St. Helier, windstill, die Sonne scheint. Es war eine lange Nacht gewesen, denn hier auf Jersey (und auch davor, wo die Vasco da Gama heute an ihrer Kette hängt) herrscht britische Zeit, und wir haben eine Stunde dazu bekommen.
Es ist sechs Uhr morgens, und die Crew bemüht sich, mit heftigen Quietsch- Knarz- und Rumpelgeräuschen, sowie laut gebrüllten Befehlen (all das entsteht, wenn man die Tenderboote aus ihren Halterungen schwenkt und per Kettenwinde ins Wasser befördert) die Passagiere zu wecken. Nützt aber nichts, denn zumindest ich bin schon wach und genieße den Blick aufs Meer, der nun von den Motorgeräuschen des ersten Tenders untermalt wird. Der Sound, den er und seine drei Kollegen fabrizieren, entspricht ungefähr dem amerikanischer Musclecars im niedrigen Drehzahlbereich: tief blubbernd und richtig laut. Müsste ich heute nicht auch so ein Boot benutzen, empfände ich das alles als störend. Oder aber mein Schlaf wäre tief genug, gepaart mit geschlossener Balkontür. Da hört man nicht viel, auch wenn man wach ist.
Die Überfahrt vom Schiff zur Insel dauert sage und schreibe 25 Minuten, was für eine Tenderverbindung elend lang ist. Oder elend weit, denn die Teile sind nicht gerade langsam. Und mit dem Elend geht es gleich weiter: Der Omnibus, in den ich einsteigen soll, ist klein und elend eng.
Er hat rechts immer zwei kleine Sitze und links jeweils einen. Der Knieraum taugt nur für durchschnittliche Vorschulkinder, und an der Stelle, wo die hinteren Radhäuser in den Passagierraum ragen, könnte sich ein normal gewachsener Mensch mit den Knien die Ohren zuhalten. Wer es nicht verstanden hat: mangels Fußraum. Ich denke, das gibt heute Nachmittag oder morgen noch ordentlich Mecker an der Rezeption.
Bei strahlendem Sonnenschein und frühsommerlicher Wärme fahren wir einmal um die Insel, machen Fotostops an Stränden
und Aussichtspunkten,
entspannen kurz und müssen uns dann wieder in den kleinen Bus hinein falten. Die Insel Jersey selbst ist, wie alle vier Kanalinseln, mit Großbritannien verbandelt, aber einigermaßen unabhängig. Fachausdruck dafür: autonomer Kronbesitz des Vereinigten Königreiches. Es gibt eigene Gesetze, eine eigene Währung und einen eigenen Gerichtshof. Auch ein Gefängnis mit etlichen noch freien Plätzen haben sie. Eine Besonderheit: wer für länger als drei Jahre in den Bau muss, wird dafür nach England abgeschoben. Jersey war lange Zeit ein beliebter Ort für Geldwäsche. Sie ist noch immer ein wichtiger Finanzplatz im legalen Bereich, und aufgrund der recht hohen Preise kein so beliebtes Urlaubsziel mehr wie früher, außer bei Millionären. Die Steuern sind sehr niedrig, und um die Staatsbürgerschaft von Jersey zu erwerben, muss man erst einmal zehn Jahre auf der Insel gelebt haben. Oder ordentlich Geld mitbringen, dann geht es schneller. EU-Bürger kann man dadurch übrigens nicht werden, denn die Kanalinseln waren nie EU-Mitglieder, auch nicht vor dem Brexit.
Nachmittags bin ich wieder an Bord, ernähre mich notdürftig von meinem Obstteller
und besuche dann die abendliche Show, Thema: Rock. Doch davon erzähle ich Euch morgen, vom Obstteller und der Show. Ich weiß nur noch nicht in welcher Reihenfolge.
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