Montag, 24. Juni 2024

Frongreich, Frongreich


Wir liegen in Port Médoc, besser gesagt, dem Port von Port Médoc, und in zwei Dingen hatte unser Kreuzfahrtdirektor vollkommen Recht behalten: Die Sonne scheint mit sommerlichen 24°C, und an unserer Anlegestelle ist nichts geboten. Gar nichts. Überhaupt nichts. 

Wenigstens die Männer, die das Schiff festbinden müssen, waren da. Hoffentlich kommen sie heute Abend wieder. Und weil so ganz und gar und überhaupt nichts los ist,  konnten all die vielen Individualtouristen, die keinen teuren Ausflug in das 140km entfernte Bordeaux. gebucht haben, einen sehr teuren Shuttlebus in das nur 8km entfernte Sulac-sur-mer buchen. 


Zwar kann man für einen Pauschalpreis den ganzen Tag hin und her fahren (was wenig Sinn macht), aber was mehr doof ist: Wir fahren erst gegen Mitternacht los, was ein leckeres französisches Abendessen in dem netten kleinen Küstenort erlauben würde, aber der Bus stellt seinen Betrieb schon um 17.00 Uhr ein. Dann geht nur noch Taxi. Morgen ist Seetag, da haben die Gäste nichts zu tun, und ich freue mich auf die lange Beschwerdeschlange an der Rezeption. Die Rezeptionisten wohl eher nicht…

Ich bin auch einer von denen, die ein teures Busticket haben, fand aber den kurzen Besuch in dem niedlichen kleinen Ferienort ganz nett und kehre mit dem zweiten Magneten dieser Reise zum Mittagessen auf das Schiff zurück.

Nach ein paar Stunden relaxen auf meinem Balkon, der inzwischen zum Glück im Schatten liegt, steht das Alleinreisendentreffen in unserem Nightclub „The Dome“ an. In der Regel ist so etwas eine unwichtige, dröge, ungeliebte Nebenveranstaltung im Kielraum (ok, ich übertreibe, oder unter, wegen dem Kielraum), voller alter Damen, die nur wegen dem einfachsten Gratis-Sekt gekommen sind, moderiert von den unerfahrensten und häufig auch untalentiertesten Praktikantinnen, oder, falls nicht vorhanden, auch einmal von den adäquaten männlichen Kollegen. Sobald die schlecht eingeschenkten Gläser ausgetrunken sind, machen sich die ersten Oldies wieder vom Acker, und gut ist.

Nicht so hier. Zehn Minuten vor Beginn gibt es im ganzen Schiff eine Ansage und ausdrückliche Einladung zum Alleinreisendentreffen, und ich beschließe, dann doch mal hin zu gehen, was sich als gute Idee zeigt.

Musste ich auf all den anderen Schiffen erst mühevoll nach der dunklen Ecke suchen, wo das Treffen stattfinden sollte, steht hier am Eingang die gesamte Hotelprominenz Spalier: Direktor, Barmanager, Chefhostess, Chef des Housekeepings und der Kreuzfahrtdirektor selbst. Eine ganze Horde von Servicebeauftragten verteil die sehr großen Gläser mit sehr gutem Sekt und - auf Wunsch - Alternativen und gießt auch ständig nach, wenn gewünscht. Das Management wird vorgestellt, und verteilt sich anschließend zwischen den ganzen alten Damen, wenigen alten Männern und dem dicken Mann, um Gespräche in ganz zu bringen. Aber das ist völlig unnötig, denn selbst wenn die meisten Gäste hier den Mumien bei Phoenix ähneln, ich habe bisher nur offene Mitreisende erlebt, was sehr angenehm ist. 

Ich sitze an einem Tisch mit drei Damen aus Hamburg, alt, aber reiselustig und noch immer am Zahn der Zeit. Fast bedauere ich es, als sie zum Abendessen gehen. Oder auch nicht, denn ich habe auch Hunger.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Abenteuer Bahn

  Als mir heute morgen, im Bett, ganz spontan dieser Titel eingefallen ist, wusste ich natürlich noch nichts vom heutigen Tag. Aber ganz von...