Nein, wir haben kein Spielcasino (mehr) an Bord. Selbst Bingo, auf jedem Schiff sonst für kleine Geldbeträge mit entsprechender Gewinnmöglichkeit, gibt es hier nur just vor fun. Aber ich lenke ab. Neben der guten Nachricht gibt es leider auch eine weniger gute: Mein Ausflug von Honfleur nach Paris wurde wegen Mangel an Beteiligung abgesagt. Sch…ade. Andererseits stimmt jetzt die Kalkulation wieder. So viel zu gestern.
St. Malo, kühler Wind, etwas bewegte See. Unser Schiff muss für drei Tage an die Kette. Nein, es wurde nicht straffällig, aber wir müssen auf Reede liegen, weil der Hafen zu klein für uns ist. Bei der Kette handelt es sich natürlich um die Ankerkette. An Land geht es nur mit den kleinen Tenderbooten, und tausend Leute geteilt durch sechzig Leute geteilt durch vier Boote, hin und her eine gute halbe Stunde, mit ein- und aussteigen am Schiff nochmal zwanzig Minuten, eine Stunde Verzögerung, bis es überhaupt losgeht, das dauert - mir jedenfalls zu lange. Ich beschließe, an Bord zu bleiben. St. Malo interessiert mich ohnehin nicht sonderlich. Dennoch - man hat hier den größten Tidenhub Europas (bis zu 12m), einen historischen Stadtkern, der bei Flut von drei Seiten vom Meer umspült ist, und in der Flussmündung der Rance liegt seit 1966 das weltweit erste und bis 2011 größte Gezeitenkraftwerk der Welt.
Ich dagegen verbringe einen schönen ruhigen Nachmittag an Bord und studiere das Abendprogramm. Als Höhepunkt wird heute ein Schlagerabend angepriesen. Schlagerabend? Deutsche Schlager? Inszeniert von einer amerikanischen Company und dargeboten von englischen Muttersprachlern? Kann das gut gehen?
Ich gehe erst einmal zum Abendessen und habe heute das Pech, nur mitten im Restaurant einen Tisch zu bekommen, auf der einen Seite ein altes Ehepaar, dessen schlechtere Hälfte wohl einmal Lehrer gewesen sein muss, denn man versteht ihn - obwohl er leise spricht, also angemessen - zwei Tische weit, und er sondert ständig irgendwelches Wissen ab, sinnvoll und auch weniger und bar jeder Rücksicht, ob seine bessere Hälfte interessiert oder auch nur überhaupt zuhört.
Auf der anderen Seite sitzen drei oder vier ältere Damen, Hausfrauen, so dumm wie laut, und als eine wichtige Durchsage vom KD über die Lautsprecher kommt, geben sie sich alle Mühe, diese zu übertönen. Und morgen wissen sie wieder von nichts und wundern sich, dass wir immer noch vor St. Malo liegen, denn: Aufgrund des zunehmenden Wellengangs fahren wir heute Nacht nicht zur Kanalinsel Guernsey. Hinfahren wäre kein Problem, aber tendern (auch dort müsste man das) kann man bei 2m Wellenhöhe nicht, schon gar nicht mit einer großen Anzahl von Hundertjährigen. Also bleiben wir hier, und fahren erst morgen nachmittag los, dann direkt zur Kanalinsel Jersey, die unter uns gesagt, das gleiche Problem haben könnte, denn auch da muss getendert werden. Es bleibt spannend.
Zum Abschluss seiner schwer verständlichen Ansprache preist der KD nochmals die Schlagershow heute Abend an.
Ich bin hin- und hergerissen zwischen Abscheu und Neugierde…
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