 5. November 2018

Zwei Ziele an einem Tag

Das ist mit einem Hochseeschiff gar nicht so einfach zu schaffen, außer es wäre eine Fähre mit kurzer Tour. Sind wir zwar keine, und zwischen Neapel und Sorrent hat es auch nicht geklappt mit den zwei Zielen, aber einmal dürfen wir es noch versuchen.

Früh am Morgen, strahlender Sonnenschein. Kurz vor Gozo, der größten Nebeninsel Maltas, zieht die Artania die Bremse. Ist natürlich Quatsch, wir haben gar keine, aber den Anker werfen, das können wir. Kurz danach lassen wir unsere Kleinschiffe, die Tender, ins Wasser und beginnen mit dem Ausbooten. Da wir einerseits eine kräftige Dünung von bis zu einem halben Meter Höhe haben, und andererseits jede Menge gehbehinderte Altersheimbewohner an Bord sind, versucht der Kreuzfahrtdirektor den betreffenden mit Engelszungen das Ausbooten auszureden, notfalls gegen Erstattung des Ausflugspreises. Da das nicht bei allen Gästen fruchtet, haben die Einstiegshelfer richtig Spaß dabei, die kaum beweglichen und teilweise ängstlichen Gäste unfallfrei in die wild hüpfenden Boote zu bugsieren. Im Boot angekommen, ist es zusätzlich nicht ganz einfach einen Sitzplatz zu erreichen und dann auch noch darauf sitzen zu bleiben, besonders wenn es an die Artania stößt und sich daraufhin schräg legt. Ja, etwas seefest sollte man heute tatsächlich sein. Als das Tenderboot dann losfährt wird es schnell besser mit den unkontrollierten Bewegungen. Zumindest so lange, bis wir die Heckwelle der Fähre nach Malta kreuzen. Da haben wir dann nochmal richtig Spaß. Zumindest ein Teil von uns.

Aber die Fahrt ist nicht lang. Im Hafen von Gozo erwartet uns zunächst ruhiges Wasser, auf der Pier ein roter Teppich, Livemusik und ein kleines Gastgeschenk. Ein solcher Aufriss ist selten geworden heutzutage. Wenn man dann aber erfährt, dass pro Jahr gerade mal zwanzig Kreuzfahrtschiffe nach Gozo kommen, versteht man, dass sich die Einheimischen Mühe geben mit der Begrüßung der seltenen Gäste. Wie versprochen, stehen auch ein paar Busse und örtliche Reiseleiter zur Verfügung, und schon geht es los mit der Panoramafahrt rund um Gozo. Der Bus kneift ein wenig unter den Achseln, der Reiseführer ist arabischer Muttersprachler und zusammen mit der alt-analogen Lautsprecheranlage im Bus eher unklar zu verstehen, aber für die nächsten drei Stunden wird es schon gehen.

Gozo besteht aus folgenden Elementen: engen, gewundenen Bergstraßen, großen, flachen Ebenen mit jeweils einer überdimensionierten Kirche mittendrauf, engen, nicht sehr gepflegten Dörfern mit noch engeren ungepflegteren Straßen, Linksverkehr, gibt es und ab und zu einen grandiosen Ausblick. Diese Elemente werden sich die nächsten dreieinhalb Stunden immer mal wiederholen, aber immerhin kennt man dann Gozo. Der erste Fotostopp ist erreicht, fünf Minuten soll er dauern, und rote Strände werden zu sehen sein. Nach zehn Minuten hat sich der letzte Fahrgast, von denen fast alle schwergängig oder adipös, häufig auch beides sind, aus dem Bus gekämpft, außer mir, weil lohnt sich nicht. Als der Bus später wieder voll ist, geht es weiter, vorbei an siehe weiter vorn, bis zu einer Kathedrale die größer sein soll als der Petersdom in Rom. Wäre damals dort keine 45-Minuten-Schlange gewesen, hätte ich den vielleicht auch besichtigt. Die "fünf Minuten" hier auf Gozo spare ich mir.

Ungefähr zur Halbzeit der vierstündigen Tour treffen wir an einer kleinen Kiesbucht ein, die malerisch zwischen hohen Felsen liegt. 



Hier haben wir etwas Freizeit, eine Dreiviertelstunde, um Kaffee zu trinken oder spazieren zu gehen oder zu shoppen. Oder vielleicht zu schwimmen, wenn man gerne mit Müll schwimmt. Ist ganz schön hier, aber leider werden wir nach einer halben Stunde wieder zusammengetrieben und in den Bus geschickt. Wir fahren weiter - siehe vorne - zum letzten Fotostop, um danach im Hafen unsere viereinhalbstündige Tour zu beenden. Das tun alle, und so zieht sich eine lange Schlange alter Menschen durch den Hafen, 




zwischendrin unterbrochen von den jungen Menschen des "Verrückt-nach-Meer"-Fernsehteams und deren mitgebrachten jungen Menschen, die man uns nächstes Jahr im Fernsehen als Passagiere verkaufen wird.

Die mickrig aussehenden Tenderboote können jeweils 80 Personen aufnehmen, auch dickere, und so hält sich die Wartezeit bis zur Wiedereinschiffung in Grenzen. Aufgrund der "Pünktlichkeit" der hiesigen Ausflüge fährt die Artania zwar leicht verspätet los, kommt aber pünktlich um siebzehn Uhr in Valetta auf Malta, unserem zweiten heutigen Ziel, an. Valetta hat einen großen Naturhafen, und man legt praktisch mitten in der Stadt an zwischen hohen Felsen und alten Gebäuden. Für eineinhalb Tage und zwei Nächte bleiben wir jetzt hier, als schwimmendes Hochhaus direkt an einer Hauptstraße.




Sonntag, 4. November 2018

Urlaub im Hafen

Pünktlich heute morgen sind wir auf der nächsten Insel unserer Reise, Sizilien. Das könnte an sich eine gute Idee sein. Allerdings haben wir heute Sonntag, und die sehr gläubigen Sizilianer halten sonntags meistens ihre Läden zu, besonders in den kleineren Orten. Blöderweise haben wir in genau so einem angelegt: Messina, traumhaft gelegen an der engsten Stelle zu Süditalien, voller häßlicher Industriebauten, zeigt sich heute verschlossen und weinerlich. Und wer weder einen Ausflug gebucht noch Lust auf Spaziergänge unterm Regenschirm hat, der bleibt einfach an Bord und betrachtet Italien für diese Reise als erledigt. Morgen geht es nach Malta.


Samstag, 3. November 2018

Programmänderung

Am nächste Morgen. Der Blick aus dem Fenster zeigt - das Meer. Mehr auch schon nicht. Sollte da nicht Neapel sein? Merkwürdig. Ein Blick auf den Kursmonitor zeigt, dass das Schiff heute Nacht für etwa zwei Stunden in die Gegenrichtung gefahren ist, und danach wieder in die richtige. Sturm gab es keinen, Wasserrohrbruch auch nicht, sondern viel schlimmer: ein ernster medizinischer Notfall hatte den Einsatz eines Rettungshubschraubers erfordert, und weil der nicht so weit fliegen kann (hin schon, aber zurück würde es nicht mehr reichen) mussten wir ihm zwei Stunden lang entgegen flie... nein, fahren. Könnten wir fliegen, hätte es die Aktion wahrscheinlich erleichtert. Die Patientenübergabe war sicher nicht ganz einfach, denn als relativ kleines Schiff haben wir keinen Helilandeplatz und müssen die Rettungswinde des Hubschraubers benutzen. Wie man hört, hat alles problemlos geklappt, auch dem Patienten (wider Erwarten einem Besatzungsmitglied) geht es schon besser. Das war die wichtige und gute Nachricht. Die mittelgute ist: alles Ausflüge finden statt, aber vier Stunden später. Die nicht ganz so gute ist, dass dafür der nachmittägliche Besuch von Sorrent ausfällt. Sorrent bei Nacht ist sicher romantisch, ausbooten im dunkeln aber eher gefährlich. Außerdem müssen wir morgen früh in Messina sein.

Für alle Leute mit hellseherischen Fähigkeiten hätte es auch einen Ausflug gegeben von Neapel nach Sorrent. Den konnte man vorher im Internet buchen. Wenn man noch einen Platz bekommen hat. Wenn nicht, könnte man Neapel zu Fuß erkunden. Muss man aber nicht, ist nicht schön da.

Freitag, 2. November 2018

Die erste Insel

Eigentlich schon die zweite, aber die erste (Korsika) siehe weiter vorne...


Sardinien liegt direkt südlich von Korsika, aber da der Sturm inzwischen weg ist, können wir ganz leicht hier anlegen. Die Ausflugsbusse warten auch schon, und so geht es los, nachdem nicht ohne Mühe 50 Rentner im Bus verstaut sind. Die Reiseleiterin zeigt uns weitläufige Agrarlandschaften, Berge und Täler, Meeresbuchten, ehemalige Salinen und sogar eine riesige Kolonie freilebender Flamingos in weiß mit zartem Rosaschimmer. Sie erzählt über Agrarwirtschaft und (relativ unbedeutendem) Tourismus, erklärt, dass die wenigen Einwohner hier weder Sardinen noch Sardellen heißen, sondern Sarden, woher sich der Name ableitet, philosophiert über das italienische Schulsystem, das als Fremdsprachen zwar Englisch und Französisch anbietet, aber keinen der vier sardischen Dialekte, und als den ersten Gästen langsam die Augen zufallen, haben wir unser eigentliches Ziel erreicht: das größte Weingut der Insel. Es beginnt eine interessante und etwas mühselige Besichtigung der Produktions- und Lagerräume. Mühselig deswegen, weil auf mehrere Etagen verteilt und ein großer Teil der Gäste die enge Wendeltreppe nicht benutzen kann oder will, und der Aufzug ungefähr genauso altersschwach ist wie seine Fahrgäste.

Die (etwas breitere) Treppe in den Verkostungsraum schaffen dann aber alle, denn hier ist ja das Ziel aller Begehrlichkeit: vier Sorten Wein dürfen wir probieren - 2x weiß und 2x rot - und dazu gibt es ein Tellerchen mit sardischen Spezialitäten vom Bauern um die Ecke: Ziegenkäse (mild im Geschmack aber seltsam im Abgang), Schafkäse (eine Art gut gereifter Parmesan), typisch italienische Salami und den besten Prosciutto, den ich je gegessen habe. Kaufen für zuhause kann man aber leider nur den Wein. Wäre ich mit dem Auto hier, hätte ich sicher auch welchen mitgenommen.

Kurz vor dem Rückweg hat sich der Sonnenschein leider verflüssigt, aber da wir mittags schon weiter fahren, ist das auch egal. Morgen ganz früh werden wir in Neapel sein, und nachmittags in Sorrent.


Donnerstag, 1. November 2018

Erholung auf See?

So steht es im Programm. Doch da komme ich ins grübeln: Wir alle befinden uns hier doch auf einer Kreuzfahrt, und die sollte grundsätzlich jeden Tag der Entspannung und Erholung dienen, auch dem Spaß und der Unterhaltung (bevor es Kommentare gibt: mit "alle" sind nur die Gäste gemeint. Die Mitarbeiter - abgesehen von den Tageskünstlern - haben größtenteils eine stressige 7-Tage-Woche, und das über Monate). Und tatsächlich ist die Bezeichnung dieses Tages eher irreführend und müsste irgendwie anders heißen.

Bei mir fängt dieser Tag nicht mit einem gemütlichen Frühstück an, sondern mit einem Besuch in dem winzig kleinen Fitness-Studio auf Deck 9 mit Aussicht auf Pool und Schornstein. Da ich hier noch nie mehr als zwei wenig atraktive Damen mittleren Alters getroffen habe, gibt es Platz genug. Heute ist sogar nur eine da.

Nach Training und Morgentoilette gerate ich in eine wilde Rentnerstampede, die sich unaufhaltsam auf die gerade geöffneten Restaurants zu wälzt. Als sich die Staubwolke wieder legt, ist zwar nicht alles weg gegessen (das schafft niemand), aber kein Platz mehr zu kriegen, jedenfalls keiner, auf dem man erholsam ohne Gehörschutz frühstücken kann.

Kaum eine Stunde später beginnt das seniorengerechte Animationsprogramm: Bingo mit Max, Brettspiele mit Moritz, Shuffleboard mit Tessa und Gymnastik im sitzen mit Silvia. Um zehn Uhr meldet sich, wie jeden Morgen, der Kapitän von der Brrrrüge und gibt in lustigem deutsch ein paar Informationen von sich. Anschließend winkt oben auf Deck 8 ein maritimer Frühschoppen mit Fisch, Krabbeltier und sogar Austern bis zum Abwinken, als 7. Mahlzeit des Tages. Nur den Champagner muss man bezahlen. Da (zwangsläufig) alle 1.200 Passagiere an Bord sind, wird die Veranstaltung recht gut besucht. Zum Glück endet sie pünktlich zum Mittagessen, und für ein paar Minuten sind Aufzüge und Treppenhäuser überfordert mit der Masse an teilweise recht gebrechlichen Menschen, die grade einen taktischen Standortwechsel vornehmen wollen, teilweise noch kauend, in Richtung der Restaurants.

Diesmal war ich schneller und habe einen schönen Platz.

Nachmittags ein ähnliches Unterhaltungsangebot wie vormittags: Bingo mit Max, Kartenspiele mit Moritz, Quiz mit Tessa. Und dann das Highlight: Kaffee und Kuchen (nach Frühstück, Bouillon und Mittagessen die 4. offizielle Mahlzeit). Und dann noch Yoga und anschließend Dance Aerobic am Pool mit Silvia. Moment mal - das wäre doch vielleicht was?

Am Pool finde ich - neben der drahtigen Trainerin Silvia aus der Schweiz - fünf motivierte schwergewichtige Damen vor, sowie einen älteren hageren Herrn, der aussieht als wäre er zum Mitmachen gezwungen worden und würde sich lieber am Rollator festhalten. Während sich alle redlich damit abmühen, Silvias Schrittfolgen zu verstehen und nach zu tanzen, geht die Tür auf und unser ziehmlich prominenter Tageskünstler kommt im Bademantelheraus, begleitet von seiner aktuellen Bett- und Bühnenpartnerin. Die beiden sehen erst eine Weile beim Tanzen zu, und räkeln sich anschließend in Badesachen am Pool. Ein angenehmer Anblick, denn sowohl Stefan Mross als auch Anna-Carina Woitschak sind jung und gut in Form. Für die Fans kann man nur hoffen, dass sie heute Abend auf der Bühne ebenfalls eine gute Figur machen.


Gegen die guten Figuren der Gäste stehen im Laufe des restlichen Tags noch Abendmenue, Late Night Snack und gegen Mitternacht heiße Würstchen. Aber da schlafe ich schon längst. Ich brauche Erholung.


Heimkehr

Heute geht es nach langer, langer Zeit wieder nachhause. Hoffe ich, denn seit dem letzten Wochenende fällt überall in Deutschland Schnee, je...