Vier Uhr morgens, und schon soll es los gehen. Alle Vorbereitungen sind getroffen, und es ist mir kein bißchen schwer gefallen, so früh aufzustehen. Kein Wunder, ich war ja auch gar nicht im Bett. Zum einen hätte es sich nicht gelohnt, zum anderen rechne ich damit, dann während dem Flug entsprechend müde zu sein und trotz möglicherweise - nein, als sicher zu erwartender - Unbequemlichkeit schlafen zu können, um die 8 1/2 Stunden Flug bis New York zumindest gefühlt zu verkürzen.
Der Mensch beim Taxiruf scheint im Gegensatz zu mir im Bett gewesen zu sein, denn es dauert ewig bis er dran geht. Das Taxi dagegen kommt schnell, und auch der Zug fährt pünktlich um 5:10 Uhr los. Er ist der erste durchgehende Zug zum FRAPORT an diesem Morgen, was mir nach Ankunft großzügige 3 1/2 Stunden bis zum Abflug läßt, also alles kein Problem. Am Fernbahnhof sind es dann nur noch 3 Stunden, mit herzlichem Dank an die Deutsche Bahn. Am Geldwechselschalter steht jemand vor mir, der mich an jemanden erinnert, den ich sehr gut kenne und sehr gerne mag. Aber leider enden die Ähnlichkeiten damit nicht, er fragt auch alles dreimal und versteht es trotzdem nicht.
Nach dreißig Minuten erreiche ich, versehen mit amerikanischen und kanadischen Dollars, die Check-In-Halle, die sich Lufthansa und United Airlines teilen. Na, das sieht doch gut aus: Fast alle Schalter der Lufthansa sind geöffnet, an keinem stehen mehr als zehn Leute, also, so stellt man sich einen lockeren Check-In doch vor. Blöd ist nur, dass ich mit UA fliegen muss. Hier sind lediglich drei Schalter offen für etliche Flüge, und die Warteschlange ringelt sich bis zum Eingang der Halle, wenn nicht noch weiter. Mehrere Angestellte der Airline regeln den reptilen Verkehr, und nach kaum einer Stunde erreiche ich den Sicherheitsbereich, wo mich eine kleine und breite Ex-Soldatin (zumindest sieht sie so aus und klingt so) nach Pass, Coronastatus und Absichten in den USA befragt. Dann darf ich passieren. Nach weiteren zehn Minuten später beginnt man aus der Schlange die Gäste heraus zu picken, die nach New York wollen. Da NY mehrere Flughäfen hat, ruft man korrekterweise immer „Newark“ (also nicht JFK), was oft nicht verstanden wird, auch von mir. Als dann doch, darf ich eine größere Gruppe überholen, die nach Honululu will und komme endlich dran. Als ich um einen Gangplatz bitte, werde ich barsch abgewiesen mit den Worten „Es ist schon alles reserviert!“. Wie denn, frage ich mich, nur mich, denn der Mann ist riesig, sieht aus wie ein afro-amerikanischer Army-Ausbilder und flößt viel Respekt ein, trotz der Plexiglaswand zwischen uns, also: wie denn, wenn man gar keine Sitze reservieren konnte in der Holzklasse, weder für Geld noch für gute Worte? Ich spoilere mal: dieses Geheimnis wird nicht gelüftet werden! Meine Bordkarte weist Platz 50K aus, und als Vielflieger - das wäre übertrieben, sagen wir als relativ häufiger Flieger - weiß ich sofort: von den drei Sitzen auf der Steuerbordseite ist das der mittlere. Jetzt kann man nur noch Daumen drücken, dass es nicht allzu eng wird. Warum man uns herausgepickt hat, weiß ich auch nicht, es bleiben noch 1 1/2 Stunden bis zum Abflug, also massig Zeit für ein nettes Frühstück vom dem Einsteigen.
Doch irgendetwas in mir sagt, dass es zum Frühstücken zu früh ist, und ich nicht einmal aufs Klo muss, sondern dringend zur Sicherheitskontrolle, immerhin dringend. Um dort hin zu kommen, muss man sich erst einen Weg bahnen durch dem riesigen Duty-Free-Shop, wo mich eine bildhübsche Latina zu einer Rumverkostung überreden will. Aber selbst wenn es ein Gratis-Urlaub auf Jamaica wäre, im Moment kann man mich zu gar nichts überreden, und das mit Recht: der Safety-Check ist überlaufen wie eine Media-Markt-Filiale bei der Neueröffnung, und das mit genauso wenigen wie überforderten und inkompetenten Mitarbeitern. Nachdem es gar nicht voran geht, wird der hintere Teil der Schlange (zu dem natürlich auch ich gehöre) eine Etage höher geschleust, wo viel weniger los ist. Viel los kennen die Leute dort auch nicht, sie sind nett und lustig und haben alle Zeit der Welt. Ich leider nicht, und die Wege sind weit. Nachdem ich gefühlt zweimal durch den kompletten Flughafen gehetzt bin und endlich mein Gate erreiche, ist es zehn Minuten vor Abflug, und kein Passagier mehr weit und breit. Das Personal ist zum Glück noch da. Ich zeige meine Bordkarte vor und höre, wie die Bodenstewardess zu irgendjemandem meine Sitzplatznummer funkt mit den Worten „den müsst Ihr wieder einchecken, aber auf dem anderen können wir jetzt wirklich nicht mehr warten!“.
Während ich zum ersten Mal im Leben einsam und allein durch eine Fahrgastbrücke laufe (früher habe ich die Dinger immer „Rüssel“ genannt), mache ich mir ein bißchen Sorgen um meinen Koffer. Entweder, er wird in Newark am Anfang ausgeladen, was gut wäre, oder am Ende, was nicht viel schlechter wäre, oder noch wahrscheinlicher, gar nicht, jedenfalls nicht heute, und ich müsste mindestens drei Tage in der selben Unterhose herumlaufen. Wir werden sehen. Trotz allem werde ich an Bord freundlich begrüßt, kurz bevor hinter mir jemand „Boarding complete“ trompetet und die Tür zuschmeißt. Mit Mühe zwänge ich mich fast durch den ganzen Flieger, und quetsche mich auf meinen Platz. zum Glück sitzen links und rechts zwei sehr schlanke junge Männer, und sogar der Tisch für die Mahlzeiten passt an meinem Bauch vorbei. So etwas ist leider selten in der Holzklasse.
Die Maschine, eine Boeing 777 (das größte zweistrahlige Flugzeug der Welt) fliegt pünktlich ab, und der Captain stellt in Aussicht, dass wir 30 Minuten vor Plan landen werden. Schön, je eher wir da sind desto besser, obwohl so unbequem wie befürchtet ist es gar nicht. Überhaupt ist nichts so wie befürchtet, denn eigentlich kann sich die UA vor schlechten Kritiken im Internet kaum retten, und ich graule mich schon seit Wochen vor dem Flug. Die Maschine hebt absolut sanft und leichtfüßig ab, die Kabine ist frisch und sauber, es gibt Durchsagen auch in (verständlichem) Deutsch, auch das Essen schmeckt, es gibt sogar Alkohol und kostenlose Kopfhörer zum Filme gucken (was nicht in Zusammenhang steht). Jeder hat einen Bildschirm auf dem er machen kann was er will, jeder Platz verfügt über einen USB-Port und eine Steckdose für Strom, und gegen Geld kann man WLan haben. Die Kabinencrew ist zwar recht alt für den Job (alle zwischen 40 und 60, kein Witz, eine davon sogar deutsche Muttersprachlerin), aber super drauf, fix, kompetent, superfreundlich. Als wir pünktlich in Newark landen, will man gar nicht glauben, wie schnell die gut acht Stunden vergangen sind.
Aber wir sind ja noch nicht auf dem Schiff, und wie es weiter geht, erzähle ich Euch das nächste Mal.
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