Gestern war kurz die Rede von der Reede, und schon heute liegen wir auf ihr, und zwar vor der Insel „Virgin Gorda“ was so viel heißt wie „dicke Jungfau“ (die drittgrößte der britischen Jungferninseln). Um es vorweg zu nehmen: das spannendste an dieser Insel ist das hin kommen, denn sie haben nur einen Yachthafen in Spanish Town, man muss also mit dem Tenderboot hin fahren. Und das Ein- und Aussteigen am Schiff ist immer so eine Sache, vor allem wenn Gäste schon damit überfordert sind, die tatsächlich recht wackelige Gangway auf die ebenfalls wackelige Plattform zurück zu legen, die dann zu dem eifrig auf- und ab hüpfenden Tenderboot führt. Das allein ist schon schlimm genug, aber noch schlimmer ist, dass viele der betreffenden Gäste keinen Blick mehr dafür haben, was sie können und was nicht. Natürlich wird jedem geholfen, vier kräftige Matrosen geben alles, um die Gäste heil in die Boote und wieder raus zu bekommen, aber zaubern können die auch nicht. Und das hätten sie müssen, als kürzlich ein Rollstuhlfahrer - schon schlimm genug, aber es war einer, der seinen Rollstuhl aus eigener Kraft gar nicht verlassen, nicht einmal kurz aufstehen kann - darauf bestanden hat, im Tender mitgenommen zu werden. Das ging natürlich nicht, und es hat Riesentheater gegeben. Zum Glück konnte ihn dann der Kreuzfahrtdirektor überzeugen, die Entscheidung - und so weit kann so etwas gehen - nicht dem Kapitän zu überlassen. Der wäre übrigens schnell fertig gewesen mit dem Fall, indem er ihm freundschaftlich die Hand auf die Schulter gelegt und mit hochgezogenen Augenbauen (seine Art zu lächeln) verkündet hätte: „Brriederchen, wenn du nix kannst gähen, du musst bleiben an Borrd“. Schulter klopfen, fertig. OK, er hätte sich sicherlich gewählter ausgedrückt, aber meine (erfundene) Darstellung trifft den Sachverhalt recht gut. Es ist tatsächlich so, bei allen Cruiselines, dass tendern nur darf, wer komplett allein oder mit ganz wenig Hilfe (also wie ein Gesunder) ein- und aussteigen kann. Rollstühle werden mitgenommen, wenn sie zusammenklappbar sind. Fertig, klare Regel (das erfährt man auch schon vor der Buchung). Natürlich bekommen Rollstuhlfahrer jede nötige Hilfe, was schon beim ersten besteigen des Schiffes beginnt. Idealerweise liegt das Schiff an einer Fahrgastbrücke (die bei mir „Gästerüssel“ heißt, wo man - wie beim Flugzeug - einfach und locker an Bord kommt, auf zwei Füßen oder vier Rädern. Es gibt auch befahrbare Gangways, nicht zu steil, und besonders amerikanische Schiffe haben spezielle Liftsysteme oder Gabelstapler für Rollstuhlfahrer (nein, die Gabelstapler sind nicht wegen dem vielfach sehr hohen Gewicht der Gäste im Einsatz, sondern weil sie einfach praktisch sind). Wir auf der Artania haben das alles nicht und sind schon froh, wenn Rollstuhl und Inhalt und Begleitperson problemlos in unsere Aufzüge passen. Um an Bord zu kommen, werden Rollstuhl und -Fahrer schon mal von vier kräftigen Matrosen die Land-Gangway hochgetragen, die kann das gerade noch ab. Für Handycap-Gäste im XXL-Format bliebe nur der Ladekran. Nein, keine Angst, das machen wir nicht, schon deswegen, weil sie nicht in die Aufzüge passen würden. Wir sind eben kein modernes Schiff, und gelten deswegen auch nur als „bedingt behindertengerecht“.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen